Da ist der Wurm drin!

Strigolaktone stärken bei Tabak die Toleranz gegenüber Rüsselkäfern

14.09.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Larve des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea im Stängel einer Tabakpflanze (Nicotiana attenuata). Der Schädling lebt fast während seines gesamten Lebenszyklus im Stängel der Pflanze, wo er sich vom Stängelmark ernährt. (Bildquelle: © Anna Schroll)

Die Larve des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea im Stängel einer Tabakpflanze (Nicotiana attenuata). Der Schädling lebt fast während seines gesamten Lebenszyklus im Stängel der Pflanze, wo er sich vom Stängelmark ernährt. (Bildquelle: © Anna Schroll)

Rüsselkäfer leben vom Larvenstadium bis kurz vor der Paarung im Inneren des Stängels von Tabakpflanzen. Die Pflanzen können die Käfer nicht vollständig abwehren, sie aber erfolgreich tolerieren. ForscherInnen haben nun die verantwortlichen Pflanzenhormone – die Strigolaktone – entdeckt, die den dafür erforderlichen Mix von Abwehrstoffen regulieren.

Eine starke Abwehr von Fraßfeinden ist für Pflanzen überlebenswichtig. Pflanzenhormone wie Jasmonate und Auxin spielen dabei eine wichtige Rolle und sind bereits gut erforscht. Dass ihr Zusammenspiel in Tabakpflanzen von einer weiteren Gruppe Hormone gesteuert wird, haben WissenschaftlerInnen des Max-Planck-Instituts (MPI) für chemische Ökologie in Jena nun zusammen mit KollegInnen in China und Korea herausgefunden: Sogenannte Strigolaktone hemmen die Zahl von Sprossverzeigungen – den Stellen, an denen sich die Käferlarven ihren Weg in die Pflanzen bahnen. Und sie scheinen auch Einfluss auf die Produktion von weiteren Abwehrstoffen zu haben.

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Die Larven und Puppen des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea sind im Stängel der Pflanze gut vor Fraßfeinden geschützt. Von außen ist später, wenn die Pflanze schon fast verwelkt ist, lediglich das Austrittsloch zu sehen.

Die Larven und Puppen des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea sind im Stängel der Pflanze gut vor Fraßfeinden geschützt. Von außen ist später, wenn die Pflanze schon fast verwelkt ist, lediglich das Austrittsloch zu sehen.

Bildquelle: © Anna Schroll

Dr. Ming Wang, einer der Studienleiter vom Institut für Pflanzenpathologie der Nanjing Agricultural University in China beschreibt, wie die ForscherInnen zu ihrer Entdeckung kamen: „Im Feld war uns aufgefallen, dass sich die Stängel von Tabakpflanzen, die von Larven des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea befallen waren, rot verfärbten. Im Gewächshaus hingegen waren es Pflanzen, die keine Strigolaktone mehr bilden konnten, die ebenfalls rot gefärbte Stängel aufwiesen.“ Daher wollte das Forscherteam herausbekommen, welche Rolle diese Hormon-Gruppe bei der Abwehr der Rüsselkäfer einnimmt.

Zusammenspiel der Hormone Strigolakton, Jasmonaten und Auxin

Die rote Farbe wird durch hohe Konzentrationen von Anthocyaninen erzeugt und soll Fraßfeinde der Schädlinge anlocken. Hormone aus der Gruppe der Jasmonate aktivieren die Pigmentproduktion und zusätzlich die Bildung von Phenolamiden, eine weitere Gruppe von Abwehrsubstanzen. Die Forscher vermuteten daher, dass ein Mangel an Strigolaktonen die Bildung von Jasmonaten im Stängel erhöht.

Die Erstautorin der Studie, Suhua Li, erklärt: „Die hohen Jasmonatkonzentrationen in den Mutanten sowie die vermehrte Bildung der roten Anthocyanin-Pigmente hätten eigentlich für eine stärkere Abwehr gegen Fressfeinde sprechen müssen. Allerdings waren Pflanzen, denen Strigolaktone fehlten, deutlich anfälliger gegenüber den Larven. Dies war insofern ein überraschendes Ergebnis, da in der Fachwelt eine große Einigkeit darüber besteht, dass Jasmonate die Abwehr gegen Schädlinge positiv beeinflussen und in diesen Pflanzen waren Jasmonatsignale deutlich verstärkt.“

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Die Wissenschaftlerin Suhua Li schneidet den Stängel einer Tabakpflanze auf, um nach der darin verborgenen stängelfressenden Larve des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea zu sehen.

Die Wissenschaftlerin Suhua Li schneidet den Stängel einer Tabakpflanze auf, um nach der darin verborgenen stängelfressenden Larve des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea zu sehen.

Bildquelle: © Anna Schroll

Da die Unterdrückung von Strigolaktonen auch die Produktion des Phytohormons Auxin ankurbelte, vermuten die ForscherInnen ein komplexeres Zusammenspiel dieser drei Botenstoffe bei den pflanzlichen Abwehrmechanismen.

Eine Frage der Signalwege: Abwehr oder Toleranz?

Professor Ian Baldwin, Direktor der Abteilung Molekulare Ökologie am MPI, umreißt das Problem, mit dem Tabakpflanzen bei der Schädlingsabwehr zu tun haben könnten: „Es wird allgemein angenommen, dass Pflanzen nicht gleichzeitig hohe Toleranz- und Abwehrmechanismen einsetzen können, da beide Prozesse zu ressourcenintensiv sind. Unsere Arbeit betritt Neuland, indem sie zeigt, dass in diesem Fall jedoch noch andere ‚Konflikte‘ als die Ressourcenbegrenzung im Spiel sind – nämlich solche, die sich aus den spezifischen Mechanismen der Signalwege ergeben.“

Baldwin und seine KollegInnen vermuten daher, dass Strigolaktone in der Pflanze eine Art Schalterfunktion zwischen der Verteidigung gegen und der Toleranz von Schädlingen haben könnten. „Eine erhöhte Anzahl von Zweigen ist zwar eines von vielen Mitteln, mit denen eine Pflanze ihre Toleranz gegenüber Fraßschädlingen erhöhen kann, da sie so Verluste ausgleichen kann. Die Studie zeigt aber, dass bei vielen Verzeigungsstellen und damit vielen potentiellen Zugangspforten für die Larven auch die Anfälligkeit für den endophytischen Rüsselkäfer steigt“, so Baldwin.

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Der Rüsselkäfer Trichobaris mucorea: Seine Larven bohren sich durch die Stängel von Tabakpflanzen und ernähren sich vom Stängelmark.

Der Rüsselkäfer Trichobaris mucorea: Seine Larven bohren sich durch die Stängel von Tabakpflanzen und ernähren sich vom Stängelmark.

Bildquelle: © Anna Schroll

Dies sei, den Ergebnissen der Studie entsprechend, auf die erhöhte Auxinkonzentration zurückzuführen, die bei Hemmung der Strigolaktone auftritt. Und Auxin unterdrücke die Bildung von Nikotin in Tabakpflanzen – ausgerechnet der Stoff, der Rüsselkäfer in die Flucht schlagen kann.

Evolution als Bastelprozess

Die Studie zeigt, dass sich im Lauf der Evolution die Signalwege zur Verteidigung von Pflanzen nicht immer in linearer Weise entwickelt haben. Diese seien, laut Baldwin, eher durch einen langwierigen ‚Bastelprozess‘ entstanden, der zu sehr komplexen Abläufen und unerwarteten Phänotypen geführt habe.

Dies sei auch eine wichtige Erkenntnis für die Züchtung von Kulturpflanzen: Baldwin geht davon aus, dass der Abwehr-Toleranz-Konflikt wahrscheinlich lösbar ist: Im Gegensatz zu den Ressourcen sei die Architektur der Signalwege durch Züchtung modifizierbar und könne so optimiert werden.


Quelle:
Li, S. et al. (2020):  Strigolactone signaling regulates specialized metabolism in tobacco stems and interactions with stem-feeding herbivores. In: PLOS Biology, (18. August 2020), doi: 10.1371/journal.pbio.3000830.

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Titelbild: Die Larve des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea im Stängel einer Tabakpflanze (Nicotiana attenuata). Der Schädling lebt fast während seines gesamten Lebenszyklus im Stängel der Pflanze, wo er sich vom Stängelmark ernährt. (Bildquelle: © Anna Schroll)