Es landet zu viel im Müll!

Studie schätzt weltweite Lebensmittelverschwendung

09.06.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Laut einer Studie könnte das globale Problem der Lebensmittelverschwendung noch deutlich schlimmer sein, als vermutet. (Bildquelle: © iStock.com/SaskiaAcht)

Laut einer Studie könnte das globale Problem der Lebensmittelverschwendung noch deutlich schlimmer sein, als vermutet. (Bildquelle: © iStock.com/SaskiaAcht)

Verbraucherinnen und Verbraucher werfen möglicherweise mehr als doppelt so viele Lebensmittel weg als bisher angenommen. Das ist das Fazit einer neuen Studie über das Ausmaß der weltweiten Lebensmittelverschwendung. Vor allem Wohlstand fördert der Studie zufolge das Wegwerfverhalten.

Wer kennt es nicht: Im Supermarkt gibt es XXL-Packungen, die oft deutlich günstiger sind als kleinere. Die häufige Konsequenz: Man schafft es nicht, alles rechtzeitig aufzuessen und vieles landet im Müll.

FAO-Schätzung: Ein Drittel wird vergeudet

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass rund ein Drittel aller für den menschlichen Verzehr verfügbaren Lebensmittel vergeudet werden (vgl. FAO, 2011). Dieser Richtwert dient allgemein als Referenz für das Ausmaß der globalen Verschwendung. Darunter fallen Lebensmittelverluste und Lebensmittelverschwendung bzw. -abfälle: Verluste fallen nach Angaben der FAO vor allem bei der Ernte, beim Transport und bei der Lagerung an. Als Abfälle gelten Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind, aber nicht gegessen wurden. Verantwortlich hierfür sind hauptsächlich die Händler und Endverbraucher.

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Abgeleitet wurden die Lebensmittelabfälle von den Energiebedürfnissen des Menschen. Dafür wurden sowohl das Körpergewicht als auch das Maß der körperlichen Aktivität (PAL) herangezogen.

Abgeleitet wurden die Lebensmittelabfälle von den Energiebedürfnissen des Menschen. Dafür wurden sowohl das Körpergewicht als auch das Maß der körperlichen Aktivität (PAL) herangezogen.

Bildquelle: © Gino Crescoli / Pixabay / CC0

In der FAO-Methodik wird das Verbraucherverhalten unterschätzt, kritisiert ein Team der Universität Wageningen: Was die Konsumenten machen, nachdem sie die Lebensmittel gekauft haben, wird aus ihrer Sicht nicht ausreichend berücksichtigt. Vor allem reiche Konsumenten könnten ein anderes Verhalten an den Tag legen als ärmere, vermuten sie. Die Studie beantwortet erstmalig, ob und wie sich der Wohlstand der Verbraucher auf die Menge der Lebensmittelabfälle auswirkt.

„Stoffwechselmodell“ führt zu belastbareren Daten

Da es nur wenige Daten über Lebensmittelabfälle gibt, musste das Team die Daten ebenfalls schätzen. Sie verfolgte dabei aber einen ungewöhnlichen Ansatz, indem sie den menschlichen Stoffwechsel als Basisgröße zugrunde legten.

Zunächst ermittelten sie anhand von UN-Daten, wie viel Nahrung zur Verfügung steht. Abgeleitet wurden die Abfallmengen von den Energiebedürfnissen des Menschen. Sie verwendeten dafür Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über das Körpergewicht und das Maß für die körperliche Aktivität – dem Physical Activity Level (PAL), d. h. der Menge an Energie, die über den Grundumsatz hinaus benötigt wird, um körperliche Leistungen zu vollbringen. Die Lücke, die zwischen den Kalorien des verfügbaren bzw. gekauften Essens und der tatsächlich (statistisch nachweisbar) benötigten Energie besteht, ergeben die Abfälle der Konsumenten. Insgesamt lagen ihnen hierfür Daten aus 63 Ländern vor. Allerdings sind dabei nur 67 Prozent der Welt abgedeckt– es fehlen Länder wie die USA oder Kanada, von denen angenommen wird, dass sie viel verschwenden. Daten zum Wohlstand in den einzelnen Ländern kamen von der Weltbank.

Weniger im Bauch, mehr im Müll

Im Jahr 2005 landeten weltweit durchschnittlich 526 Kilokalorien (kcal) pro Person und Tag im Mülleimer, so das Ergebnis der Studie. Das ist fast ein Viertel der 2.300 kcal, die ein Mann im Alter von 25-50 Jahren bei geringer körperlicher Aktivität für seinen Grundumsatz laut der (DGE) benötigt oder deutlich über ein Viertel der empfohlenen Energiezufuhr einer Frau in derselben Kategorie (1.800 kcal).

Die Schätzungen der FAO zur Lebensmittelverschwendung bei Verbrauchern sind demnach möglicherweise deutlich zu niedrig. Denn die FAO kommt im selben Jahr auf eine Verschwendung von nur 214 Kcal/Tag pro Kopf, also weniger als die Hälfte des neu berechneten Wertes. Und die Vergeudung stieg laut der Studie im Jahr 2011 sogar auf 727 Kcal/Tag pro Kopf.

Wer mehr hat, schmeißt mehr weg

Das ermittelte Muster zwischen den Ländern konnte die allgemeine Überzeugung bestätigen, dass Verbraucher in reicheren Ländern mehr Lebensmittel verschwenden.

Die Autoren stellten fest, dass die Menge der Lebensmittelabfälle in einer linearen Beziehung zum Wohlstand der Verbraucher stehen. Sobald eine Budgetschwelle von etwa 6,70 US-Dollar (umgerechnet ca. 6,1 Euro) pro Tag und Kopf erreicht wird, nimmt die Lebensmittelverschwendung mit dem Einkommen rapide zu. Erst bei höheren Einkommen verlangsamt sich diese Entwicklung wieder.

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Je mehr Geld ein Haushalt zur Verfügung hat, desto mehr wird auch verschwendet.

Je mehr Geld ein Haushalt zur Verfügung hat, desto mehr wird auch verschwendet.

Bildquelle: © Steve Buissinne / Pixabay / CC0

Die Autoren betonen jedoch, dass es neben dem Wohlstand auch viele weitere Verbraucherattribute gibt, die die Lebensmittelverschwendung beeinflussen können.

Deutschland schreitet mit gutem Vorbild voran

Nach Ansicht der Autoren sollte vor allem etwas gegen die Lebensmittelverschwendung in den reichen Ländern getan werden. Auch sei es zweckmäßig, einen raschen Anstieg der Abfallmenge in den Ländern zu verhindert, in denen der Wohlstand gerade zunimmt.

Auch wenn die FAO-Zahlen vielleicht zu niedrig angesetzt sind, haben sie doch dazu geführt, dass die Dringlichkeit zu handeln weltweit erkannt wurde. Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und auch das gesamte Konsumverhalten zu verändern, wurden zu einem globalen Ziel für nachhaltige Entwicklung – dem Sustainable Development Goal (SDG) 12.

Mit der Informationskampagne „Zu gut für die Tonne“ setzt sich auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln ein. Anfang 2019 hat das Bundeskabinett zudem die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung verabschiedet. Damit ist das Thema auf der politischen Agenda. Aber vor allem muss die Botschaft bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen.


Quelle:
Van den Bos Verma, M. et al. (2020): Consumers discard a lot more food than widely believed: Estimates of global food waste using an energy gap approach and affluence elasticity of food waste. In: PLoS ONE 15(2): e0228369, (12. Februar 2020), doi: 10.1371/journal.pone.0228369.

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Titelbild: Laut einer Studie könnte das globale Problem der Lebensmittelverschwendung noch deutlich schlimmer sein, als vermutet. (Bildquelle: © iStock.com/SaskiaAcht)