Klimaanpassung

Die wichtigsten Fragen rund um abiotischen Stress

24.04.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reis ist gut an Wasserstress angepasst. Lässt sich von ihm lernen? (Bildquelle: © Pexels / Pixabay)

Reis ist gut an Wasserstress angepasst. Lässt sich von ihm lernen? (Bildquelle: © Pexels / Pixabay)

Vieles hat die Pflanzenforschung in den vergangenen Jahrzehnten darüber aufgeklärt, wie Pflanzen mit unterschiedlichen Formen von abiotischem Stress umgehen. Doch manch essenzielle Frage ist bislang unbeantwortet – und der Klimawandel mit Extremwetterereignissen wie Flut, Hagel, Trockenheit und Hitze macht die Suche nach Antworten dringlicher.

Wie messen Pflanzen den Zustand ihrer Umwelt? Wie greifen Umweltsignale und pflanzliche Signalkaskaden ineinander? Und welche Reaktionen lösen diese Kaskaden letztlich aus? Viele einzelne Antworten auf diese Fragen kann die Pflanzenforschung heute geben - und doch gibt es bei praktisch jeder Form von abiotischem Stress noch Rätsel. Eine neuer Übersichtsartikel gibt jetzt einen Überblick über grundlegende Herausforderungen und Ansätze, um Kulturpflanzen an die Folgen der Klimakrise besser anzupassen.

Eine Sorte für Trocken- und Wasserstress?

Die Pflanzenzüchtung hat Fortschritte darin gemacht, Pflanzen an trockene oder überschwemmte Böden anzupassen. Doch mit der Klimakrise werden sich an immer mehr Standorten Dürren und Überflutungen abwechseln. Gibt es also Merkmale, die es einer Pflanze ermöglichen, mit beiden Stressfaktoren abwechselnd gut umzugehen? Pflanzen in saisonal überschwemmten Feuchtgebieten erleben solche Bedingungen und sind daran angepasst. Tatsächlich existieren in allen wichtigen Getreidefamilien Wildarten, die zeitweise erhöhte Nässe vertragen. Sie können Einblicke geben, welche relevanten Attribute im Zuge der Domestizierung verloren gegangen sind. Dazu könnten flache Wurzeln zählen, die aus dem oberflächennahen Wasser Sauerstoff und Nährstoffe gewinnen können. Manche dieser Wurzeln können aber auch dem Feuchtegradient folgen und so auch bei Dürre eine bessere Wasserversorgung ermöglichen. Dazu müsste jedoch ihre Plastizität hoch genug sein, um bei Bedarf in die Tiefe wachsen zu können.

Wassermangel erkennen und kommunizieren

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Dürre wird immer häufiger zu einem Problem in der Landwirtschaft, wie hier auf einem Maisfeld.

Dürre wird immer häufiger zu einem Problem in der Landwirtschaft, wie hier auf einem Maisfeld.

Bildquelle: © Couleur / Pixabay

Ein stabiler Wasserhaushalt ist für Pflanzen wesentlich und viele gut verstandene Mechanismen regulieren dieses Gleichgewicht. Unklar ist jedoch, welche molekularen Komponenten Wassermangel messen und wie diese Information in der Pflanze verbreitet wird. Denkbar wäre, dass infolge von Wassermangel veränderte hydraulische Parameter als Signal wirken. Pflanzliche Membranen können winzige Druckveränderungen messen, dafür sind die Fangmechanismen mancher fleischfressender Pflanzen ein Beleg. Die veränderte Spannung im Xylem oder Änderungen des Zellvolumens wären sogar stärkere Signale. Wären die Mechanismen verwandt, die Berührungen und Wassermangel erfassen, könnte Abscisinsäure ein zentrales Signalmolekül für die Pflanzen-interne Kommunikation bei der Stressabwehr sein.

Wie beeinflusst Wassermangel die Blütenbildung?

Für Pflanzen ist es eine kritische Entscheidung, wann sie von der vegetativen in die reproduktive Phase wechseln – also die Blüte einleiten. In welcher Weise beeinflusst Wassermangel diese Entscheidung? In Dürreregionen haben Pflanzen frühe Blühzeitpunkte im Jahr entwickelt, um der ärgsten Dürre zuvorzukommen. Andere Pflanzen ziehen die Blüte vor, wenn sie Wassermangel bemerken. Beteiligt daran könnten die Florigen-Gene sein. Normalerweise werden sie abhängig von der Tageslänge hochreguliert, doch bei einigen Pflanzen hat auch Wassermangel diesen Effekt. Wassermangel könnte also Florigen und Tageslänge entkoppeln. Auch hier könnte Abscisinsäure erneut das Signalmolekül sein, das die nachfolgenden Reaktionen der Pflanzen einleitet.

Wo trifft Wassermangel die Pflanze am härtesten?

Ein System ist nur so stabil wie sein schwächster Punkt. Wo also wird eine Pflanze am stärksten getroffen, wenn sie unter Wassermangel leidet? Wo reduziert sich ihre Produktivität am meisten, wo sind Schäden irreversibel? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, da Wasser Pflanzen nicht nur durch das Xylem durchströmt, sondern auch durch alle lebenden Gewebe. Zudem verändern Pflanzen den Wasserfluss, wenn sie einem Mangel begegnen. Gelingt es, hydraulische Engpässe zu identifizieren und besser vorherzusagen, ab wo Wassermangel letal wirkt, könnten Pflanzen züchterisch besser an die Klimakrise angepasst werden.

Wie hängen CO2 und Wasserhaushalt zusammen?

Steigende CO2-Konzentrationen steigern eigentlich die Photosynthese und fördern somit das Pflanzenwachstum. Es gibt aber auch gegenteilige Effekte des Treibhausgases, beispielsweise auf die Regulation der Stomata-Öffnung und damit auf die Wassereffizienz der Pflanzen.

In landwirtschaftlichen Regionen mit ausreichenden Niederschlägen, Bodennährstoffen und somit günstigen Wachstumsbedingungen könnte zum Beispiel die mit steigender Kohlendioxidkonzentrationen einhergehende CO2-induzierte Verringerung der Stomataöffnungen die Photosynthese einschränken. Dies gilt insbesondere für C3-Pflanzen, die 85 % der Pflanzenarten auf der Welt stellen. Forschungsbedarf besteht auch bei der Untersuchung der Auswirkungen des CO2-induzierten Schließens der Stomata bei Hitze-Stress, da die CO2-Reaktion bei hohen Temperaturen schwächer zu sein scheint.

Nur wenn alle diese Effekte quantifiziert werden können, lässt sich daraus auch die Rolle der Pflanzen in der globalen CO2-Bilanz verlässlicher bestimmen. Die molekularen Mechanismen hinter der CO2-abhängigen Stomata-Regulation müssen dazu noch detaillierter erforscht werden.

Anpassung an wärmeres Klima

Wärme führt in Pflanzen zu aktiven und passiven Anpassungen. Passive Effekte hängen etwa mit Proteinen zusammen, die grundsätzlich eine höhere Hitzestabilität besitzen. Aktive Anpassungen hingegen können bedeuten, die heißeste Zeit des Jahres eher zu überdauern und die Wachstumsphase in andere Zeiten zu legen. Dazu beschleunigen Pflanzen ihr Wachstum und die Blüte, solange moderate Umweltbedingungen vorherrschen. Kurzfristige Hitze können Pflanzen durch Hitzeschockproteine abfangen. Damit Pflanzen diese Mechanismen einsetzen können, brauchen sie verlässliche Hitzesensoren und -prädiktoren. Diese zu kennen ist daher ebenso bedeutsam wie das Verständnis der eigentlichen Anpassungsmechanismen.

Abkehr von einer Modellpflanze

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Viele Pflanzen wie die Aprikose haben Sensoren für Umweltfaktoren und richten Blüte und Wachstum an saisonalen Faktoren aus.

Viele Pflanzen wie die Aprikose haben Sensoren für Umweltfaktoren und richten Blüte und Wachstum an saisonalen Faktoren aus.

Bildquelle: © sweetlouise / Pixabay

Pflanzen haben sich an fast alle Umgebungen auf der Erde erfolgreich angepasst. Doch ist unser Wissen über die Prinzipien der Stresstoleranz bei Pflanzen noch sehr lückenhaft. Das liegt auch daran, dass allgemeine Grundlagen bislang nur an wenigen Modellpflanzen – vor allem der Ackerschmalwand (ein Kreuzblütler) – erforscht wurden. Inzwischen sind die Genome Hunderter Pflanzarten entschlüsselt, das 10.000-Genom-Projekt wird die Zahl noch rasant steigern. Künftig könnten somit für zahlreiche weitere Pflanzengruppen eigene Modellpflanzen und Methoden etabliert werden, um die Grundlagen abiotischer Stresstoleranzen besser zu erforschen.

Komplexe Zusammenhänge aufdecken

Die Reaktionen einer Pflanze auf Umweltbedingungen hängt oft von weiteren Faktoren ab. Die gleiche Pflanze kann anders auf Hitze oder Dürre reagieren, wenn beide Phänomene gleichzeitig auftreten. Genom-weite Studien können hier auch mit Hilfe künstlicher Intelligenz Muster aufdecken und damit mehr Details erkennen lassen, wie Pflanzen dem komplexen Wechselspiel abiotischer Stressfaktoren begegnen.

Welche Kompromisse gehen Pflanzen ein?

Auf abiotischen Stress zu reagieren, verlangt von der Pflanze, wertvolle Ressourcen wie Nährstoffe oder Energie „zu opfern“. Diese Ressourcen fehlen dann vielleicht an anderer Stelle. Auch kann eine Anpassung an einen Stressfaktor eine adäquate Reaktion auf einen anderen Stress beeinträchtigen. Wenn diese „Kompromisse“ besser verstanden wären, könnte man Pflanzen besser bei Stresssituationen ausbalancieren.

Die Rolle der inneren Uhr

Die circadiane Rhythmik koordiniert die Abläufe in der Pflanze bei Veränderungen der Umwelt im Tages- oder Jahresverlauf. Die Rhythmik koordiniert Reaktionen auf variable Faktoren wie Hitze am Tag und Kälte in der Nacht. Sind diese Mechanismen gestört, kann sich die Pflanze schlechter an abiotischen Stress anpassen. Die innere Uhr dient den Pflanzen vermutlich dazu, Stress zu antizipieren und eine Reaktion vorzubereiten. Die von der circadianen Rhythmik gesteuerte Stressabwehr führt jedoch nicht zu nennenswerten Einbußen an anderer Stelle. Ihre Mechanismen besser zu verstehen, würde daher den Weg zu neuen Ansätzen der abiotischen Stresstoleranz ebnen.

Weitergehende Details zu diesen und anderen zentralen Fragen der Pflanzenforschung haben 15 Arbeitsgruppen im Fachjournal „The Plant Cell“ zusammengetragen.


Quelle:
Verslues, P. E., et al. (2023): Burning questions for a warming and changing world: 15 unknowns in plant abiotic stress. In: The Plant Cell, 2023: 35: 67-108. doi: 10.1093/plcell/koac263.

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Titelbild: Reis ist gut an Wasserstress angepasst. Lässt sich von ihm lernen? (Bildquelle: © Pexels / Pixabay)