Lipide sind ein „Multitool“

Strukturgeber, Signalgeber und Regulator: Pflanzliche Lipide leisten so manches

18.10.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wurzelzellen einer Maispflanze unterm Mikroskop. (Bildquelle: © BCC Bioscience Image Library / Flickr / CC0)

Wurzelzellen einer Maispflanze unterm Mikroskop. (Bildquelle: © BCC Bioscience Image Library / Flickr / CC0)

Lipide sind vielfältig und allgegenwärtig in lebenden Organismen. Welche unterschiedlichen Rollen sie in der Plasmamembran von Pflanzenwurzeln spielen, versteht die Pflanzenforschung immer besser – doch in vivo-Studien dazu haben ihre Tücken.

Lipide sind eine heterogene Gruppe meist wasserunlöslicher Naturstoffe. So vielfältig wie ihre Formen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Funktionen. So haben sie in der Plasmamembran der Wurzelzellen strukturelle oder regulatorische Aufgaben, in manchen Fällen sind sie eine Komponente von Signalwegen. Zwar gestaltet sich die in vivo-Analyse im Wurzelraum schwierig, doch in den vergangenen Jahren hat die Pflanzenforschung so einige Erkenntnisse zusammengetragen – von der letztlich auch die Pflanzenzüchtung profitieren kann.

Lipide sind wesentliche Komponenten der Plasma- und der intrazellulären Membranen. Sie speichern Energie und Kohlenstoff. Das ist in den Wurzelzellen nicht anders als in oberirdischen Teilen der Pflanze. Doch die regulatorischen und signalgebenden Funktionen sind es, bei denen es gerade im Wurzelraum spannend wird. Denn dort kommt es zu Interaktionen mit den Mikroorganismen der Rhizosphäre – von symbiontischen Wechselwirkungen bis zur Abwehr von Pathogenen. Aber auch die Rolle der Lipide beim intrazellulären Stofftransport oder bei der Anpassung an abiotische Umweltfaktoren rückt zunehmend in den Fokus.

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Im Boden um die Pflanzenwurzeln, der Rhizosphäre, interagieren Pflanzen mit vielen Mikroorganismen.

Im Boden um die Pflanzenwurzeln, der Rhizosphäre, interagieren Pflanzen mit vielen Mikroorganismen.

Bildquelle: © iStock.com / Okea

Lipide lassen sich in acht Gruppen einordnen

Die Forschung unterscheidet nach Bauart acht Gruppen von Lipiden: Fettsäuren, Glycerolipide, Phospholipide, Sphingolipide, Sterollipide, Isoprenoide, Glykolipide und Polyketide.

Phospholipide mit unterschiedlichen Kopfgruppen sind beispielsweise Hauptbestandteil der Doppellipidschicht der Plasmamembran. Sie sind an Signalweiterleitungen zwischen Zellen und dem intrazellulären Transport beteiligt. Den Sphingolipiden kommt unter anderem eine wichtige Funktion beim Umbau der Plasmamembran in nekrotischen Zellen zu. Und die Sterollipide, von denen bislang mehr als 250 Formen bekannt sind, beteiligen sich an der Endozytose und am Recycling. Auch beeinflussen sie, wie das Wurzelwachstum von der Schwerkraft beeinflusst wird. Da Sterole auch die Stabilität und Permeabilität der Membran regulieren, sind sie wichtige Komponenten der Immunreaktion auf pathogene Pilze.

Interaktionen in drei Schritten

Pflanzenwurzeln interagieren mit ihrer direkten Umgebung, der Rhizosphäre, in drei Schritten. Der erste Schritt ist die Ausscheidung verschiedener Substanzen. Darunter befinden sich auch zahlreiche Lipide, vor allem Fettsäuren und Sterollipide. Aber auch Polyketide kommen dort vor und beeinflussen beispielsweise die Bildung von Wurzelknöllchen. Isoprenoide sind flüchtige organische Verbindungen und können Fressfeinde abwehren oder auch nützliche Tiere anlocken, die sich von wurzelfressenden Schädlingen ernähren. Nicht zuletzt beeinflussen die ausgeschiedenen Lipide – zusammen mit anderen Nährstoffe – die Zusammensetzung des Wurzelmikrobioms.

Moleküle in der Rhizosphäre

Nun kommt es im zweiten Schritt zu den Reaktionen der Mikroorganismen auf die Wurzelausscheidungen. Die Wahrnehmung bestimmter Komponenten kann in den Mikroorganismen regulatorische Abläufe oder Signalkaskaden auslösen. Dazu gehören auch genregulatorische Vorgänge in Abhängigkeit des sogenannten Quorum Sensings. Auf diese Weise „erkennen“ Bakterien, welche Dichte ihre Population erreicht hat oder wie komplex die Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaft ist. Davon abhängig sind Prozesse wie Biofilmbildung, Pathogenität, Konjugation sowie Bildung und Absonderung von Enzymen, Antibiotika und anderen Metaboliten. Insbesondere für einige Fettsäuren und Polyketide konnte ein lenkender Einfluss auf diese Mechanismen gezeigt werden.

Prenollipide können auch über größere Distanzen die Rhizosphäre beeinflussen, unter anderem, indem sie das Quorum Sensing anderer Mikroorganismen stören. Innerhalb einer Art reguliert diese Stoffgruppe die Biofilmbildung, Virulenz und Stresstoleranz. Auf diese Weise beeinflussen die ausgeschiedenen Lipide letztendlich auch das Pflanzenwachstum.

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Pflanzliche Lipidkinasen regulieren diverse Prozesse, darunter die Symbiose mit Knöllchenbakterien (Rhizobien).

Pflanzliche Lipidkinasen regulieren diverse Prozesse, darunter die Symbiose mit Knöllchenbakterien (Rhizobien).

Bildquelle: © kelly marken / Fotolia.com

Abwehr und Symbiose

Die dritte Interaktionsebene sind Signale der Mikroorganismen zurück an die Pflanze. Für bestimmte konservierte mikrobenspezifische Moleküle gibt es in der Pflanze spezialisierte Rezeptoren, um die Abwehr gegen diese Mikroorganismen zu aktivieren. Umgekehrt können bestimmte Substanzen von Bakterien und Pilzen, beispielsweise Polyketone, die Wurzelentwicklung, Stresstoleranz und das Abwehrverhalten der Pflanze über ihre genregulatorische Wirkungen beeinflussen.

Auch an weiteren Abwehrreaktionen innerhalb der Pflanze sind Lipide beteiligt, unter anderem an der Signalweiterleitung von der Wurzel an oberirdische Pflanzenteile. Zentrale Rollen haben die Phospholipase D, die Phosphatidsäuren bildet, sowie die Phospholipase A, die an der Synthese von Jasmonsäure mitwirkt. Dabei hat sich gezeigt, dass pflanzliche Lipidkinasen diverse Prozesse regulieren, darunter die angeborene Immunreaktion, den intrazellulären Transport, Autophagie, Seneszenz sowie die Symbiosen mit Rhizobien und Mykorrhiza-Pilzen. Ein Prozess, der in vielen Signalwegen vorkommt, ist auch die Peroxidierung von Lipiden.

Potenzial für Produktivität und Toleranzen

Viele der jüngeren Erkenntnisse im Feld „Lipidomics“ gehen auf neue Entwicklungen der Massenspektrometrie als Analysemethode zurück. Sie hilft, die Strukturen von Lipiden zu bestimmen, deren Menge zu ermitteln und die Interaktion mit anderen Molekülen festzustellen. Sind die beteiligten Lipide bekannt, können Transkriptom- und Genomuntersuchungen die damit verbundenen Gene identifizieren. Das eröffnet nicht zuletzt der Pflanzenforschung neue Ansatzpunkte, um Produktivität, Toleranz gegen abiotische Umwelteinflüsse und Abwehrmechanismen gegen Pathogene zu verbessern.


Quelle:
Macabuhay, A. et al. (2021): Modulators or facilitators? Roles of lipids in plant root–microbe interactions. In: Trends in Plant Science, (4. Oktober 2021), doi: j.tplants.2021.08.004.

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Titelbild: Wurzelzellen einer Maispflanze unterm Mikroskop. (Bildquelle: © Berkshire Community College Bioscience Image Library / Flickr / CC0)