Biomasse Booster
Brassinosteroide sorgen für Wachstum in widrigen Zeiten
Wachstum und Stressreaktion gelten allgemein als antagonistische Prozesse. Schließlich geht es darum, knappe Ressourcen balanciert einzusetzen. Nun haben Forscher eine Möglichkeit gefunden, wie vermieden könnte, dass Pflanzen unter Hitze- und Trockenstress sowie unter Schädlingsdruck ihr Wachstum einstellen. Im Fokus: die Brassinosteroide.
Pflanzen sind Meister der Anpassung. Als fest verwurzelte Lebewesen, die ein Leben lang an einen Standort gebunden sind, ist dies eine essentielle Überlebensstrategie. Es gilt, sich an die Gegebenheiten anzupassen, knappe Ressourcen bestmöglich zu investieren, mit dem Ziel, zu überleben und sich erfolgreich fortzupflanzen. Somit sind Pflanzen auch Meister im Abwiegen: Kann ich es mir erlauben, den Großteil meiner Ressourcen für das Wachstum zu nutzen, Blüten und Samen zu bilden? Oder zwingen mich widrige Umstände biotischer oder abiotischer Art dazu, in die Abwehr und Verteidigung zu investieren? In der Realität müssen Pflanzen im Laufe ihres Lebens einen Ausgleich zwischen beiden Notwendigkeiten schaffen. Sie verfügen daher über Mittel und Wege, ihre Ressourcen bestmöglich einzusetzen, sich zwischen Pflanzenwachstum und -verteidigung zu entscheiden. Beide stehen sich im Großen und Ganzen diametral gegenüber.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Aus diesem Grund dürfte eine aktuelle Studie die Aufmerksamkeit vieler wecken, da sie den Beweis liefert, dass es auch anders geht: kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Im Zentrum stehen die Brassinosteroide, eine Gruppe bereits gründlich erforschter Pflanzenhormone, die an vielen Prozessen beteiligt ist, nun aber um eine weitere, überraschende Facette reicher ist. Wie die Forscher zeigen lässt eine Ankurbelung der Brassinosteroidbiosynthese über das DWF4-Gen Rapspflanzen nicht nur an Biomasse zulegen, sondern gleichzeitig auch resistenter gegenüber biotischem und abiotischem Stress werden.
Wie wirken Brassinosteroide eigentlich?
Brassinosteroide wirken, indem sie an speziellen BRI1-Rezeptoren in der Zellmembran andocken und so eine Signalkaskade im Inneren der Zelle in Gang setzen: Die Aufhebung der Aktivität eines blockierenden Enzyms mit dem Namen BIN2 bewirkt, dass zwei Transkriptionsfaktoren BZR1 und BES1 sowie eine Reihe weiterer Gene aktiv werden, die wiederum eine Vielzahl von Genen beeinflussen, die eng in Verbindung mit verschiedenen Wachstums- und Entwicklungsprozessen stehen oder in die Stressreaktion involviert sind.
Je nach Organ oder Gewebe zählen dazu u.a.: lichtabhängige Entwicklungsprozesse (Photomorphogenese), Samenkeimung, Blütenbildung, Seneszenz, die Entwicklung des Pollenschlauchs, die Differenzierung des Xylems sowie die Wurzelbildung. In puncto Stress als auslösende Faktoren zu nennen sind hohe Temperaturen, Wassermangel, Schädlinge sowie hohe Salzkonzentrationen im Boden, auf die die Pflanze mit einer Ausschüttung von Brassinosteroiden reagiert, um die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen.
Wachsen trotz Durst?
Während also verschiedene mehr oder weniger eingrenzbare Bereiche und Prozesse bereits im Vorfeld bekannt waren, in denen Brassinosteroide eine Rolle spielen, war bis dato noch offen, was passiert, wenn verschiedene Szenarien zusammen kommen: Bleibt der wachstumsfördernde Effekt der Pflanzenhormone z.B. auch unter Stress erhalten? Lässt sich der Ölertrag aus Raps selbst dann erhöhen, wenn die Pflanzen unter Wassermangel leiden? Vergessen werden darf hierbei nicht, dass die Brassinosteroide keineswegs die einzigen Hormone und Faktoren sind, die die untersuchten Merkmale beeinflussen.
Wie verhalten sich die Pflanzen unter Stress?
Um diese bisher ungeklärte Frage beantworten zu können, züchteten die Forscher zunächst Rapsmutanten, deren DFW4-Gen überexprimiert war, das für die Biosynthese der Brassinosteroide zuständig ist. Anschließend setzten sie die knapp einen Monat alten Versuchsobjekte verschiedenen Stresssituationen aus und verglichen sie im Anschluss mit Wildtypen, die dieselbe Rosskur erfahren hatten.
Stabiles Wachstum trotz widriger Umstände
Im Großen und Ganzen war das Ergebnis überraschend: Egal, ob die Mutanten 12 Tage ohne Wasser auskommen mussten, vorrübergehend bei Temperaturen von rund 45 Grad ausharrten oder gezielt mit den berüchtigten Schadpilzen Leptosphaeria maculans und Slcerotinia sclerotiorum infiziert wurden, die Rapsmutanten überstanden alle Widrigkeiten nicht nur besser, sie lieferten am Ende mehr Ertrag (mehr Samen pro Pflanze), trugen größere Blätter, waren insgesamt höher gewachsen und zeichneten sich durch ein größeres und verzweigteres Wurzelsystem aus.
Ein neues pleiotropisches Muster
Dass einzelne Gene in der Lage sind, verschiedene phänotypische Merkmale zu beeinflussen, ist längst bekannt und wird in Fachkreisen Pleiotropie genannt. Doch ist das nun entdeckte Muster im Vergleich zu den anderen Fällen ungewöhnlich und wirft die Frage nach dem Warum auf. Für eine wirklich zufrieden stellende Beantwortung dieser Frage ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Zu vielschichtig und komplex sind die Zusammenhänge, als dass so kurz nach der Entdeckung dieses pleiotropischen Phänomens alle Vorgänge und Wechselwirkungen entschlüsselt und verstanden wären. Einige Antworten konnten die Forscher jedoch bereits im Ansatz erklären.
Brassinosteroide fördern Biomasseproduktion in vielen Bereichen
Da ist zum einen die Tatsache, dass Brassinosteroide an vielen grundlegenden Prozessen und Abläufe beteiligt sind, auf die sie häufig eine fördernde oder zumindest positive Wirkung entfalten. Dazu zählen die Photosynthese und eng damit verbunden die Aktivität der Chloroplasten, der Aufbau der Zellwandarchitektur und der Nährstofffluss von Assimilaten vom Produktionsort dorthin, wo sie benötigt werden. Angesichts dieser drei Beispiele verwunderte es die Forscher nicht, dass ihre Rapsmutanten grundsätzlich an Biomasse zulegten, je höher die Konzentration an Brassinosteroiden war.
Regulatoren außer Gefecht
Dass das Wachstum nun aber unter Stress nahezu ungebremst weiterging, lag laut Forscher daran, dass die hohe Konzentration an Brassinosteroiden zugleich die Produktion jener Regulatoren herabsenkte, die das brassinosteroidgesteurte Wachstum unter Stress normalerweise rechtzeitig bremsen. Die Rede ist von den Jasmonaten. Eine weitere Gruppe von Phytohormonen, denen sowohl aktivierende als auch, wie in diesem Fall, inhibitierende Funktionen zugeschrieben werden. Im Fall der Rapsmutanten fanden die Forscher heraus, dass die höhere Aktivität der oben genannten Transkriptionsfaktoren BZR1 und BES1 nicht nur einen Wachstumsschub auslöste, sondern auch eine Drosselung der Jasmonatbiosynthese zur Folge hatte.
Und auch für die erhöhte Widerstandskraft gegenüber den beiden Rapsschadpilzen fanden die Forscher bereits eine erste Erklärung. Diese basierte vor allem auf der Verstärkung der physischen Barriere durch eine Verstärkung der Zellwände durch Lignin, die es den Schädlingen erschwerte, sich auszubreiten.
Zweifellos wird die Arbeit der Forscher das Interesse von Pflanzenforschern und -züchtern an den Brassinosteroiden erhöhen, jene altbekannten Züchtungsziele in völlig neuem Licht erstrahlen lassen. Darüber hinaus liefert sie einen weiteren Beweis, dass selbst strikt antagonistisch wahrgenommene Prozesse, wie das Wachstum und die Stressreaktion, mitunter viel enger verwoben sein können als gedacht. Erstmals in ähnlicher Form dokumentiert wurde diese Überschneidung übrigens 2013 an der Nutzpflanze Reis (Oryza sativa).
Quelle: Sahni, S. et al. (2016): Overexpression of the brassinosteroid biosynthetic gene DWF4 in Brassica napus simultaneously increases seed yield and stress tolerance. In: Scientific Reports 6 (28298), (21. Juni 2016), doi:10.1038/srep28298
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Titelbild:Am Beispiel Raps (Brassica Napus) fanden die Forscher einen Weg, die Anfälligkeit gegenüber Stress zu senken. (Bildquelle: © Yoko Nekonomania/ Wikimedia.org/ CC BY 2.0)