Das Wettrüsten geht weiter

Neue Mehltau-Variante greift auf Triticale über

18.01.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Echter Mehltau auf Gerste. Seit 2001 greift eine Hybridvariante auf Triticale über. (Bildquelle: © Clemson University - USDA Cooperative Extension Slide Series, Bugwood.org/ Wikimedia.org/ CC BY 3.0 us)

Echter Mehltau auf Gerste. Seit 2001 greift eine Hybridvariante auf Triticale über. (Bildquelle: © Clemson University - USDA Cooperative Extension Slide Series, Bugwood.org/ Wikimedia.org/ CC BY 3.0 us)

Seit 2001 ist klar: das junge und robuste Getreide Triticale ist nicht mehr vor Mehltau sicher. Eine neue Mehltau-Variante, die aus einer Hybridisierung hervorging, hat die Resistenz des populären Getreides überwunden. Forscher sehen deutliche Parallelen zur Evolution des Wirtes und ein dahinerliegendes Evolutionsmuster des Erregers, des Echten Mehltaus Blumeria graminis. Mit ihrer aktuellen Studie liefern sie der Züchtung wichtige Informationen für neue Sorten. So geht dasWettrüsten zwischen Wirt und Parasit in die nächste Runde.  

Als anspruchslos, ertragreich, kostengünstig, umweltgerecht und proteinreich, wird er beworben: Triticale, ein junges Getreide, das aus einer Kreuzung zwischen Roggen (Secale cereale) und Weizen (Triticum aestivum) entstand. Es vereint die Anspruchslosigkeit und Robustheit des Roggens mit der Qualität und dem Ertragspotenzial des Weizens. Bis 2001 erwies sich Triticale zur Freude vieler Landwirte als resistent gegen Echten Mehltau. Eine Pilzkrankheit, die vorrangig Weizen und Gerste (Hordeum vulgare), aber auch Roggen, Hafer (Avena) und weitere Futter- und Wildgräser befällt und hohe Ertragsverluste verursacht. Seitdem rätseln Landwirte und Züchter, wie es dem Pilz gelang, das ursprünglich resistente Getreide zu befallen. Nun haben Forscher die Antwort gefunden. Es handelt sich um eine neue Variante des Mehltaupilzes Blumia graminis.

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Triticale ist ein relativ junges Getreide, das aus einer Kreuzung aus Weizen und Roggen entstand und optisch und geschmacklich zwischen beiden liegt.

Triticale ist ein relativ junges Getreide, das aus einer Kreuzung aus Weizen und Roggen entstand und optisch und geschmacklich zwischen beiden liegt.

Bildquelle: © Zumthie/wikimedia.org/CC BY-SA 3.0 de

Wie der Wirt so der Schädling

Erbgutanalysen von 45 auf Triticale-Pflanzen gefundenen Mehltaupilzen aus Europa und Israel ergaben, dass es sich bei der neuen Variante um einen Mischling also einen Hybriden handelt. Der Triticale-Mehltau (B.g. triticale) ist also wie sein Wirt das Ergebnis einer Kreuzung. In seinem Fall zwischen dem Weizen-Mehltau (B.g. tritici) und dem Roggen-Mehltau (B.g. secalis). 12,5 % des Erbguts des Triticale-Mehltaus stammen vom roggenspezifischen Pilz, 87,5 % vom Weizen-Mehltau.

„Für die Behandlung und die Prävention von Pflanzenkrankheiten sind diese Resultate von großer Bedeutung. Je mehr man über die evolutiven Mechanismen des Mehltaus weiß, desto besser kann man die Resistenz neuer Kulturpflanzen gegen den Krankheitserreger bewahren“, erklärt der an der Studie beteiligte Thomas Wicker. Für ihn und seine Forscher scheinen vor allem die erworbenen Gene des Roggen-Mehltaus entscheidend, da sie genetische Informationen enthalten, um sogenannte Effektor-Proteine zu bilden. Diese schleust der parasitäre Schadpilz in die Zellen des Triticale ein, um Nährstoffe abzuzweigen.

Gespiegelte Evolution

Die Entdeckung der Forscher widerlegt eine gängige Hypothese, wonach Mehltaupilze durch Mutationen lernen würden, neue Wirte zu befallen, und weist zugleich auf ein grundlegendes Evolutionsmuster des Echten Mehltaus hin: eine Art hybridisierungs-basierte Koevolution. Sie besagt, dass der Hybrid zweier wirtsspezifischer Mehltaupilze in der Lage ist, den aus der Kreuzung ihrer Wirte entstandenen Hybriden zu infizieren. Fabrizio Menardo, Hauptautor der Studie, bringt es auf den Punkt: „Die Evolution des Schädlings spiegelt die Entstehung seines Wirts wieder.“

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Mit Hilfe dieses Tricks knackte bereits der Weizen-Mehltau vor über 10.000 Jahren die Resistenz seines Wirts. Analysen ergaben, dass der Weizen-Mehltau aus einer Kreuzung zwischen B.g. dicocci und A. tauschii hervorging. Exakt die beiden Mehltau-Pilze, die jene Pflanzenarten als Wirt nutzten, aus deren Kreuzung Weizen entstand, nämlich Emmer (Triticum dicoccum) und Aegilops taushii.

Anfälligkeit landwirtschaftlicher Ökosysteme

Dass dieses Muster bei Kulturpflanzen häufig vorkommt, ist auffällig jedoch nicht überraschend, erklärt Menardo: „Vermutlich liegt es daran, dass größere Schädlingspopulationen in landwirtschaftlichen Ökosystemen häufiger parallel existieren als in vom Menschen unbeeinflussten Ökosystemen. Dadurch kommt es hier häufiger zur Hybridisierungen.“

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Zeitgleich zum Echten Mehltau griff auch die Pflanzenkrankheit Getreideschwarzrost auf Triticale über.

Zeitgleich zum Echten Mehltau griff auch die Pflanzenkrankheit Getreideschwarzrost auf Triticale über.

Bildquelle: © USDA/wikimedia.org/CC0

Gesundfrucht war gestern

Heute, über ein Jahrzehnt nach den ersten Meldungen zum Mehltaubefall von Triticale, haben sich die anfangs erwähnten Vorteile relativiert. Triticale sei nicht mehr die Gesundfrucht, ist häufig zu lesen. Seit 2010 empfehlen Agrarberater den Einsatz von Fungiziden (Pilzbekämpfungsmittel) in einem Umfang, der mengenmäßig dem im Weizen- und Roggenanbau entspricht.

Kein Einzelfall

Weil in der Landwirtschaft häufig auf Hybridsorten gesetzt wird, empfehlen die Wissenschaftler, das von hybriden Schädlingen ausgehende Risiko stärker zu berücksichtigen, um nicht wie 2001 erneut überrascht zu werden. Feststeht:  B.g. triticale ist kein Einzelfall. Denn auch der Getreideschwarzrost (Puccinia graminis), ein aggressiver Rostpilz, begann zeitgleich auf Triticale überzugreifen. Auch hier vermuten die Forscher einen Hybriden am Werk.

Kennt man seinen Gegner besser, lassen sich auch neue Bekämpfungsstrategien entwickeln. Zumindest für einige Jahre ist die Kulturpflanze wieder im Vorteil, bevor der Parasit zum erneuten Gegenschlag ausholt. Dieses Grundprinzip ist vermutlich so alt wie die Landwirtschaft selbst.


Quelle: Menardo, F. et al. (2016): Hybridization of powdery mildew strains gives rise to pathogens on novel agricultural crop species. In: Nature Genetics, (11. Januar 2016), doi:10.1038/ng.3485

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Titelbild: Echter Mehltau auf Gerste. Seit 2001 greift eine Hybridvariante auf Triticale über. (Bildquelle: © Clemson University - USDA Cooperative Extension Slide Series, Bugwood.org/ Wikimedia.org/ CC BY 3.0 us)