Kalter Krieg auf dem Acker

Mehltau im ständigen Wettrüsten mit Weizen

17.07.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ausschnitt eines Mehltau-infizierten Gerstenblatts: Echter Gersten-Mehltau bildet ein weißes, watteähnliches Pilzgeflecht auf den oberirdischen Pflanzenteilen, das sich später grau-braun verfärbt. (© MPI für Pflanzenzüchtungsforschung)

Ausschnitt eines Mehltau-infizierten Gerstenblatts: Echter Gersten-Mehltau bildet ein weißes, watteähnliches Pilzgeflecht auf den oberirdischen Pflanzenteilen, das sich später grau-braun verfärbt. (© MPI für Pflanzenzüchtungsforschung)

Echter Mehltau muss stets optimal an seinen Wirt angepasst sein, um als Parasit überleben zu können. Das gelingt ihm hauptsächlich durch ungeschlechtliche Vermehrung. Erst wenn seine Wirtspflanze ihr Genom durch Mutationen verändert, zieht der Pilz mit sexueller Vermehrung nach.

Echter Mehltau ist der Schrecken aller Landwirte. Er gehört zu den gefürchtetsten Pflanzenkrankheiten, denn wenn er auftritt, verursacht er hohe Ernteeinbußen. Der echte Mehltau ist ein parasitärer Schlauchpilz der Ordnung Erysiphales. Er befällt Getreide wie Weizen und Gerste, aber auch verschiedene Gemüse- und Obstpflanzen sowie manche Bäume. Auf der Blattoberfläche bildet er ein Pilzgeflecht aus, das als weißer, abwischbarer Belag erscheint. Der Pilz  bildet so genannte Haustorien aus. Dies sind spezielle Saugorgane des echten Mehltaus, die sich in den Zellen der oberen Blattschicht verankern. So wird der Pilz mit Nährstoffen versorgt. Dabei durchstoßen die Haustorien die Zellwand der Pflanzenzellen. Durch den Entzug von Nährstoffen welkt das Blatt und fällt schließlich ab.

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Mehlig weißer Pilzüberzug (Pilzmycel) der Beeren durch die Entwicklung des Echten Mehltaupilzes der Rebe.

Mehlig weißer Pilzüberzug (Pilzmycel) der Beeren durch die Entwicklung des Echten Mehltaupilzes der Rebe.

Bildquelle: © Bauer Karl / wikimedia.org; CC BY 3.0

Zwei Vermehrungsmöglichkeiten: sexuell oder asexuell

Wissenschaftler der Universität Zürich und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln untersuchten nun das Erbgut von Weizen-Mehltauvarianten aus der Schweiz, England und Israel, sowie des Gersten-Mehltaus. Mehltau pflanzt sich, wie andere Pilze auch, auf zwei Arten fort: Auf sexuellem Weg, bei dem Erbgut neu kombiniert wird, und auf ungeschlechtlichem Weg, bei dem Nachkommen und Mutterpilz erbgleich sind. Warum die ungeschlechtliche Vermehrung für den echten Mehltau fast immer vorteilhafter ist, konnten die Pflanzenbiologen in ihrer aktuellen Studie zeigen. Darüber hinaus geben die Daten neue Einblicke in die Kulturgeschichte von Weizen und Gerste und ihre Interaktion mit dem Mehltau-Krankheitserreger.

Ungeschlechtlich erzeugte Nachkommen erfolgreicher

Bei ihren Untersuchungen machten die Wissenschaftler die Entdeckung, dass die ungeschlechtlich entstandenen Nachkommen des Mehltau-Pilzes offenbar erfolgreicher sind als ihre durch sexuelle Vermehrung entstandenen Artgenossen: „Die auf befallenen Wirtspflanzen nachgewiesenen Mehltau-Pilze haben sich nur alle paar Jahrhunderte erfolgreich sexuell fortgepflanzt. Die Vermehrung verlief hauptsächlich auf ungeschlechtlichem Weg“, erläutert Thomas Wicker, Pflanzenbiologe der Universität Zürich. Das ist eher ungewöhnlich, denn die Mehrzahl aller Tier- und Pflanzenarten pflanzt sich geschlechtlich fort. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist die geschlechtliche Fortpflanzung gerade für höhere Organismen vorteilhalft, weil die Gene beider Eltern vermischt an die Nachkommen weitergegeben werden. Im Gegensatz zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung sind die Nachkommen nicht genetisch identisch, sondern es ergibt sich eine Vielzahl neuer Genkombinationen. Durch diese Durchmischung der Gene entstehen auch individuelle Unterschiede, durch die sich Organismen besser an bestimmte Umweltveränderungen anpassen können.

Neukombinationen des Erbgutes nicht immer vorteilhaft

Warum für den echten Mehltau dennoch die ungeschlechtliche Fortpflanzung vorteilhafter ist, konnten die Wissenschaftler jetzt herausfinden. Beate Keller, Wissenschaftlerin an der Universität Zürich, erklärt: „In einer Parasit-Wirt-Situation sind Neukombinationen des Erbgutes für den Parasit nachteilig, da sich dadurch die Anpassung an den Wirt bzw. an dessen Abwehrmechanismen verschlechtert.“ Erbgleiche Nachkommen von erfolgreichen Mehltaupilzen, solchen die bereits Wirtspflanzen infizieren konnten, haben bereits die optimalen genetischen Voraussetzungen, um ihrerseits einen Wirt befallen zu können. Es lohnt sich für den Pilz also nicht in die aufwendigere sexuelle Fortpflanzung mit Geschlechtszellen zu investieren. Stattdessen erhält er durch die asexuelle Fortpflanzen die bewährte Genkombination aufrecht. Auch gemäß Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert vom MPI für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln sind Weizen- bzw. Gersten-Mehltau-Nachkommen aus ungeschlechtlicher Fortpflanzung im Normalfall erfolgreicher als solche aus sexueller Fortpflanzung. Asexuelle Fortpflanzung als Erfolgsmodell scheint charakteristisch für viele parasitäre Pilze zu sein, also auch für jene, die Menschen befallen, wie zum Beispiel Fußpilze.

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Haustorium: Einzelne Zelle (blau angefärbt) eines Weizenblatts, die durch eine Mehltauspore befallen ist. Innerhalb der Zelle ist die fingerförmige Struktur des Mehltaus sichtbar, durch die der Pilz Nährstoffe aus der Pflanzenzelle aufnimmt.

Haustorium: Einzelne Zelle (blau angefärbt) eines Weizenblatts, die durch eine Mehltauspore befallen ist. Innerhalb der Zelle ist die fingerförmige Struktur des Mehltaus sichtbar, durch die der Pilz Nährstoffe aus der Pflanzenzelle aufnimmt.

Bildquelle: © UZH

Pilz muss nachziehen, sonst hat er verloren

Anhand von Genanalysen konnten die Wissenschaftler außerdem nachweisen, dass Mehltau bereits vor 10.000 Jahren, also vor der eigentlichen Domestizierung von Weizen als Nutzpflanzen, auf den Vorläuferformen des späteren Weizens parasitierte. Alle späteren durch Züchtung oder spontane Mutationen entstandenen genetischen Veränderungen der Getreidepflanzen waren nie in der Lage, den Mehltau-Pilz längerfristig vom Weizen fernzuhalten. Genau an diesem Punkt zeigt sich der Vorteil der sexuellen Fortpflanzung, und weshalb sich der sonst verschmähte sexuelle Fortpflanzungszyklus für die Mehltau-Pilze in solchen Fällen lohnt: Weizen und Mehltau befinden sich in einem permanenten evolutionären Wettrüsten. „Wenn der Weizen seine Abwehrmechanismen gegen den Parasiten verbessert, muss der Pilz nachziehen können, sonst hat er verloren“, erklärt Wicker. „Das ist nur mit der Neukombination des Erbgutes, sprich sexueller Fortpflanzung, möglich.“

Wettrüsten über viele tausend Jahre

Offenbar kam es im Verlauf der Jahrtausende verschiedene Male zu sexuellem Austausch und zu Vermischungen des Erbgutes von verschiedenen Mehltau-Varianten. Auf diese Weise entstanden neue Mehltau-Varianten, die in der Lage waren, neue Weizensorten zu befallen. Die Wissenschaftler vermuten, dass der antike Getreidehandel und damit die Verbreitung der Getreidesamen mitverantwortlich für die Entstehung von neuen Mehltau-Varianten waren.


Quelle:
Wicker, T. et al. (2013): The wheat powdery mildew genome shows the unique evolution of an obligate biotroph. In: Nature Genetics. (Published online 14. Juli 2013). doi:10.1038/ng.2704.

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Titelbild: Ausschnitt eines Mehltau-infizierten Gerstenblatts: Echter Gersten-Mehltau bildet ein weißes, watteähnliches Pilzgeflecht auf den oberirdischen Pflanzenteilen, das sich später grau-braun verfärbt. Stark befallene Blätter vergilben schnell und fallen ab. (© MPI für Pflanzenzüchtungsforschung)