Eine wie keine

Salztolerante Pflanze wächst bei Stress schneller

16.05.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Schrenkiella parvula ist eine Pflanze, die unter extrem salzigen Bedingungen wachsen kann. (Bildquelle: © José Dinneny; CC BY-NC-ND)

Schrenkiella parvula ist eine Pflanze, die unter extrem salzigen Bedingungen wachsen kann. (Bildquelle: © José Dinneny; CC BY-NC-ND)

Zu heiß, zu kalt, zu salzig – das mögen die allermeisten Pflanzen überhaupt nicht. Geraten sie in eine solche Stresssituation, verlangsamen sie ihr Wachstum und warten auf bessere Zeiten. Doch es gibt Ausnahmen. Sogenannte Extremophyten haben sich an extreme Umweltbedingungen angepasst und wachsen dann sogar besser. Die Pflanze Schrenkiella parvula zum Beispiel hat sich auf hohe Salzkonzentrationen spezialisiert. Forscher:innen haben nun erstmals untersucht, welche genregulatorischen Netzwerke in dieser Pflanze verändert sind. Ihre Ergebnisse könnten dazu beitragen, auch stressresistentere Nutzpflanzen zu züchten.

Die Landwirtschaft wird immer häufiger von Wetterextremen gebeutelt. In einst gemäßigten Breitengraden mit mildem Klima kommt es nahezu regelmäßig zu Dürren oder Überschwemmungen. Das führt oft dazu, dass ganze Ernten ausfallen, weil die Pflanzen bei solchem Stress aufhören zu wachsen und schließlich absterben. Es wird daher immer wichtiger, widerstandsfähigere Nutzpflanzen zu züchten, die auch bei widrigen Umweltbedingungen gedeihen können. Ein Schlüssel dazu könnten sogenannte extremophile Pflanzen sein, die sich an „ungemütliche“ Standorte angepasst haben.

Ein solcher Ort ist das Ufer des Tuz-Sees in der Türkei. Dort herrschen wahrlich unwirtliche Bedingungen. Das Wasser im See enthält etwa 33 Prozent Salz – das ist knapp zehn Mal so viel wie im Meerwasser. Der Boden am Ufer ist daher häufig mit einer Salzkruste überzogen. Die meisten Pflanzen könnten hier nicht überleben. Eine Ausnahme bildet Schrenkiella parvula. Sie toleriert große Mengen an Natrium-, Kalium-, Lithium-, Magnesium- und Bor-Ionen und wird deswegen auch Halophyt, also Salzpflanze, genannt. In derart versalzenen Böden wächst sie außerordentlich gut. Doch wie macht sie das?

ABA dient eigentlich als Stresshormon

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Diese Reispflanzen wachsen in einem trockenen, salzhaltigen Boden. Die meisten Pflanzen vertragen keine versalzenen Böden, sie stellen ihr Wachstum ein oder sterben ab.

Diese Reispflanzen wachsen in einem trockenen, salzhaltigen Boden. Die meisten Pflanzen vertragen keine versalzenen Böden, sie stellen ihr Wachstum ein oder sterben ab.

Bildquelle: © iStock.com / Nuttaya99

Ein Forschungsteam um José R. Dinneny von der Universität Stanford, USA, hat sich das genauer angeschaut. Dafür verglichen sie vier Mitglieder aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae): die bekannte Modellpflanze Arabidopsis thaliana, die beiden Extremophyten Schrenkiella parvula und Eutrema salsugineum sowie Sisymbrium irio, eine nahe Verwandte von E. salsugineum, die jedoch sensibel auf Stress reagiert. Allen gemein ist ein relativ kleines Genom mit einer ähnlichen Anzahl von Genen.

Die Pflanzen sollten nun zeigen, wie sie sich bei Stress verhalten. Doch um nicht gleich drei der vier Kandidaten mit einer zu hohen Salzdosis zu töten, griff das Team zu einem Trick. Sie verabreichten den Pflanzen stattdessen das Stresshormon Abscisinsäure (ABA). Dieses Hormon bilden alle Pflanzen bei Versalzung, Dürre oder Kälte. Es wirkt eigentlich wie ein Stoppsignal für das Wachstum. Nur bei S. parvula nicht. Im Experiment zeigte sie das gegenteilige Verhalten – ihre Wurzeln sprossen nach einer Behandlung mit ABA schneller.

„In dieser Extrempflanze wirkt das Stresshormon ABA wie ein Startsignal. Die Pflanze beschleunigt daraufhin ihr Wachstum“, erklärte José Dinneny gegenüber dem Online-Magazin AZO Life Sciences. Auch den Grund dafür konnten die Wissenschaftler:innen finden: Nur bei S. parvula führte die Abscisinsäure dazu, dass sich die Länge der Wurzelzellen nahezu verdoppelte.

Ein anderes genregulatorisches Netzwerk

Doch warum reagiert S. parvula so anders? Vergleichende Genomanalysen zeigten, dass das Genom dieser Salzpflanze komplett anders reguliert wird. Startpunkt genregulatorischer Aktivitäten durch das Hormon ABA ist in allen Pflanzen eine Signalkaskade, bei der sogenannte ABA-RESPONSIVE ELEMENT BINDING FACTORS (AREB/ABFs) phosphoryliert werden. Die Forscher:innen fanden nun, dass S. parvula durch veränderte Promotorsequenzen eine umfassende „Neuverdrahtung“ seines AREB/ABF-Netzwerks durchlaufen hat, mit spezifischen Veränderungen in der Verbindung zum Auxin-Signalweg und zur Wachstumsregulation.

Das eröffnet zumindest theoretisch die Möglichkeit, auch Nutzpflanzen nach dem Vorbild von S. parvula stressresistenter zu machen: „Diese Arbeit hat Gene identifiziert, deren Promotoren vielleicht das Ziel natürlicher Selektion für Stresstoleranz waren. Sie könnten also Kandidaten für Gene Editing und somit ein Weg zur Erzeugung stressresistenter Sorten sein“, schreiben die Autoren in ihrem Paper. Solche angepassten Nutzpflanzen werden händeringend gesucht, denn aufgrund des Klimawandels häufen sich Starkregen und Dürren, auch müssen Pflanzen immer öfter auf versalzenen Böden wachsen.

Als nächstes sollen weitere Arten aus der Familie der Kreuzblütler untersucht werden, um mehr Details über die Anpassungen an abiotische Stressfaktoren herauszufinden.


Quelle:
Sun, Y. et al. (2022): Divergence in the ABA gene regulatory network underlies differential growth control. In: Nature Plants, (2. Mai 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01139-5.

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Titelbild: Schrenkiella parvula ist eine Pflanze, die unter extrem salzigen Bedingungen wachsen kann. (Bildquelle: © José Dinneny; CC BY-NC-ND)