Frühreife Pflanzen

Neuer Baustein zur Steuerung des Blühzeitpunkts entdeckt

05.07.2019 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mit Beginn der Blütenbildung wechseln Pflanzen von der vegetativen zur reproduktiven Phase und bilden schließlich Samen aus. (Bildequelle: © lehic – stock.adobe.com)

Mit Beginn der Blütenbildung wechseln Pflanzen von der vegetativen zur reproduktiven Phase und bilden schließlich Samen aus. (Bildequelle: © lehic – stock.adobe.com)

Biologen der Universität Kiel haben ein bisher unbekanntes Protein entdeckt, das bei der Modellpflanze Arabidopsis thaliana an der Blütenbildung beteiligt ist. Fehlt es, bilden Pflanzen viel früher ihre Blüten aus. Das Protein hat vielfältige Funktionen, wie das Team herausfand. Es könnte auch eine wichtige Rolle bei der Anpassung an Umweltstress spielen.

Mit Beginn der Blütenbildung wechseln Pflanzen von der vegetativen zur reproduktiven Phase und bilden schließlich Samen aus. Der Blühzeitpunkt wird nicht nur von der genetische Ausstattung bestimmt, sondern auch durch Signale aus der Umwelt – wie Tageslänge oder Temperatur. Der Prozess ist äußerst komplex, weswegen die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt sind.

Ein bisher unbekannter Player

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Im Vergleich mit dem Wildtyp (rechts) beginnen Mutanten (links), denen das POCO1-Protein fehlt, deutlich früher, Blüten auszubilden.

Im Vergleich mit dem Wildtyp (rechts) beginnen Mutanten (links), denen das POCO1-Protein fehlt, deutlich früher, Blüten auszubilden.

Bildquelle: © Prof. Frank Kempken

Ein Forschungsteam vom Botanischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat nun in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana ein bisher unbekanntes Protein identifiziert, das den Blühzeitpunkt beeinflusst. Das Protein fanden die Wissenschaftler in den Mitochondrien und es lässt sich der Gruppe der sogenannten PPR-Proteinen (Pentatricopeptide repeat-Proteine) zuordnen – einer großen Proteinfamilie, die RNA binden können und so die Genexpression auf RNA-Ebene regulieren.

Ohne POCO1 blühen Pflanzen früher

In den Experimenten blühten Mutanten, bei denen das dazugehörige Gen AT1G15480 ausgeschaltet wurde, im Schnitt fünf Tage früher als der Wildtyp. Die Tageslänge hatte dabei keinen Einfluss. Das Protein tauften die Beteiligten kurzerhand „PRECOCIOUS1“ (kurz POCO1), was im Deutschen mit „frühreif“ übersetzt werden kann.

Reaktionen auf Stress

Bei den Mutanten waren wichtige physiologische Funktionen der Mitochondrien gestört, darunter die Zellatmung. Sie waren auch empfindlicher gegenüber Trockenstress als die Wildtyp-Pflanzen.

Ein zu frühes Blühen kann eine Reaktion auf ungünstige Umweltbedingungen sein, um sich bei widrigen Verhältnisse noch schnell fortpflanzen zu können. „Wir nehmen daher an, dass Mitochondrien-Proteine wie POCO1 dazu entscheidende Signale liefern und so eine wichtigere Rolle bei der pflanzlichen Anpassung an Umweltstress spielen, als bisher bekannt war“, erklärt Frank Kempken, Studienautor und Leiter der Abteilung für Botanische Genetik und Molekularbiologie an der CAU.

Die Funktionen von POCO1

Ein Ergebnis der Studie: POCO1 ist an der Signaltransduktion des Pflanzenhormons Abscisinsäure (ABA) beteiligt. ABA ist ein Pflanzenhormon, das die Reaktion auf Stress, vor allem Trockenstress, reguliert und als natürlicher Gegenspieler von wachstumsförderlichen Phytohormonen auf viele Prozesse hemmend wirkt – darunter auch auf die Blütenbildung.

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Erstautor Hossein Emami und Prof. Frank Kempken (v.l.n.r.) untersuchten den Einfluss mitochondrialer Proteine auf den Blütezeitpunkt von Arabidopsis thaliana.

Erstautor Hossein Emami und Prof. Frank Kempken (v.l.n.r.) untersuchten den Einfluss mitochondrialer Proteine auf den Blütezeitpunkt von Arabidopsis thaliana.

Bildquelle: © Prof. Frank Kempken

Mithilfe einer molekularbiologischen Methode (qRT-PCR-Analyse) zeigte sich, dass die Expression des Gens FLOWERING LOCUS C (FLC), einem wichtigen Hemmer für die Ausbildung von Blüten, in den Mutanten stark herunterreguliert war. Das könnte den frühen Blütezeitpunkt erklären.

Pflanzen haben unterschiedliche Strategien, um mit Stressbedingungen umzugehen und das Ausmaß der Schädigung zu begrenzen. Die Modifikation ihres Transkriptoms zählt dazu. Die Studie zeigte ebenfalls, dass POCO1 die RNA-Editierung in Mitochondrien beeinflusst. Die beobachtete mitochondriale Dysfunktion bei den Mutanten ist höchstwahrscheinlich auf eine veränderte RNA-Modifikation zurückzuführen.

Blühmechanismen verstehen, um Ernten zu retten

Umweltveränderungen, wie häufigere und langanhaltende Trockenheiten, gefährden auch die landwirtschaftliche Produktion. Blühen Nutzpflanzen zum falschen Zeitpunkt, kann das große Ernteeinbußen zur Folge haben. Die gezielte Steuerung des Blühzeitpunkts ist daher auch ein wichtiger Ansatzpunkt für die Pflanzenzüchtung. Zukünftige Sorten könnten dann auch unter deutlich veränderten klimatischen Bedingungen ausreichend hohe Erträge liefern.


Quelle:
Emami, H. und Kempken, F. (2019): PRECOCIOUS1 (POCO1), a Mitochondrial Pentatricopeptide Repeat (PPR) Protein Affects Flowering Time in Arabidopsis thaliana. In: The Plant Journal, (20. Juni 2019), doi: 10.1111/tpj.14441.

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Titelbild: Mit Beginn der Blütenbildung wechseln Pflanzen von der vegetativen zur reproduktiven Phase und bilden schließlich Samen aus. (Bildequelle: © lehic – stock.adobe.com)