Eiszeitblume zu neuem Leben erweckt

22.02.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Im Reagenzglas werden die neuen Pflanzen herangezüchtet. (Quelle: © iStockphoto.com/ Vasiliy Koval)

Im Reagenzglas werden die neuen Pflanzen herangezüchtet. (Quelle: © iStockphoto.com/ Vasiliy Koval)

Wissenschaftler belebten eine Blume wieder, die vor mehr als 30.000 Jahr im Permafrostboden Sibiriens konserviert wurde. Es handelt sich um eine Leimkrautart, deren Samen aus Futterhöhlen von urzeitlichen Eichhörnchen geborgen werden konnten. Die neu gezüchteten Pflanzen sind derzeit die ältesten, lebenden multizellulären Organismen und ebnen den Weg für neue vergleichende Genomanalysen.

Forschern gelang es in Laborversuchen aus den unreifen Früchten der Leimkrautart Silene stenophylla fruchtbare Pflanzen zu entwickeln. Sie isolierten Zellen aus der Plazenta, welche in einer Nährlösung vermehrt wurden. Die so gewonnenen Zellen entwickelten sich schließlich zu funktionsfähigen Pflanzen, welche Blüten und Samen ausbilden konnten. Zuvor scheiterten Versuche aus den geborgenen Samen Pflanzen zu züchten. Obwohl einige keimten, entwickelten sich doch keine gesunden Pflanzen.

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Permafrostböden lagern nicht nur Kohlenstoffdioxid, sondern auch prähistorische Pflanzen und Tiere.

Permafrostböden lagern nicht nur Kohlenstoffdioxid, sondern auch prähistorische Pflanzen und Tiere.

Bildquelle: © Brocken Inaglory / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Die Art Silene stenophylla gehört, wie andere Leimkräuter, zur Familie der Nelkengewächse. Mittels Beschleuniger-Massenspektrometrie datierten die Forscher das Material auf eine Alter von über 30.000 Jahren.

Die Samen lagerten in einer Tiefe von mehr als 30 Metern im Sediment des Flusses Kolyma, im nordöstlichen Sibirien. Entdeckt wurden sie in fossilen Höhlen, welche vor tausenden von Jahren von Eichhörnchen zur Futterlagerung angelegt worden waren. Permafrostböden bedecken rund 20% der Erdoberfläche. Die sind auch dafür bekannt, gewaltige Mengen von Kohlenstoffdioxid zu lagern. Daneben enthalten diese ganzjährig gefrorenen Böden eine Vielzahl von prähistorischen Pflanzen sowie Tieren und konservieren sie auf natürliche Weise. Permafrostböden könnten daher als Depot für fossiles Erbgut angesehen werden. Dies wäre für die Pflanzenforschung eine wichtige Quelle, um Material für vergleichende Genomanalysen zu gewinnen. Dadurch können Forscher Rückschlüsse darauf ziehen, welche Anpassungen die Pflanzen im Laufe der Zeit an ihre Umwelt vorgenommen haben.

Veränderungen im Phänotyp konnten bei den Pflanzen der Silene stenophylla veranschaulicht werden. Diese unterscheiden sich von den heute auffindbaren Vertretern der Leimkräuter durch deutlich größere und stärker gespaltene Blütenblätter. Zudem besitzt die heutige Art ausschließlich bisexuelle Blüten, wobei die Vorfahren sowohl weibliche als auch bisexuelle Blüten trugen. Die Forscher vermuten, dass diese Unterschiede auf die klimatischen Bedingungen der Eiszeit zurückzuführen sind. Darauf aufbauend könnten nun neue Erkenntnisse über klimatische Anpassungsmechanismen offengelegt werden.


Quelle:
Yashina, S., et al. (2012): Regeneration of whole fertile plants from 30,000-y-old fruit tissue buried in Siberian permafrost. In: PNAS, 21. Februar 2012, doi: 10.1073/pnas.1118386109.

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