Tropische Wälder als Methangaslieferanten
Bisherige Erkenntnisse auf den Kopf gestellt
Die Methankonzentration in der Atmosphäre unterliegt Schwankungen, als Ursachen wurden bisher auftauende Permafrostböden vermutet. Diese Theorie muss nun gründlich überdacht werden, wie aktuelle Forschungsergebnisse zeigen.
In den Eisschichten der Arktis und der Antarktis liegt unter meterdickem Schnee die Vergangenheit unserer Atmosphäre begraben. Über tausende von Jahren, lange bevor der Mensch durch Abgase, Viehzucht oder Brandrodungen Einfluss darauf nehmen konnte, unterlag der Anteil des Treibhausgases Methan in unserer Atmosphäre bereits natürlichen Schwankungen. Diese Konzentrationsschwankungen zu erfassen und ihnen Ursachen zuzuordnen, kann wertvolle Hinweise zu Klimamodellen liefern und aufzeigen, wie der Mensch die klimatischen Verhältnisse durch die Freisetzung von Methan verändert. Welche Quellen für die natürlichen Schwankungen im Methangehalt der Atmosphäre verantwortlich waren, untersuchte Lars Möller im Zuge seiner Dissertation am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Bremerhaven. Dabei machte er eine Entdeckung, die lange bestehende Theorien zur Herkunft des Methans lang vergangener Epochen in Frage stellt. Aber der Reihe nach:
Atmosphären-Archiv im Eis
Die großen Eisschilde an den beiden Polen unserer Erde stellen einzigartige Klimaarchive dar. „Im Eis der Polkappen sind kleine Gasbläschen eingeschlossen, die die Zusammensetzung der Luft vor vielen Jahrtausenden bis heute konserviert haben“, erklärt Möller. Je tiefer man in die Eisschilde bohrt, desto älter sind das Eis und die darin eingeschlossenen Gase. Aus dem kürzeren der beiden Eisbohrkerne des europäischen Großprojekts EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica) in Dronning Maud Land (EDML), isolierten Möller und sein Team Methan aus den Lufteinschlüssen verschieden alter Eisschichten. „Das ist soweit nichts Neues, denn bereits seit 1990 gibt es Daten zu Methankonzentrationen in der Atmosphäre der Erde der letzten 160.000 Jahre“, erklärt der Geoforscher. Seit 2008 seien dank des zweiten EPICA Eiskerns EDC sogar die Konzentrationsdaten der letzten 800.000 Jahre bekannt, die im Wechsel von Kalt- und Warmzeiten sowie innerhalb weniger Jahrtausende großen Schwankungen unterliegen. „Seither beschäftigt sich die Forschung damit, diesen lang- und kurzfristigen Schwankungen Ursachen zuzuordnen“, erklärt Möller.
Isotopenverhältnis sollte Methanquellen aufzeigen
Eine Beobachtung dieser Forschung der letzten Jahre ist, dass die globale Methankonzentration in der letzten Eiszeit sehr eng an den Temperaturverlauf der nördlichen Halbkugel gekoppelt war. Um die Zusammenhänge zwischen Temperaturschwankungen und Methankonzentrationen zu klären, haben die Forscher nun die Isotopenverhältnisse des Methans in ihren Eiskernproben untersucht. Daraus ziehen die Forscher Schlüsse, welche Methan-Quellen wann und wo aktiv waren.
Isotopenverhältnis als charakteristische Signatur einer Methanquelle
Denn in der Natur herrscht ein natürliches Verhältnis von sogenannten schweren Kohlenstoffatomen 13C zu den weitaus häufigeren 12C-Atomen, die sich um ein Neutron in ihrem Kern unterscheiden. „Wenn Pflanzen Kohlenstoffatome über Photosynthese fixieren, wird dieses natürliche Verhältnis beeinflusst, da in der Photosynthesereaktion Kohlendioxid mit leichten Kohlenstoffatomen gegenüber den schweren bevorzugt werden“, erklärt Möller. Dieses veränderte Verhältnis spiegelt sich auch im Methan wieder, das zum Großteil entsteht, wenn Biomasse unter Abschluss von Sauerstoff abgebaut wird – zum Beispiel in Sümpfen, Überschwemmungsgebieten oder bestimmten Meeressedimenten. Weitere charakteristische Veränderungen des 12C /13C-Verhältnisses bei der Bildung und des Transports des Methans in die Atmosphäre bewirken letztendlich eine Art typischen Fingerabdruck oder Signatur der verschiedenen Quellen.
Daten der letzten 160.000 Jahre
Der von Möller und seinem Team gemessene Datensatz erstreckt sich über einen Zeitraum von etwa 160.000 Jahren vor heute, was den Übergang in die letzte Warmzeit vor etwa 120-140.000 Jahren und den Verlauf der letzten Eiszeit bis vor etwa 20.000 Jahren einschließt. „Man ging bisher davon aus, dass Temperaturanstiege des Klimas ganz bestimmte Methanquellen zu Emissionen angeregt haben“, so Möller. Er erklärt: „Mit den zusätzlichen Informationen aus den Kohlenstoff-Isotopen-Verhältnissen wollten wir diese Quellen genauer bestimmen.“
„Das Spannende war nun, dass bei keiner der gut 20, ein paar Jahrhunderte bis Jahrtausende dauernden, schnellen Erwärmungen in der letzten Eiszeit nennenswerte Veränderungen des Kohlenstoff-Isotopenverhältnisses zusammen mit den starken Methananstiegen zu beobachten waren“, so Möller weiter, „Ganz im Gegenteil, die stärkste Veränderung fand in einer Zeit vor etwa 70.000 Jahren vor heute statt, als sich die Methankonzentrationen für einen Zeitraum von mehr als 10.000 Jahren kaum bis gar nicht änderten“. Damit wurde der Forschergruppe klar, dass einige der vorherrschenden Theorien zur Herkunft des Methans bei schnellen Klimaschwankungen in der Vergangenheit revidiert werden müssen.
Auftauende See und Permafrostböden offenbar nicht verantwortlich
So konnten zum Beispiel auftauende Seen, Sümpfe und Permafrostböden der arktischen Tundra durch die schnellen Erwärmungen um bis zu 10°C nicht zu starken Methan-Emissionen angeregt werden. „Auch starke Waldbrände haben nicht entscheidend zu den starken Methananstiegen beigetragen, da wir ansonsten mehr schwere Methanmoleküle gemessen hätten.“
Tropische Feuchtgebiete wahrscheinlich Haupt-Methanlieferanten
Doch wo kam das Methan denn nun her, wenn nicht aus diesen Quellen? „Wir vermuten, dass das meiste Methan aus den größten natürlichen Methanquellen stammt, den Tropischen Feuchtgebieten“, erklärt Möller. Auch ein „Verwischen“ der Ergebnisse, die in der Natur des Messverfahrens begründet liegt, kann Möller nicht ausschließen. Der Klimaforscher fasst zusammen: „Der Verlauf unserer Messungen hat uns sehr überrascht. Wir haben versucht, eine schlüssige Erklärung für unsere Beobachtungen zu finden. Wir sind aber sehr gespannt, wie andere Wissenschaftler unsere Daten interpretieren, denn jede unerwartete Erkenntnis ist auch gleichzeitig Inspiration für völlig neue Ideen!“
Quelle:
Möller, L. et al. (2013): Independent variations of CH4 emissions and isotopic composition over the past 160,000 years. In: Nature Geoscience, (Online Veröffentlichung, 25. August 2013), doi:10.1038/ngeo1922.
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Titelbild: In den Eisschichten der Arktis und der Antarktis liegt unter meterdickem Schnee die Vergangenheit unserer Atmosphäre begraben. (Quelle: © Goinyk Volodymyr / Fotolia.com)