Flucht, Fall, geglückte Landung
Blattläuse landen immer auf ihren Füßen
Erbsenläuse fliehen bei Gefahr, indem sie sich von der Pflanze, auf der sie sitzen, fallen lassen. Bei diesem waghalsigen Fall drehen sie sich jedoch innerhalb von Sekundenbruchteilen und landen sicher auf ihren Füßen.
Blattläuse ernähren sich von Pflanzensäften und schädigen Pflanzen u.a. damit, dass sie an ihnen saugen. Gleichzeitig übertragen sie Viren und andere Krankheitserreger. Dabei sind die Läuse einigen Gefahren ausgesetzt.
Sie müssen Pflanzen finden, welche sie auch vertragen. Dass diese nicht nur den Läusen „schmecken“, ist sehr wahrscheinlich. Somit besteht die Gefahr zusammen mit dem saftigen Grün im Verdauungstrakt eines Tieres zu landen.
Die Erbsenlaus (Acyrthosiphon pisum) hat bei nahender Gefahr eine besondere Fluchttaktik entwickelt: Sie stürzt sie sich von der Pflanze. Allerdings ist auch dies sehr riskant, da der Großteil der Insekten dieser Art flügellos ist und in der Luft nicht manövrieren kann. Sie müssen bei einem Fall also auf eine andere Technik setzen, um sicher unten anzukommen.
Wissenschaftler entdeckten nun, dass diese Insekten sich beim Fallen sehr schnell drehen, um so fast immer auf den Füßen und nicht auf dem Rücken zu landen.
Bauch voraus!
Um das Fallverhalten der Läuse zu untersuchen, brachten die Forscher die Insekten mit einem ihrer größten Feinde in Kontakt: dem Marienkäfer (Coccinella septempunctata). Dazu setzen sie 20 Erbsenläuse auf die Blätter der Ackerbohne (Vicia faba). Animiert durch die Fressfeinde ließen sich die Läuse vom Blatt auf dem sie saßen herabfallen. Mit Spezialkameras hielten die Forscher dieses Fallverhalten fest. 95 Prozent der beobachteten Läuse landeten aus einer Höhe von 20 Zentimetern in der richtigen Position, also Beine und Bauch nach unten.
Dies ist insofern praktisch, da die Insekten durch die Fußlandung eine höhere Chance haben mit ihren klebrigen Füßen auf einem der unteren Blätter der Pflanze zu landen. Landen sie auf dem Rücken, prallen sie bei anderen Blättern ab und rollen einfach weiter nach unten. So verringern sie also auch das Risiko bis ganz auf den Boden zu fallen. Die Blattläuse müssen dann nicht noch einmal die Pflanze erklimmen und entgehen der Gefahr zu verhungern oder auf dem Boden anderen Fressfeinden zum Opfer zu fallen.
Schwerkraft übernimmt den Rest
Bei der Flucht vor Fressfeinden oder sich nähernden Weidetieren springen die Blattläuse nicht von den Blättern, sie lassen sich fallen. Auf dem Weg nach unten nehmen sie eine spezifische, aerodynamisch stabile Haltung ein und überlassen alles andere der Schwerkraft. Sie drehen sich beim Fallen einfach in die richtige Position zum Landen: Die beiden Antennen nach vorne und nach oben gerichtet und zugleich die Hinterbeine nach hinten und über den Körper gestreckt. Dies geschieht in weniger als 200 Millisekunden.
"Was uns verblüffte war, dass die Blattläuse nicht viel zu tun schienen, um sich in die richtige Haltung zu bringen", sagte Ribak, beteiligter Forscher an der Studie. "Ihre Körperhaltung blieb ziemlich konstant während des gesamten Falls."
Der Vergleich zu toten Blattläusen zeigt, dass die Haltung jedoch aktiv eingenommen wird und nicht eine bloße Folge des Luftwiderstandes ist, welche die Beine in Richtung des Sturzes dreht: Nur 54 Prozent der toten Läuse landete „richtig“ herum. Aber haben die Erbsenläuse diese spezielle Haltung erst einmal eingenommen, behalten sie diese genauso bei ohne weiter aktiv zu werden.
Zufällige Entdeckung
Das spezifische Landeverhalten der Erbsenläuse wurde zufällig entdeckt, als zwei der beteiligten Forscher das Fluchtverhalten der Läuse untersuchten (Gish et al., 2010). Dabei testen die Wissenschaftler, wie die Insekten auf den Atem von Säugetieren reagieren und stellten fast, dass sie sich in die Flucht stürzen. Dabei fiel auf, dass immer nur die Rücken der Insekten zu sehen war. Daraufhin lies einer der Forscher einige Erbsenläuse auf ein Stück Pappe herunterfallen. Dieses wurde zuvor mit einer dünnen Schicht von rotem Pulver bestreut. Fast alle Versuchstiere hatten danach einen roten Fleck auf ihrem Bauch. Das veranlasste die Forscher, dieses Phänomen weiter zu untersuchen.
Quelle:
Ribak, G. et al. (2013): Adaptive aerial righting during the escape dropping of wingless pea aphids. In: Current Biology, Volume 23, Issue 3, R102-R103, (4. Februar 2013), doi: 10.1016/j.cub.2012.12.010.
Zum Weiterlesen: