Früherkennung von Dürrestress

Neuartige Satelliten-Sensoren zeigen nahezu in Echtzeit, wo das Wasser fehlt

21.09.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wärmebildkameras von ConstellR betrachten ab 2022 landwirtschaftlich genutzte Felder aus dem Weltall. Die Farben zeigen dem Landwirt, wo mehr Wasser notwendig ist: Die roten Stellen signalisieren hohe Temperaturen und drohende Wasserknappheit. (Bildquelle

Wärmebildkameras von ConstellR betrachten ab 2022 landwirtschaftlich genutzte Felder aus dem Weltall. Die Farben zeigen dem Landwirt, wo mehr Wasser notwendig ist: Die roten Stellen signalisieren hohe Temperaturen und drohende Wasserknappheit. (Bildquelle

Kaum eine Branche ist so stark vom Klimawandel betroffen wie die Landwirtschaft. Dürren, die auch in Mitteleuropa verstärkt auftreten, sind eine ernste Gefahr. Neue Technologien bieten Lösungsansätze: Forschende der Fraunhofer-Gesellschaft haben ein satellitengestütztes System entwickelt, das Trockenstress bei Pflanzen bereits im Ansatz erkennt. Landwirte können dann rechtzeitig bewässern, bevor die Pflanzen irreversibel geschädigt sind.

Was verbindet die Jahre 2003, 2015 und 2018 in Europa? Ihre extrem trockenen Sommer. Mitteleuropa muss sich auf immer häufigere Trockenperioden einstellen. Forscher:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berechneten, dass einige europäische Regionen in Zukunft jedes zweite Jahr von Dürren betroffen sein könnten (Böhnisch et al., 2021). Und eine Cambridge-Studie kommt zu dem Schluss, dass die Dürrejahre seit 2015 extremer waren als in den vorherigen zwei Jahrtausenden (Büntgen et al., 2021).

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Geringe Niederschläge und Dürren führen zu Trockenstress bei Pflanzen. Das beeinträchtigt Pflanzenwachstum und Ernteerträge.

Geringe Niederschläge und Dürren führen zu Trockenstress bei Pflanzen. Das beeinträchtigt Pflanzenwachstum und Ernteerträge.

Bildquelle: © Couleur / Pixabay

Die Lage ist ernst

Auch der Rückblick auf die letzten Jahre in Deutschland verrät diesen Trend: Im Jahr 2018 lagen die Niederschlagsmengen um 25 Prozent unter dem Referenzwert der Jahre 1961 bis 1990. Daraufhin sank die Erntemenge von Getreide um 19 Prozent im Dreijahresvergleich auf den niedrigsten Wert seit 1994. Und auch Raps, Kartoffeln, Mais und Grünland litten. Dabei waren die regionalen Unterschiede groß: In den extremsten Fällen brachen die Gesamterträge um bis zu 70 Prozent ein.

Lange anhaltende Trockenperioden können im schlimmsten Fall ganze Ernten zerstören. Denn Pflanzen benötigen ausreichend Wasser aus Niederschlägen oder Wasserreserven im Boden. Lange Dürren verringern die Bodenfeuchtigkeit und führen so zu Trockenstress. Das Resultat: Die Pflanzen bilden kleinere Früchte und die Ernteerträge sinken. Insgesamt entfallen rund 80 Prozent aller globalen Dürreschäden auf die Landwirtschaft. Und die Kosten sind hoch: In Europa lagen sie allein im Jahr 2018 bei etwa 3,3 Milliarden Euro. Wie kann die Landwirtschaft lernen, besser mit den Dürren zu leben?

Satellitenbilder warnen Landwirte frühzeitig vor Wasserknappheit

Grob gesagt gibt es zwei Optionen, um Dürreschäden zu vermeiden: Die Kulturpflanzen müssen durch Züchtung entweder widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit werden. Oder Landwirte müssen ihre Felder rechtzeitig bewässern.

Am zweiten Ansatz arbeiten Forscher aus dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut (EMI): Max Gulde hat gemeinsam mit seinem Kollegen Marius Bierdel ein System entwickelt, dass schon die ersten Symptome von Trockenstress bei Pflanzen nahezu in Echtzeit erkennen kann. Denn bei Wassermangel verringert sich die Verdunstung von Wasser über die Blätter. Damit steigt die Temperatur an der Blattoberfläche.

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Das Sensorsystem zur Beobachtung von Anbauflächen auf der Erde wird an Bord der Internationalen Raumstation ISS installiert werden.

Das Sensorsystem zur Beobachtung von Anbauflächen auf der Erde wird an Bord der Internationalen Raumstation ISS installiert werden.

Bildquelle: © Nasa

Hochempfindliche Wärmebildkameras, die an Satelliten angebracht werden, können in Zukunft diese Temperaturerhöhung auf einem Feld wahrnehmen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Die Sensoren messen dabei die Energiemenge, die die Pflanzen in Form von Photonen abstrahlen. „Innerhalb von zwei Stunden kann sich die Temperatur um zwei bis drei Grad Celsius verändern“, sagt Gulde. „Unser Verfahren misst auf ein Zehntelgrad genau und löst die Temperatur-Differenzen sehr fein auf.“

Landwirte können in Zukunft die ausgewerteten Daten innerhalb weniger Stunden per App erhalten und ihre Felder dann bedarfsgerecht bewässern. So lassen sich Ernteausfälle durch zu späte oder geringe Bewässerung vermeiden. Und auch eine punktgenaue, wassersparende Bewirtschaftung wird ermöglicht.

Mit der Ausgründung des Unternehmens ConstellR widmen sich die beiden Forscher nun weiter der Entwicklung ihrer neuen Technologie. Anfang 2022 soll das System an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) die Arbeit aufnehmen.


Quellen:

  • Böhnisch, A. et al. (2021): Hot Spots and Climate Trends of Meteorological Droughts in Europe–Assessing the Percent of Normal Index in a Single-Model Initial-Condition Large Ensemble. In: Frontiers in Water, (7. September 2021), doi: 10.3389/frwa.2021.716621.
  • Büntgen, U. et al. (2021): Recent European drought extremes beyond Common Era background variability. In: Nature Geoscience, (15. März 2021), doi: 10.1038/s41561-021-00698-0.
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Erntebericht 2018. (Abgerufen am 16.09.2021)
  • Fraunhofer-Gesellschaft: Satelliten messen Trockenstress bei Pflanzen. (Abgerufen am 09.09.2021)

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Wärmebildkameras von ConstellR betrachten ab 2022 landwirtschaftlich genutzte Felder aus dem Weltall. Die Farben zeigen dem Landwirt, wo mehr Wasser notwendig ist: Die roten Stellen signalisieren hohe Temperaturen und drohende Wasserknappheit. (Bildquelle: © ConstellR)