„Ohne Grüne Gentechnik können wir die Menschheit nicht ernähren.“ Ein Interview mit dem ISAAA Gründer Clive James

16.02.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Clive James von der ISAAA will mit GV-Pflanzen die Welt verändern. (Quelle: ©Clive James)

Clive James von der ISAAA will mit GV-Pflanzen die Welt verändern. (Quelle: ©Clive James)

Clive James ist ein Mann der ersten Stunde, wenn es um die Vermarktung gentechnisch veränderter (GV) Kulturpflanzen geht. Als Gründer der Agro-Biotechnologie-Agentur ISAAA setzt er sich seit den frühen 90er Jahren für die globale Kommerzialisierung von GV-Pflanzen ein und kann nicht verstehen, warum Europa diese Entwicklung blockiert.

Pflanzenforschung.de: Herr James, in ihrem aktuellen Jahresbericht von 2011 betonen sie als Autor das rasante weltweite Wachstum des GV-Pflanzen Anbaus. Demnach werden mittlerweile auf 160 Millionen Hektar GV-Pflanzen angepflanzt. Inwiefern hat die Landwirtschaft ihrer Meinung nach in den vergangenen 16 Jahren von dieser Biotechnologie profitiert?

C. James: Wir haben mit dieser Technologie große Erfolge erzielt, was die Ertragssteigerung und den Umwelt- und Klimaschutz angeht. Grüne Gentechnik kann in vielen Fällen einfach effektiver sein als konventionelle Züchtung. Auch nach 150 Jahren ist es der konventionellen Pflanzenzucht beispielsweise nicht gelungen, eine Kartoffel zu züchten, die gegen die Kraut- und Knollenfäule  immun ist. Weltweit sorgt diese Krankheit für einen Verlust von 7,5 Milliarden $ jährlich. Die Biotechnologie liefert gezieltere Möglichkeiten, Resistenzgene zu übertragen.

Pflanzenforschung.de: Laut ihrer Studie wird die Hälfte aller gentechnisch veränderter Kulturpflanzen in den Entwicklungsländern angebaut. Warum sind GV-Pflanzen gerade in diesen Ländern auf dem Vormarsch?

C. James: Für die Schwellenländer haben die verbesserten Nutzpflanzen nur Vorteile. Dadurch, dass beim Anbau von Bt-Mais nicht mehr gepflügt werden muss, wird die Erosion vermindert und Wasser eingespart. In den Entwicklungsländern sind es hauptsächlich Kleinbauern, die Biotech-Pflanzen anbauen. Durch Bt-Baumwolle hat sich das  jährliches Haushaltseinkommen chinesischer Landwirte beispielsweise auf 250$ pro Hektar erhöht. Kleinbauern sind der beste Test ob eine Technologie funktioniert. Da es für sie überlebenswichtig ist, vergleichen sie die alte und neue Methode sehr gründlich, bevor sie umsteigen.

Pflanzenforschung.de: Sind dies nur kurzzeitige Ertragssteigerungen oder glauben sie, dass Schwellenländer langfristig von Biotech-Kulturpflanzen profitieren werden?

C. James:
Die vergangenen 16 Jahre haben gezeigt, dass sich mit Biotech-Pflanzen Erträge steigern lassen und auch der Einsatz von Pestiziden deutlich vermindern lässt, was wiederum die Kosten senkt. Dies wird auch langfristig von Vorteil sein.

Pflanzenforschung.de: Aber der verminderte Einsatz von Pestiziden hat auch dazu geführt, dass sich Pflanzenschädlinge, die bislang kein Problem waren, explosionsartig vermehren konnten.

C. James: Das ist in einigen Fällen passiert. Auf lange Sicht werden jedoch die Vorteile der verbesserten Nutzpflanzen überwiegen. Wäre dies nicht der Fall würden die Bauern das Saatgut nicht mehr kaufen.

Pflanzenforschung.de: Werden denn mögliche Risiken der grünen Gentechnik in Schwellenländern überhaupt zur Diskussion gestellt?

C. James: Das einzige Risiko, dass Kleinbauern in Entwicklungsländern mit dieser Technologie eingehen, ist meines Erachtens sie nicht zu nutzen. Für die Menschen dieser Länder fallen die Vorteile bei weitem mehr ins Gewicht als mögliche Nachteile. 16 Jahre Biotech-Pflanzenanbau haben gezeigt, dass diese Technologie was ihren Konsum und die Umweltrisiken betrifft sicher ist.

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Bereits die Hälfte aller GV-Pflanzen werden in den Schwellenländern angebaut.

Bereits die Hälfte aller GV-Pflanzen werden in den Schwellenländern angebaut.

Bildquelle: © Dieter Schütz/ pixelio.de

Pflanzenforschung.de: Der Hunger der Dritten Welt ist vermutlich eher ein politisches denn biologisches Problem.  Brauchen wir wirklich Biotechnologie, um das Versagen der Politik zu kompensieren?

C. James: In 50 Jahren werden über 10 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Die politischen Maßnahmen, die derzeit getroffen werden, um diese Menschen zu ernähren sind nicht ausreichend. Es gibt dagegen einzelne Personen, die mehr bewegen als Regierungen, die Versprechen brechen. Menschen wie Bill Gates oder der ehemalige Britische Forschungsminister Lord Sainsbury beispielsweise investieren beachtliche Mittel in die Entwicklung verbesserter Nutzpflanzen und Technologien für Schwellenländer.

Pflanzenforschung.de: Gegner der grünen Gentechnik argumentieren, dass sich Kleinbauern in Schwellenländern in die Abhängigkeit westlicher Biotech-Firmen begeben. Wird genug getan, um diese Länder bei der Entwicklung eigener Biotechnologien zu unterstützen?

C. James: Die Entwicklung grüner Biotechnologien wird in Schwellenländern mittlerweile auch eigenständig von öffentlichen Mitteln finanziert und nicht von der privaten Industrie. Gute Beispiele sind China und Brasilien Natürlich brauchen wir noch mehr Mittel, aber es existieren schon sehr gute Partnerschaften zwischen beispielsweise Brasilien und Afrika, um die Forschung an diesen Technologien auch dort zu etablieren.

Pflanzenforschung.de: Europa bildet auf der Liste der GV-Pflanzen Länder das Schlusslicht. Warum stellen sich ihrer Meinung viele Europäer quer, wenn es um den Konsum und die Vermarktung von GV-Pflanzen geht?

C. James: Ich glaube Europäer lehnen die Technologie ab, weil sie sie als etwas Nordamerikanisches wahrnehmen, obwohl sie ja ursprünglich in Europa entwickelt wurde. Und natürlich haben Europäer auch nicht mit den Problemen der Entwicklungsländer zu kämpfen.

Pflanzenforschung.de: Sind Menschen, die diese Technologie blockieren Bio-Snobs und ignorieren die Probleme der Dritten Welt, weil sie sich Produkte aus ökologischem Anbau leisten können?

C. James: Die Europäer exportieren  ihre Angst nach Afrika. Felix M’mboyi, kenianisches Mitglied des afrikanischen Biotechnolgie Forums, schrieb in einem offenen Brief, dass die strengen europäischen Regularien Afrika erstickten. Sie nähmen den Afrikanern die Möglichkeit ihr Leben mit dieser Technologie zu verbessern, nur weil Europäer auf sie nicht angewiesen seien. Er nannte das Verhalten der EU arrogant und scheinheilig.

Pflanzenforschung.de: Welche Konsequenzen wird dies ihrer Meinung nach für Europa haben?

C. James: Die Tatsache, dass BASF beispielsweise die Vermarktung von GV-Pflanzen in Europa einstellen wird, ist ein klares Signal. Während die Forschung anderer Kontinente dadurch gewinnt, wird es Europa zurückwerfen. Langfristig wird die nächste Generation von Studenten Europa als Biotech-feindlich meiden und woanders forschen. Es wird ein „Brain Drain“ stattfinden und es wird mindestens eine Generation dauern, um diesen Verlust wieder aufzuholen.

Pflanzenforschung.de: Es gab auch Kritik an den Statistiken ihres Berichtes. Beispielsweise sollen Anbauflächen mit Pflanzen, bei denen zwei oder mehrere Eigenschaften gentechnisch verändert wurden, auch mehrfach in die Berechnung der Anbauflächen mit eingeflossen sein?

C. James: Das ist falsch. Diese sogenannten „Trait Acres“ sind in dem Bericht nicht berücksichtigt worden. Ich finde es bedenklich, wenn Leute so etwas behaupten, die den Bericht offensichtlich nicht gelesen haben.

Pflanzenforschung.de: Aber in dem Bericht steht, dass „Trait Acres“ ein Viertel der 160 Millionen Hektar Anbaufläche mit GV-Pflanzen ausmachen. Diese sind also nur einmal in die Hochrechnung mit eingeflossen?

C. James: Ja, in jedem unserer Jahresberichte.

Pflanzenforschung.de: Und was wäre ihr Wunsch für die biotechnologische Zukunft?

C. James: Wir hoffen, dass der von BASF und Monsanto  entwickelte, dürretoleranter Mais im kommenden Jahr in den USA und bereits im Jahre 2017 in Afrika angepflanzt werden kann. Es wird das erste Produkt sein, dass die Nahrungsversorgung Afrikas entscheidend verändern könnte. Wenn es uns gelingt die
Nahrungsmittelproduktion der Ärmsten zu verbessern, dann kommen wir vermutlich auch dem Weltfrieden ein Stückchen näher. Ein englisches Sprichwort besagt: "A drowning man will clutch a straw, a starving man will do anything."

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch!