Gemeinsame Agrarpolitik für mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft
Was muss die Landwirtschaft zukünftig leisten, um die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln sicherzustellen und gleichzeitig nachhaltig und umweltschonend zu produzieren? Diese Frage diskutierten Fachleute aus Politik, Wirtschaft, Forschung und NGOs auf Einladung der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL) beim 13. Berliner Gespräch am 7. Oktober.
Die Gemeinsame EU Agrarpolitik muss zukünftig mehr auf den Erhalt der Biodiversität und den Schutz der Umwelt ausgerichtet sein. Dies ist das Fazit des 13. Berliner Gesprächs der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft, an dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und NGOs die Zukunft der Gemeinsamen EU Agrarpolitik diskutierten.
Landwirtschaft prägt Europa
Felder, Äcker und Wiesen prägen unsere Kulturlandschaft. Die Hälfte der Fläche Europas wird landwirtschaftlich genutzt. Die Landwirtschaft nimmt somit großen Einfluss auf Natur und Umwelt. Hieraus ergibt sich ihre Verantwortung für den Schutz der natürlichen Ressourcen. Die europäische Landwirtschaft hat viele Aspekte. In erster Linie produziert sie Nahrungsmittel, um die Versorgung der Bevölkerung zu sichern. Aber auch die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe wird eine immer wichtigere Einnahmequelle der Bauern. Die Landwirtschaft verhindert aber auch Landflucht, in dem sie im ländlichen Raum eine Lebensgrundlage bietet. Sie ist zudem Gärtner der Kulturlandschaft und erhält auf diese Weise die biologische Vielfalt in natürlichen und naturähnlichen Lebensräumen.
Die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere die intensive Landwirtschaft, haben jedoch auch negative Auswirkungen auf die Umwelt: sie führt vielerorts zu einer Fragmentierung natürlicher Lebensräume, sie gefährdet durch den Einsatz von Pestiziden die Biodiversität, sie verschmutzt Wasser und Böden durch Überdüngung.
GAP in Vergangenheit und Zukunft
In den vergangenen Jahren seit der GAP-Reform (GAP - Gemeinsame Agrarpolitik der EU) im Jahr 2003 hat sich die deutsche Landwirtschaft gut entwickelt, erklärt Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Die flächenbezogenen Direktzahlungen der EU haben die Landwirte wettbewerbsfähiger gemacht. Die deutsche Landwirtschaft ist erfolgreich, auch auf dem internationalen Markt. Die Entkopplung der Zahlungen von der Produktion führte dazu, dass Bauern anbauen, was auf dem Markt gefragt ist und nicht dass, was die höchsten Subventionen verspricht. Zudem sind diese Zahlungen an konkrete Umwelt-, Lebensmittelsicherheits- und Tierschutzauflagen geknüpft, um eine umweltschonende Produktion zu fördern.
Zukünftig seien weitere Anreize für eine nachhaltige Bewirtschaftung nötig und möglich, so Prof. Klaus-Dieter Borchardt, Direktor der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission. Die Direktzahlungen der EU sind ein effizientes Mittel, um eine flächendeckende Versorgung mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten. Eine nachhaltige Landwirtschaft sei jedoch nur möglich, wenn es zusätzliche Anreize für ein Umweltengagement der Landwirte gäbe. Die EU sollte ihre Agrarförderung stärker an Umweltschutzzielen ausrichten. Hierfür seien neben generellen Leitlinien auch klare Ziele und Maßnahmen sowie messbare Kriterien nötig, um die Effizienz der Maßnahmen zu überprüfen und auch öffentlich zu legitimieren. Eine horizontale Umwelt- und Biodiversitätsverbesserung könnte beispielsweise durch die Winterbegrünung ökologischer Brachflächen und den Erhalt einer kleinflächigen, eher extensiven Landwirtschaft erreicht werden.
Gerd Sonnleitner wies darauf hin, dass ein stärkeres Umweltengagement der Landwirte wünschenswert ist, jedoch nicht auf Kosten der in den vergangenen Jahren bereits sinkenden Einkommen der Landwirte gehen dürfe. Wirtschaftliche und soziale Aspekte dürften nicht aus dem Blick verloren werden. Die Agrarpolitik habe auch die Aufgaben, den Lebensunterhalt der Landwirte zu sichern. Derzeit stammen zirka 50% dieses Einkommens aus den Ausgleichszahlungen der EU.
Welternährung
Die Förderung kleinbäuerlicher Strukturen ist wichtig für die Lösung des Welthungerproblems, so Heino von Meier, Stiftungsratsmitglied des WWF Deutschland. Bisher kam dies im Rahmen der EU Agrarpolitik zu kurz. Kleinbäuerliche Strukturen könnten jedoch eine flächendeckende Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln besser gewährleisten als andere Formen des Landbaus. Denn Hunger müsse man vor Ort bekämpfen. Nachhaltiger als die Versorgung der hungernden Menschen mit Hilfsgütern ist immer die Hilfe zur Selbsthilfe.
Für eine ideologiefreie Forschung und Bewertung
Die europäische, und vor allem auch die deutsche Landwirtschaft sind durch eine intensive Bewirtschaftung geprägt. Ertragssteigerungen sind hier häufig kaum noch möglich. In südlichen Regionen Europas überwiegt hingegen eine traditionellere Bewirtschaftung, die mehr Raum für Natur und Umwelt lässt, aber dafür weniger produktiv und wirtschaftlich arbeitet. Um die Ziele Versorgungssicherheit und Umweltschutz zu versöhnen, argumentieren die Diskussionsteilnehmer für den Erhalt einer kleinflächigen, extensiven Landwirtschaft neben der intensiven Landwirtschaft, die ideologiefrei die jeweils optimale Bewirtschaftungsform für die jeweilige Fläche einsetzt.
Ein effizientes und bedarfsgerechtes Pflanzenschutzmanagement hilft, die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft zu minimieren. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln kann auch durch genetisch veränderte Pflanzen, die für bestimmte Schädlinge und Krankheiten resistent sind, verringert werden, so Dr. Stefan Marcinkowski, Vorstandsmitglied der BASF SE. Derzeit stößt die Grüne Gentechnik jedoch auf Ablehnung in der Bevölkerung. Gerd Sonnleitner vom Bauernverband sieht die Potenziale der Technologie für die Landwirtschaft daher als momentan begrenzt an: „Wir produzieren dass, was die Menschen haben wollen.“
Nicht immer sind biologische Pflanzenschutzmittel, wie sie auch im ökologischen Landbau eingesetzt werden, die umweltschonendere Alternative zu konventionellen Pflanzenschutzmitteln. Dr. Marcinkowski fordert daher wissenschaftliche Ökoefffizienzanalysen, die die Umweltauswirkungen jedes einzelnen Mittels, konventionell wie auch biologisch, überprüfen. Hierdurch könne eine Versachlichung der kontroversen Diskussion über Vor- und Nachteile von Ökolandbau und konventioneller Landwirtschaft erreicht werden.
Eine effiziente und nachhaltige Landwirtschaft bedarf der Forschung. Nur durch eine kontinuierliche Agrar- und Pflanzenforschung können Pflanzenzüchter und Landwirte auf veränderte Umwelt- und Klimabedingungen reagieren, ohne Ertragseinbußen hinnehmen zu müssen. Vertreter aus Forschung und Wirtschaft plädieren für eine ideologiefreie Debatte, die nicht von vorneherein neue Technologien wie die Gentechnik ausklammert.
Der Blick in die Zukunft
Die europäische Landwirtschaft steht vor Herausforderungen: eine wachsende Weltbevölkerung, die ernährt werden will, veränderte Klima- und Umweltbedingungen, der wirtschaftliche Wettbewerb. Die GAP-Reform im Jahr 2003 hat die Weichen gestellt für eine erfolgreiche Landwirtschaft. Nun müssen noch stärker Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität und der Umwelt in die vorhandenen Instrumente der Gemeinsamen EU Agrarpolitik integriert werden. Denn die Landwirtschaft hat starke Auswirkungen auf Europas Landschaft und Natur. Sie ist ein Hauptverursacher von Treibhausgasen, „verbraucht“ fast 80% des weltweit genutzten Süßwassers und hat auch negative Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt. Die Gemeinsame EU Agrarpolitik sollte nach Ansicht der FNL ein Teil der Lösung all dieser Probleme sein. Die Förderung einer nachhaltigen und effizienten Landwirtschaft sollte Priorität haben.
Bislang haben die EU-Staaten die GAP-Reform in verschiedenem Maße umgesetzt. Die Podiumsteilnehmer sind sich einig, dass die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft auch davon abhängen wird, ob es gelingt, ein einheitliches System der Agrarförderung in Europa zu etablieren.
Und was denkt die europäische Bevölkerung?
Acht von zehn EU-Bürgern befürworten eine stärkere EU-Förderung der ökologischen Landwirtschaft. Ebenso viele halten Anreize für wichtig, die Landwirte zur Produktion nachwachsender Rohstoffe animieren. Und sieben von zehn EU-Bürgern sind der Meinung, Landwirte sollten für die landwirtschaftliche Produktion auch die moderne Biotechnologie einsetzen (European Commission 2010: Eurobarometer 336). Damit stimmen die Meinungen in der Bevölkerung und der Grundtenor des 13. Berliner Gesprächskreises überein und öffnen den Weg in eine neue, gemeinsame EU Agrarpolitik ab 2014.
Anregungen zum Weiterlesen:
- Ergebnisse der Eurobarometer Umfrage vom Frühjahr 2010: European Commission (2010): Europeans, Agriculture and the Common Agricultural Policy. Special Eurobarometer 336, p. 73.
- Die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013 – Öffentliche Debatte - Zusammenfassung der Beiträge und Zusammenfassender Bericht.
- Dacian Ciolos, EU Kommissar für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung „Die GAP nach 2013“ Brüssel, (Rede vom 20. Juli 2010).
- Überblick zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie die GAP ab 2014: "A Common Agricultural Policy for European Public Goods".