Trübe Aussichten

Stagnierende Erträge gefährden Bodenfruchtbarkeit

02.09.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Stagnierende Ernten reduzieren die Bodenfruchtbarkeit. Das Management von Ernterückständen - im Bild ein Stoppelfeld - wird allein nicht ausreichen, den Effekt abzufedern. (Bildquelle: © Wolfgang Dirscherl / pixelio.de)

Stagnierende Ernten reduzieren die Bodenfruchtbarkeit. Das Management von Ernterückständen - im Bild ein Stoppelfeld - wird allein nicht ausreichen, den Effekt abzufedern. (Bildquelle: © Wolfgang Dirscherl / pixelio.de)

Seit rund zwei Jahrzehnten stagnieren weltweit die Erträge von wichtigen Kulturarten in der Landwirtschaft. Was lange Zeit als Ausnahme abgetan wurde, scheint, sich als Regel zu bestätigen. Dies hat negative Folgen für die Bodenfruchtbarkeit, wie jüngst nachgewiesen wurde. Hinzu kommt der Klimawandel. Daher fordern Forscher, den Bodenkohlenstoffgehalt künftig besser im Auge zu behalten und Modelle und Prognosen einem Realitätscheck zu unterziehen.

Es sind die Superlative, die im Kopf bleiben. Metaphern von tanzenden Bären auf dem Börsenparkett wecken den Eindruck, dass die Ertragskurven der europäischen Landwirtschaft nur eine Richtung kennen: Steil nach oben. Die Wahrheit sieht anders aus: Stagnierende Ernten seit Anfang der 90’er des letzten Jahrtausends. Dass dieser Umstand nicht einfach ausgeblendet und auf die leichte Schulter genommen werden darf, hat nun ein deutsches Forscherteam bestätigt. Sie sorgen sich um den Kohlenstoffgehalt (C) im Boden, reden von Humusschwund und einem Teufelskreis.

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Bilder von goldgelben Kornfeldern sprechen Bände und verschleihern die Realität: Seit 1990 gehen die Erträge von Mais, Soja, Weizen und Reis weltweit zurück.

Bilder von goldgelben Kornfeldern sprechen Bände und verschleihern die Realität: Seit 1990 gehen die Erträge von Mais, Soja, Weizen und Reis weltweit zurück.

Bildquelle: © SarahC. / pixelio.de

Wichtig ist zudem die Erkenntnis, dass die Ertragshöhe nicht nur von der Bodenfruchtbarkeit abhängt, sondern auch andersherum: Zwar gehen einer reduzierten Bodenfruchtbarkeit oftmals Jahrzehnte landwirtschaftlicher Bearbeitung voraus, dass die Ertragshöhe aber wiederum die Bodenfruchtbarkeit signifikant beeinflusst, war in diesem Umfang noch nicht nachgewiesen worden.

Stillstand macht sich jetzt bemerkbar

Es ist erst seit einigen Jahren von stagnierenden Ernten die Rede, erklärt Studienautor Dr. Martin Wiesmeier von der Technischen Universität München (TUM): „Der Stillstand der Erträge ist seit einigen Jahren statistisch nachweisbar.“ Sichtbar machen diesen die globalen Statistiken der FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UN). Ganz anders jedoch die Folgen dieser Entwicklung. Von Engpässen in der Nahrungsversorgung ist dieses mal jedoch nicht die Rede, es geht um ein grundlegenderes Problem. Eines mit ebenfalls weitreichenden Folgen: die Bodenfruchtbarkeit nimmt ab, genau genommen die Menge an organisch gebundenem Kohlenstoff im Boden.

Baustein des Lebens

Zwar ist in Zeiten des Klimawandels kaum einer gut zu sprechen auf das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2). Dieses neben anderen der Atmosphäre zu entziehen, lautet eine entscheidende Maßnahme, um das „Zwei Grad Ziel“ zu erreichen. Dass Kohlenstoff zugleich aber auch der Baustein des Lebens ist, wird dabei gerne vergessen.

Organischer Kohlenstoff ist nämlich von entscheidender Bedeutung für die Nährstoffversorgung und die Wasserkapazität und die Durchlüftung des Bodens. Er bildet den wichtigsten Bestandteil der oberen Bodenschicht, die Ackerkrume, und den Hauptbestandteil von Humus. Dass gerade diese nährstoffreiche, überlebenswichtige Bodensubstanz an Qualität einbüßt, im aktuellen Fall als Folge eines absinkenden Bodenkohlenstoffgehalts, ist ein ernst zu nehmendes Risiko.

Sinkende Erträge gleich sinkender Bodenkohlenstoffgehalt

Wiesmeiers erklärt: „Da es einen starken Zusammenhang zwischen Ernteerträgen und dem Eintrag organischer Substanz in den Boden gibt, muss sich der Stillstand der Ernteerträge auch auf die Humusvorräte der Böden auswirken.“ Und somit im Endeffekt auch auf die Erträge.

Der Wissenschaftler spricht von der Praxis, die Bodenfruchtbarkeit zu fördern, indem Ernterückstände auf dem Feld zurückgelassen werden. Dazu zählen Stoppelreste, Wurzeln, Stroh oder Blätter z. B. von Zuckerrüben (Beta vulgaris). Die Stoffe also, die immer öfter als Rohstoffe der Zukunft in einer Bioökonomie verstanden werden. Vor diesem Hintergrund gilt es, von Anbeginn die Balance aus Nutzung und Rückführung in den Boden dieser sogenannten Reststoffe zu finden.

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Die oberen 30 cm des Bodens enthalten besonders viel Humus: Die abgestorbene organische Bodensubstanz versorgt Pflanzen mit Nährstoffen, reguliert zudem den Luft- und Wasserhaushalt im Boden. Darüber hinaus dient sie Organismen als Lebensraum. 

Die oberen 30 cm des Bodens enthalten besonders viel Humus: Die abgestorbene organische Bodensubstanz versorgt Pflanzen mit Nährstoffen, reguliert zudem den Luft- und Wasserhaushalt im Boden. Darüber hinaus dient sie Organismen als Lebensraum. 

Bildquelle: © Günter Havlena / pixelio.de

Zu hohe Erwartungen

Beim genauen Hinschauen ist es aber nicht die Effektivität dieser Maßnahme, sondern zu hohe Erwartungen, die sich als problematisch erweisen. Geschürt wurden sie von zu hoch angesetzten Ertragsmodellen und -prognosen aus der Vergangenheit. Vermutlich beflügelt durch die hohen Ertragszuwächse in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Zum Beispiel durch züchterische Fortschritte und genetische und gentechnische Möglichkeiten, durch effizienteres Landwirtschaftsmanagement, neue Anbaumethoden und Bewässerungsmaßnahmen. Durch Düngung, mit Hilfe von Unkrautbekämpfungsmitteln und Pestiziden.

Wenn Modelle und Realitäten getrennte Wege gehen

Während die tatsächlichen Erträge mit den Prognosen noch bis Anfang der 90’er Jahre Schritt hielten, begannen sie fortan, auseinanderzudriften. Die Ernteerträge begannen, hinterherzuhinken. Trotzdem fanden die Modelle weiterhin Beachtung. Erst seit einigen Jahren beginnen nicht nur Forscher und Wissenschaftler, sondern auch verantwortliche Entscheider, der Realität ins Auge zu blicken. Sprich, in die Statistiken zu schauen.

Spätes Erwachen

Ein Grund für das späte Erwachen: Bis ein Ertragsrückgang statistisch signifikant wird, der Knick in der Ertragskurve sichtbar wird, müssen laut Forscher etwa 18 Jahre vergehen. Besonders betroffen sind nun vor allem Deutschland, Frankreich, England, Dänemark und Norditalien. Länder in Zentral- und Nordeuropa. Anzumerken ist, dass sich die Studie auf Europa konzentrierte. Bodenproben belegen nun, dass der Bodenkohlenstoffgehalt in den betroffenen Ländern signifikant gesunken ist.

Klimawandel als weiterer Risikofaktor

Hinzu kommt der Klimawandel, in diesem Fall besonders die steigenden Temperaturen. Jene erhöhen nachweislich den Abbau von Bodenkohlenstoff und schmälern zugleich die Erträge. Immer häufiger lagen sie in den letzten Jahren über dem Optimum, während sich zugleich Dürreperioden und Wetterextreme häuften, Anbauperioden verschoben. „All das führt zwangsläufig zu einer stagnierenden Biomasseproduktion der Kulturen und weniger Eintrag von organischem Material in den Boden“, fasst Wiesmeier zusammen.

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Hohe Temperaturen als Folge des Klimawandels wirken sich ebenfalls negativ auf die Bodenfruchtbarkeit aus und schmälern zugleich die Erträge.

Hohe Temperaturen als Folge des Klimawandels wirken sich ebenfalls negativ auf die Bodenfruchtbarkeit aus und schmälern zugleich die Erträge.

Bildquelle: © Schakatak / pixelio.de

Ein Gefühl der falschen Sicherheit

Dass die Ertragsmodelle zu hoch angesetzt waren, wiegte viele in falscher Sicherheit. Die Wissenschaftler fordern nun, Modellrechnungen und Prognosen anzupassen, sie häufiger einem Realitäts-Check zu unterziehen. Die Hoffnung, dem klimabedingten Verlust an Bodenkohlenstoff durch höhere Erträge – je mehr Erträge, desto mehr Ernterückstände – relativ einfach beikommen zu können, dürfte sich langfristig nicht erfüllen. Doch wie realistisch waren die Erwartungen überhaupt?

Management von Ernterückständen

Das Management von Ernterückständen ist eine komplexere Angelegenheit, als auf den ersten Blick scheint. Es bedarf der richtigen Technologie und Technik, sowohl in der Anschaffung als auch in der Instandhaltung sowie Planung, zusätzlicher Arbeitsgänge und Zeit. Insgesamt also eine hohe Bereitschaft und Geld. Somit ist die Effektivität nicht allein von der Ertragsmenge, sondern stets auch von einer Reihe weiterer Faktoren abhängig.

Mit anderen Worten: Es besteht Optimierungsbedarf, wie Prof. Dr. Ulrich Groß von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf erklärt. Je größer die Erträge, desto größer auch der Aufwand im Management der Ernterückstände. Er fordert: „Neue Konzepte, die das Management der Ernterückstände im Gesamtkonzept des Pflanzenbaus einbeziehen, müssen entwickelt und optimiert werden.“

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Phacelia, auch Bienenweide genannt, gilt als Bodenverbesserer. Ihr dichtes Wurzelsystem sorgt für eine effiziente Aufnahme von Nährstoffen, die nach dem Verottten der Nachfolgefrucht zur Verfügung stehen.

Phacelia, auch Bienenweide genannt, gilt als Bodenverbesserer. Ihr dichtes Wurzelsystem sorgt für eine effiziente Aufnahme von Nährstoffen, die nach dem Verottten der Nachfolgefrucht zur Verfügung stehen.

Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de

Ursachenforschung geht weiter

Davon sind die Forscher der Studie noch weit entfernt. Ihnen ging es zunächst darum, auf die nun 20 Jahre anhaltende Periode stagnierender Erträge und den Effekt auf die Bodenfruchtbarkeit hinzuweisen.

Denn trotz des signifikanten Zusammenhangs zwischen Ertragshöhe und Bodenfruchtbarkeit sind die regionalen Ursachen für die Abnahme des Bodenkohlenstoffs unterschiedlich oder nicht immer eindeutig. Auch fehlen Erkenntnisse über die globale Situation, obwohl bereits von ähnlichen Befunden aus einigen Regionen der USA zu hören ist.

Handlungsbedarf besteht jetzt

Wiesmeier sieht trotzdem oder gerade deswegen Handlungsbedarf: „Entwickelt sich das so weiter, dann könnte das die Bodenfruchtbarkeit und Wasserkapazität negativ beeinflussen, die Erosionsgefahr erhöhen, was letztendlich zu schlechteren Ernten führen könnte. Ein Teufelskreis.“

Humusschwund bekämpfen

Für den Humusaufbau schlägt Koautor Hübner einige Maßnahmen vor: „Hierzu zählen die Diversifizierung der Fruchtfolge, die Gründüngung und Winterbegrünung zur Erosionsminderung. Eine optimierte Bodenbearbeitung, der ökologische Landbau, die Agroforstwirtschaft sowie das Belassen von Ernterückständen auf den Feldern.“

Eine weitere Maßnahme ist die verstärkte Nutzung von organischem bzw. Wirtschaftsdünger. Diese ist seit zwei Jahrzehnten rückläufig. Andere Möglichkeiten bestehen in der Nutzung von Bodenverbesserungsmaterialien wie Pflanzenkohle oder der Einsatz von Superabsorbern.   

Werden züchterische Fortschritte zunichtegemacht?

Schon jetzt warnen Experten davor, dass die Abnahme an Bodenfruchtbarkeit durch den züchterischen Fortschritt nicht mehr ausgeglichen werden könne. Pessimisten reden sogar von einem Rückfall in Zeiten vor Justus von Liebig. Zielführend wird letztendlich aber nur ein gemeinsames Vorgehen sein, wie die Autoren erklären. Ein Fachgebiet alleine kann das Problem nicht lösen. Vielmehr müssen Fachdisziplinen vernetzt und Innovationen gezielter als bisher gefördert und umgesetzt werden.


Quelle:
Wiesmeier, M. et al. (2015): Stagnating crop yield: An overlooked risk fort he carbon balance of agricultural soils? In: Science of Total Environment, (30. Juli 2015), doi:10.1016/j.scitotenv.2015.07.064.

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Titelbild: Stagnierende Ernten reduzieren die Bodenfruchtbarkeit. Das Management von Ernterückständen - im Bild ein Stoppelfeld - wird allein nicht ausreichen, den Effekt abzufedern. (Bildquelle: © Wolfgang Dirscherl / pixelio.de)