Über kurz oder lang
Wie Pflanzen ihr Wurzelwachstum steuern
Pflanzen brauchen Wurzeln, um sich sicher im Boden zu verankern und um Nährstoffe sowie Wasser aufzunehmen. Ein Forscherteam hat nun herausgefunden, wie die Wurzelentwicklung auf hormoneller Ebene gesteuert wird. Diese Erkenntnisse könnten Züchtern helfen, das Wurzelwachstum von Kulturpflanzen besser an die spezifischen Standortbedingungen anzupassen.
Ist der Boden gut durchfeuchtet, bilden Pflanzen meist nur flache Wurzeln mit vielen Wurzelhaaren. Das fördert die Aufnahme des wichtigen Nährstoffes Phosphat, das überwiegend in den oberen Bodenschichten vorkommt. Bleibt aber Regen längere Zeit aus, kann es eng werden für die Pflanzen. Die oberen Bodenschichten trocknen aus und die Wurzeln müssen schnell tiefere Bodenschichten erreichen. Die Pflanzen schalten jetzt auf Längenwachstum bei den Wurzeln um.
Neue Erkenntnisse am Beispiel Hülsenfrüchtler
Dass das Wachstum von Wurzeln durch Pflanzenhormone gesteuert wird, ist in der Forschung schon länger bekannt. Ein Wissenschaftsteam der TUM School of Life Sciences in Weihenstephan beschreibt nun in einer neuen Studie einen bisher unbekannten Kommunikationsweg bei Hülsenfrüchtlern zwischen dem Pflanzenhormon Ethylen, dem Regulatorprotein SMAX1 und dem „Karrikin-Signalweg“.
SMAX1-Protein bremst Ethylenproduktion
Ethylen ist ein Hormon, das zahlreiche Prozesse in Pflanzen in Gang setzen kann. Besonders bekannt ist es als Reifegas, dass u. a. von Früchten freigesetzt wird. Auch bei der Entwicklung der Wurzeln hat das Pflanzenhormon einen entscheidenden Einfluss: Wird Ethylen in Pflanzenwurzeln produziert, bilden sich nur kurze Wurzeln mit langen Wurzelhaaren. Wenig Ethylen führt demnach umgekehrt zu langen Wurzeln mit kürzeren Wurzelhaaren. „Es hat sich gezeigt, dass das Protein SMAX1 die Produktion von Ethylen bremst“, erklärt Caroline Gutjahr, Professorin für Pflanzengenetik an der TUM. Ein aktives SMAX1 induziert demnach ein Längenwachstum der Wurzeln. Das bestätigten auch Untersuchungen an smax1-Mutanten, die ohne ein aktives SMAX1 erhöhte Ethylenmengen freisetzten.
Karrikin-Signalweg löst die Ethylen-Bremse
Nun stellte sich die Frage, wie die Pflanzen vom Längenwachstum wieder auf „kurze Wurzeln“ umstellen können. Die ForscherInnen haben schließlich den Gegen-Regulationsmechanismus gefunden, der die Ethylen-‚Bremse‘ wieder löst: ein aktiver Karrikin-Signalweg, der SMAX1 in Gegenwart von einem Rezeptorkomplex aus Hydrolase-Rezeptor KAI2 und dem F-Box-Protein MAX2 spezifisch abbaut und dadurch die Produktion von Ethylen wieder in Gang setzt.
„Überraschenderweise hat dieser Mechanismus einen enormen Einfluss auf die Wurzeln des Hülsenfrüchtlers Lotus japonicus, der Modellpflanze für Erbsen, Bohnen und Linsen, an der wir unsere Studie durchführten“, so Gutjahr. Allerdings bestätigte sich die Wirkung dieses Signalweges nicht bei Versuchen mit der Kreuzblütler-Modellpflanze Arabidopsis thaliana. „Das zeigt, dass die Diversität der Pflanzen sich nicht nur im Aussehen widerspiegelt, sondern auch in der Wirkung ihrer molekularen Schaltmechanismen auf das Wachstum“, erklärt die Forscherin.
Züchtung könnte profitieren
Ihre Arbeitsgruppe erforscht nun, wie die Karrikin- und Ethylen-Signalwege auf abiotische Reize reagieren und welche „Fühler“ Informationen an sie weitergeben. „Wenn wir genauer verstehen, wie Wurzelwachstum auf molekularer Ebene und in Abstimmung mit Umweltreizen reguliert wird, können wir Pflanzen für die Landwirtschaft züchten, welche besser mit ungünstigen Umweltbedingungen zurechtkommen und damit auch unter diesen Bedingungen Ertrag bringen“, sagt die Wissenschaftlerin.
Quelle:
Carbonnel, S. et al. (2020): The karrikin signaling regulator SMAX1 controls Lotus japonicus root and root hair development by suppressing ethylene biosynthesis. In: PNAS, 117, 21757-21765, (01. September 2020), doi: 10.1073/pnas.2006111117.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
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Titelbild: Frau Prof. Dr. Caroline Gutjahr kontrolliert in der begehbaren Klimakammer Keimlinge von Lotus japonicus, die auf Agarmedium in einer Petrischale wachsen. Die Pflanzen sind circa zwei Wochen alt und werden in den nächsten Tagen in Töpfe umgesetzt. (Bildquelle: © Uli Benz / TUM)