Spross leitet Lichtsignal zu den Wurzeln

Wurzeln nehmen Lichtverhältnisse wahr

09.11.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzenwurzeln erhalten vom Spross ein Signal über die oberirdischen Lichtverhältnisse. (Bildquelle: © amenic181/Fotolia.com)

Pflanzenwurzeln erhalten vom Spross ein Signal über die oberirdischen Lichtverhältnisse. (Bildquelle: © amenic181/Fotolia.com)

Wissenschaftler konnten erstmalig zeigen, dass Wurzeln der Ackerschmalwand direkt auf Licht reagieren, das vom Spross in die unterirdischen Pflanzenteile übertragen wird. Wurzeln können so das Pflanzenwachstum an die Lichtbedingungen der Umgebung anpassen.

Licht ist als Energiequelle für jede Pflanze von zentraler Bedeutung. Denn Licht ist der Motor der lebensnotwendigen Photosynthese. Licht reguliert auch viele Aspekte des pflanzlichen Wachstums und der Entwicklungsstadien einer Pflanze. Bisher war bekannt, dass Pflanzen Licht zunächst über Lichtrezeptoren (Photorezeptoren) im Spross erkennen. Lichtsignalmoleküle aktivieren im Anschluss verschiedene, physiologische Prozesse in der Pflanze.

Bestimmte Lichtrezeptoren kommen auch in Wurzeln vor

Doch schon seit mehr als drei Jahrzehnten steht die Frage im Raum, ob auch Wurzeln Licht wahrnehmen können. Denn frühere Studien hatten gezeigt, dass bestimmte pflanzliche Lichtrezeptoren erstaunlicherweise auch in den Wurzeln vorkommen. Ein Beispiel dafür sind bestimmte Phytochrome, die Licht der Wellenlängen rot/infrarot wahrnehmen. In der Wurzel sind diese Phytochrome an der Steuerung des Wurzelwachstums, des Gravitropismus und des Jasmonsäure-Stoffwechsels beteiligt. Unklar war allerdings, wie sie dort aktiviert werden.

#####1#####
Lichtrezeptoren in den Wurzeln werden von Licht aktiviert, das vom Spross über den Stängel in die unterirdischen Wurzeln übertragen wird.

Lichtrezeptoren in den Wurzeln werden von Licht aktiviert, das vom Spross über den Stängel in die unterirdischen Wurzeln übertragen wird.

Bildquelle: © Rakesh Santhanam, Angela Overmeyer, MPI chem. Ökol.

„Physiker aus Korea und Biologen aus Jena haben jetzt das Wissen aus beiden Bereichen kombiniert, um zu untersuchen, ob die Leitgefäße im Spross wie eine Art Lichtleitkabel das Licht vom Spross in die Wurzel leiten“, beschreibt Sang-Gyu Kim, einer der Erstautoren der Studie. Dazu entwickelten sie einen hochsensitiven Lichtdetektor sowie die Idee, „blinde“ und „sehende“ Wurzeln zu kreieren.

„Blinde Wurzeln“ zeigen Signalweg des Lichts

Die Forscher verwendeten für ihre Studien die Modellpflanze Arabidopsis thaliana und veränderten sie genetisch so, dass der Lichtrezeptor lediglich in den Wurzeln nicht mehr funktionierte. Im oberirdischen Teil der Pflanze, dem Spross, blieb alles beim Alten. Dazu schalteten sie das Gen, das für den Lichtrezeptor Phytochrom B codiert, in der Wurzel aus. Für die Untersuchungen wuchsen Versuchspflanzen nicht wie sonst üblichen in lichtdurchlässigem Nährmedium, sondern wie in der Natur: mit den Wurzeln im Dunkeln und dem Spross im Licht.

Die Versuche der Wissenschaftler zeigten: Die Pflanzen setzten das optische Detektorsystem ein, um das Licht zu messen, das über den Stamm hinunter in die Wurzeln übertragen wurde. Bei den unveränderten Wildtyppflanzen aktivierte das Licht den Sensor Phytochrom B in der Wurzel, der wiederum die Expression des Gens ELONGATED HYPOCOTYL 5 (HY5) und die Akkumulation des entsprechenden Proteins bewirkte. HY5 ist ein Transkriptionsfaktor, der das Wurzelwachstum in Abhängigkeit von oberirdischem Licht steuert.

Licht wird über Leitbündel in die Wurzel geleitet

„Mit diesem Ansatz konnten wir eindeutig zeigen, dass Licht durch die Leitbündel in die Wurzel geleitet wird. Auch wenn die gemessene Intensität sehr gering war, war sie ausreichend, um die Lichtrezeptoren zu aktivieren, eine Lichtsignalkette auszulösen und das Wachstum in den Kontrollpflanzen zu beeinflussen“, erläutert Chung-Mo Park, Leiter des Projekts an der Nationalen Universität in Seoul.

Wurzelwachstum und Gravitropismus als Reaktion auf oberirdisches Licht verändert

Die Pflanzen ohne den Lichtrezeptor Phytochrom B in der Wurzel reagierten unter gleichen Lichtverhältnissen weitaus weniger auf Licht, das der Spross wahrgenommen hatte. Fehlte den Wurzeln der Transkriptionsfaktor HY5, waren Wurzelwachstum und Gravitropismus als Reaktion auf oberirdisches Licht verändert. „Unsere Arbeit belegt, dass Wurzeln auch im Boden Licht wahrnehmen können. Dies wiederum aktiviert eine Signalkette, die das Pflanzenwachstum, insbesondere die Wurzelarchitektur, beeinflusst“, so Ian Baldwin, Studienleiter am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena.

Weitere Lichtsensoren in Wurzeln mit unbekannter Funktion

Doch außer Phytochrom B gibt es in den Wurzeln noch weiter Lichtsensoren, deren Aufgaben in den Wurzeln und ihr Zusammenspiel mit Lichtsignalen, die aus dem Spross in die Wurzel geleitet werden, noch weitgehend unbekannt sind. Doch welche Bedeutung haben diese Forschungsergebnisse für Pflanzen in der freien Natur?

Um diese Frage zu klären, wollen die Forscher Untersuchungen an einer anderen Pflanzenart durchführen, dem Kojotentabak Nicotiana attenuata, einer Modellpflanze der Ökologie, die an extrem starke Lichtverhältnisse angepasst ist. Die Forscher vermuten, dass die neu entdeckte Fähigkeit von Pflanzenwurzeln, Licht wahrzunehmen, entscheidend zur Überlebensfähigkeit von Pflanzen in der Natur beiträgt, indem Energieressourcen für Wachstum, Fortpflanzung und Verteidigung effektiver zugeteilt werden können.


Quelle:
Lee, H.J. et al. (2016): Stem-piped light activates phytochrome B to trigger light responses in Arabidopsis thaliana roots. In: Sci Signal. 9(452):ra106, (01. Nov 2016), doi: 10.1126/scisignal.aaf6530.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Pflanzenwurzeln erhalten vom Spross ein Signal über die oberirdischen Lichtverhältnisse. (Bildquelle: © amenic181/Fotolia.com)