Verteidigen oder weiterwachsen?
Bei Schädlingsbefall entscheidet das der MEP-Stoffwechselweg
Pflanzen müssen ihre begrenzten Ressourcen immer wieder sinnvoll einsetzen. Bei Schädlingsbefall bremsen sie ihr Wachstum, um sich den Angreifern mit aller Kraft zur Wehr zu setzen. Doch wie wird das in der Pflanze gesteuert?
Es ist lange bekannt, dass Insektenschäden an Pflanzen die Abwehr hoch- und Wachstumsprozesse herunterregulieren. Bisher war aber nicht bekannt, was das Wachstum und die Kohlenstoffassimilation der Pflanze ausbremst. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena hat diese Frage jetzt beantwortet.
MEP-Stoffwechselweg reagiert auf Herbivoren
Die Hypothese des Teams: Bei Schädlingsbefall wird der Durchfluss im pflanzlichen Methylerythritolphosphatweg (MEP) reduziert. Denn der MEP-Weg liefert die Vorstufen für viele in der Photosynthese wichtige Metabolite wie Chlorophylle, Carotinoide, Plastochinone, Phyllochinone und Tocopherole. Seine Drosselung würde unweigerlich zu einer verringerten Kohlenstofffixierung und damit weniger Wachstum führen.
Ihre Vermutung überprüften sie durch simulierte Fraßschäden an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Dabei verglich das Team den MEP-Stoffwechsel bei mechanisch beschädigten Blätter, die entweder mit dem oralen Sekret der Raupe des Afrikanischen Baumwollblattwurms Spodoptera littoralis oder zur Kontrolle mit Wasser benetzt wurden.
Dessen erstes Intermediat ist 1-Desoxy-D-Xylulose-5-Phosphat (DXP), das von der DXP-Synthase (DXS) erzeugt wird. Sie steuert den Durchfluss des Stoffwechselweges und wird selbst sowohl transkriptional als auch durch ihre Substratverfügbarkeit reguliert. Da DXP aus Pyruvat und D-Glyceraldehyd-3-Phosphat entsteht, deren Synthese auch von der Kohlenstofffixierung der Photosynthese abhängen, verringerte sich erwartungsgemäß die Konzentration von DXP infolge der Blattverletzung – mit und ohne Raupensekret.
Unterschiedliche Effekte je nach Zwischenprodukt
Eine Überraschung erlebten die Fachleute jedoch, als sie den Durchfluss des MEP-Stoffwechselwegs maßen. Obwohl der DXP-Vorrat bereits bei rein mechanischer Beschädigung deutlich schrumpfte, veränderte sich der Durchfluss nur in den Blättern, die mit Insektensekret benetzt wurden. Die weitere Analyse zeigte, dass die Zahl der DXS-Transkripte sowohl infolge der Verletzung als auch durch den simulierten Herbivorenangriff gleichermaßen zurückging. Doch die Enzymaktivität von DXS war deutlich unterschiedlich: Sie reduzierte sich augenblicklich nach Sekretkontakt.
Photosynthese-Pigmente verringert
Auffällig war auch, dass die Synthese des Chloroplastenpigmentes Beta-Carotin überproportional um rund 40 Prozent einbrach – weit stärker als die Drosselung des MEP-Wegs vermuten ließ. Als Ursache dafür vermutete das Forschungsteam freie Sauerstoffradikale, die viele Pflanzenarten als Reaktion auf eine Verwundung produzieren. Die oxidative Spaltung von Beta-Carotin erzeugt unter anderem Beta-Cyclocitral. Der simulierte Herbivorenangriff führte in der Studie damit auch zur Akkumulation von Beta-Cyclocitral.
Behandelten die Forschenden unverletzte Pflanzen mit Beta-Cyclocitral, verringerten sich die Konzentrationen der MEP-Intermediate DXP, MEcDP, IDP und DMADP. Weitere Analysen ergaben, dass Beta-Cyclocitral die Menge an DXS-Transkripten verringert, nicht jedoch die Transkripte jener Gene weiter unten im MEP-Weg. Zusätzlich hemmt Beta-Cyclocitral das Enzym DXS, indem es die Bindungsstelle für einen wichtigen Cofaktor und damit die gesamte Katalyse blockiert.
Nicht zuletzt konnte das Forschungsteam zeigen, dass Beta-Cyclocitral auch direkt der Abwehr des Angreifers dient: Fraß die Mottenraupe von Pflanzen, die mit Beta-Cyclocitral behandelt waren, nahm sie deutlich weniger Gewicht zu. Die direkte Beimengung von Beta-Cyclocitral zum Futter hatte diesen Effekt nicht, sodass metabolische Veränderungen der Pflanze ursächlich für die schlechtere Ernährungssituation der Raupe sein mussten.
Ansatzpunkt für bessere Schädlingsresistenz
Beta-Cyclocitral ist damit – zumindest bei der Ackerschmalwand – ein wichtiges Signal für Verletzungen durch Herbivoren und führt zur Drosselung des MEP-Stoffwechselwegs und damit zur Abnahme des pflanzlichen Wachstums. Die eingesparte Energie verwendet die Pflanze stattdessen, um Abwehrmaßnahmen gegen den Angreifer zu starten. Für die Pflanzenzüchtungsforschung könnte diese Entdeckung ein Ansatzpunkt bieten, um die pflanzeneigene Schädlingsresistenz weiter zu optimieren.
Quelle:
Mitra, S. et al. (2021): Negative regulation of plastidial isoprenoid pathway by herbivore-induced β-cyclocitral in Arabidopsis thaliana. In: PNAS Vol. 118 No. 10, (4. März 2021), doi: 10.1073/pnas.2008747118.
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Titelbild: Wenn hungrige Raupen auftauchen, muss sich die Pflanze zur Wehr setzen. (Bildquelle: © SeifenBlase / Pixabay)