Frühblüher-Gerste

Eine kleine Mutation passt die Pflanze an steigende Temperaturen an

29.06.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Gerste gehört zu unseren wichtigsten Getreiden und wird als Lebensmittel und Tierfutter verwendet. Zudem spielt Gerste eine bedeutende Rolle in der Brauindustrie, da sie die Hauptzutat für die Herstellung von Bier ist. Bildquelle: © Frauke Riether / Pixab

Gerste gehört zu unseren wichtigsten Getreiden und wird als Lebensmittel und Tierfutter verwendet. Zudem spielt Gerste eine bedeutende Rolle in der Brauindustrie, da sie die Hauptzutat für die Herstellung von Bier ist. Bildquelle: © Frauke Riether / Pixab

Ein Forschungsteam konnte eine ungewöhnliche Variante des EARLY FLOWERING 3-Regulators (ELF3) identifizieren. Das codierende Gen stammt aus einer Wildgerste und das Genprodukt unterscheidet sich nur in einer Aminosäure vom ELF3 kultivierter Gerstenpflanzen. Kreuzungslinien mit dieser exotischen ELF-3-Variante blühten bis zu 18 Tagen früher als herkömmliche Sorten.

Es geht wieder mal um den Klimawandel und wie Kulturpflanzen sich daran anpassen können. Bei Gerste ist das problematisch, denn die genetische Vielfalt der heutigen Gerstensorten ist begrenzt – und damit auch die Fähigkeit, sich an die schnell steigenden Temperaturen aus eigener Kraft „zu gewöhnen“.

Regulator der zirkadianen Uhr

Doch einem Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist ein wichtiger genetischer Fund geglückt. Bereits bekannt war, dass EARLY FLOWERING 3 (ELF3) ein wichtiger pflanzlicher Regulator verschiedener physiologischer und entwicklungsbezogener Prozesse ist und damit grundsätzlich ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit von Pflanzen sein könnte. Der Regulator ist ein Bestandteil der zirkadianen Uhr - ein komplexes Netzwerk aus Genen und Proteinen, die in Pflanzen beispielsweise den Tag-Nacht-Rhythmus und physiologische Reaktionen auf den Wechsel der Jahreszeiten steuern.

Wildgersten mit ELF3-Genvariationen

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Frühblüher: Rechts wachsen Pflanzen mit der besonderen Genvariante - hier sind bereits Ähren zu sehen. Links herkömmliche Gerstenpflanzen, deren Entwicklung deutlich langsamer abläuft und bei denen noch keine Ähren sichtbar sind.

Frühblüher: Rechts wachsen Pflanzen mit der besonderen Genvariante - hier sind bereits Ähren zu sehen. Links herkömmliche Gerstenpflanzen, deren Entwicklung deutlich langsamer abläuft und bei denen noch keine Ähren sichtbar sind.

Bildquelle: © Tanja Zahn / Uni Halle

Das Forschungsteam kreuzte daher die etablierte Gerstensorte Barka mit verschiedenen Wildgersten, die natürlich vorkommende Varianten des ELF3-Gens besitzen. Bei Feld- und Gewächshausversuchen stellten die Wissenschaftler:innen dann fest, dass Pflanzen mit einer bestimmten ELF3-Genvariation sich deutlich schneller entwickelten: Im Gewächshaus blühten diese Pflanzen 18 Tage früher als herkömmliche Gerste, in Freilandversuchen immerhin noch vier Tage. Die Forscher:innen betonen, dass je nach Witterung auch nur vier Tage für den Ertrag von großer Bedeutung sein können, da die Pflanze so wichtige Stadien vor möglichen Schadereignissen abschließen könne.

Ein SNP macht den Unterschied

Die ELF3-Genvariante unterscheidet sich nur durch einen einzigen Nukleotid-Polymorphismus (SNP) vom ELF3-Gen der Sorte Barka. Dieser SNP verursacht eine Aminosäuresubstitution, die sich auf die Proteinstruktur von ELF3 auswirkt. Die Forscher:innen spekulieren, dass diese Modifikation das Phasentrennungsverhalten und die Bildung von Nanokompartimenten von ELF3 beeinflussen könnte – und damit möglicherweise auch seine lokalen zellulären Interaktionen.

Kein Einfluss auf Ertrag

Überrascht war das Team über das Ertragsniveau der Wildgersten-Kreuzung: "Häufig geht das Einkreuzen von natürlichen Variationen der Wildgerste mit einem Ertragsverlust einher. Bemerkenswerterweise konnten wir dies in unserer Studie nicht feststellen", so Andreas Maurer, Studienleiter vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU.  

Die Studienergebnisse sind daher sehr vielversprechend: Sie öffnen Züchter:innen das Tor, um klimaresilientere Gerstensorten zu erzeugen, die bereits vor einer eventuellen Trockenperiode blühen und Korn ansetzen.


Quelle:
Zahn, T. et al. (2023): „Novel exotic alleles of EARLY FLOWERING 3 determine plant development in barley.“ In: Journal of Experimental Botany (2023). doi: 10.1093/jxb/erad127

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Titelbild: Gerste gehört zu unseren wichtigsten Getreiden und wird als Lebensmittel und Tierfutter verwendet. Zudem spielt Gerste eine bedeutende Rolle in der Brauindustrie, da sie die Hauptzutat für die Herstellung von Bier ist. Bildquelle: © Frauke Riether / Pixabay)