Resistenz aus der Genbank
Ein neuer Mechanismus könnte die Virusresistenz der Wintergerste retten
Lange Zeit war es Züchtern gelungen, Wintergerste gegen das Gerstengelbmosaikvirus und das Milde Gerstenmosaikvirus zu verteidigen. Jetzt gerät diese Resistenz ins Wanken – doch ein Forschungsteam hat einen neuen Ansatz gefunden und erprobt.
Spätestens seit Covid-19 ist vielen Menschen klar: Wenn veränderte Varianten eines pathogenen Virus auftreten, muss die Abwehr schnell angepasst werden. Das gilt auch für die Wintergerste und Bymoviren. Insbesondere das Gerstengelbmosaikvirus (BaYMV) und das Milde Gerstenmosaikvirus (BaMMV) können in unseren Breitengraden im Herbst auf die jungen Keimlinge der Gerste übertragen werden. Sie erzeugen ein gelbes Mosaik auf den Blättern, verringern die Winterhärte und behindern im Frühjahr Wachstum und Bestockung. Auf befallenen Feldern kann sich der Ertrag dadurch halbieren.
Bestehende Resistenzmechanismen wiederholt durchbrochen
Die Pflanzenzüchtung hat dieses Problem früh erkannt und verstanden: Das pflanzliche Protein EIF4E dient den Viren dazu, ihre Proteine zu produzieren. Die EIF4E-Allele rym4 und rym5 vermitteln jedoch eine Resistenz gegen diesen Mechanismus. In die meisten der in Deutschland angebauten Kultivare der Wintergerste sind diese Allele daher eingekreuzt worden. Seit 2004 sind jedoch neue Virenstämme aufgetreten, die die rym5-vermittelte Resistenz durchbrechen. Auch die rym4-vermittelte Resistenz hat zuletzt ein Virus-Stamm „geknackt“. Noch haben diese Virusvarianten keine große Relevanz, doch es könnte nur eine Frage der Zeit sein, bis sie zu großflächigen Ernteverlusten bei Wintergerste führen.
Die Pflanzenforschung sucht daher seit Jahren nach neuen Ansätzen, um weiterhin eine Resistenz gegen das Gerstengelbmosaikvirus und das Milde Gerstenmosaikvirus aufrecht zu erhalten. Die Idee, EIF4E komplett auszuschalten, hat sich z war als erfolgreich hinsichtlich der Resistenz erwiesen, führte jedoch zu erheblichen Ertragseinbußen. Allerdings entdeckten Forschende in einer Landrasse und einem russischen Kultivar einen neuen Resistenzmechanismus, der sich später auf ein Knockout-Allel des Gens PROTEIN DISULFIDE ISOMERASE LIKE 5-1 (PDIL5-1) zurückführen ließ. Das Gen ist ein sogenannter Anfälligkeitsfaktor, den Viren nutzen, um sich im pflanzlichen Gewebe zu vermehren. In seiner ursprünglichen Funktion ist es daran beteiligt, Proteine in die richtige 3D-Struktur zu bringen.
Resistenzallele in Genbank entdeckt
Ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) hat daher die IPK-Genbank nach Landrassen durchsucht, die PDIL5-1-Allele tragen, welche eine Resistenz gegen die beiden Bymoviren vermitteln. In sieben Fällen wurden die Fachleute fündig. In sechs dieser Fälle führte die Mutation zum vollständigen Funktionsverlust des Gens, im siebten Fall lag eine Punktmutation vor. Allerdings waren die Genotypen dieser Landrassen so exotisch, dass sie für die klassische Züchtung eine große und langjährige Herausforderung dargestellt hätten. Daher erzeugte das Forschungsteam mittels der Genschere Cas9 ähnliche Allele im Wintergerstekultivar „Igri“ und im Frühjahrsgerstekultivar „Golden Promise“. Beide Kultivare sind anfällig für das Gerstengelbmosaikvirus und das Milde Gerstenmosaikvirus.
In der ersten Mutationsgeneration des Kultivars Igri fanden sich bereits zwei Mutanten, die homozygote Deletionen in der kodierenden Region des Zielgen trugen, allerdings auch noch die Cas9-T-DNA. Die erste Mutationsgeneration „Golden Promise“ war komplett heterozygot oder chimärisch. In der zweiten Generation wiesen jedoch beide Kultivare unter anderem transgenfreie homozygote Mutanten auf. Diese erwiesen sich – anders als heterozygote Mutanten – als resistent gegen aus dem Boden aufgenommene Milde Gerstenmosaikviren. Bei der Wintergerste bildeten die Mutanten im Gewächshaus vergleichbar viele und schwere Körner. Eine Mutation der Frühjahrsgerste besaß sogar ein erhöhtes Korngewicht. Damit liegen ideale isogene Linien vor, um in einem künftigen Forschungsprojekt die Mutationen im Feld- und Stresstest zu erproben.
Potenzielles Züchtungsziel auch für andere Nutzpflanzen
Weil PDIL5-1 ein evolutionär hoch konserviertes Protein ist, könnten Mutationen in der PDIL-Familie auch bei anderen Nutzpflanzen ein vielversprechendes Ziel sein, um Virusresistenzen zu erzeugen, mutmaßen die Projektbeteiligten. Unklar ist bislang jedoch, weshalb der Knock-out eines hoch konservierten Gens keine ersichtlichen Folgen für Pflanzenwachstum und -ertrag hat. Möglicherweise kompensiert eine andere Proteindisulfidisomerase den Ausfall. Offen ist außerdem, wie stabil dieser neue Resistenzmechanismus über die Zeit sein kann – denn die konkrete Wirkweise des Knock-outs auf die Virusinteraktion muss ebenfalls noch aufgeklärt werden.
Quelle:
Hoffie, R., et al. (2022): „Novel resistance to the Bymovirus BaMMV established by targeted mutagenesis of the PDIL5-1 susceptibility gene in barley“. In: Plant Biotechnology Journal, pp. 1-11 (2022). doi: 10.1111/pbi.13948.
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Titelbild: Noch sind die meisten Gerstensorten in Deutschland resistent gegen die relevanten Bymoviren – doch erste Viren haben die Resistenz durchbrochen. (Bildquelle: © NickPe/Pixabay; CC0)