Hitze: Das merk‘ ich mir!

Das Apikalmeristem kann sich an Hitzeereignisse „erinnern“

10.08.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dürre auf einem Maisfeld: Pflanzen, die sich an einen Hitzestress „erinnern“, kommen mit nachfolgenden Hitzeperioden besser zurecht. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

Dürre auf einem Maisfeld: Pflanzen, die sich an einen Hitzestress „erinnern“, kommen mit nachfolgenden Hitzeperioden besser zurecht. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)

Hitzeperioden lösen bei der Modellpflanze Acker-Schmalwand einen Memory-Effekt aus: Ihr Apikalmeristem stellt sich auf weitere Hitzeperioden ein und baut dazu einen vorsorglichen Schutz auf.

Hitze und Trockenheit werden in Zukunft immer stärker zum Problem in der Landwirtschaft. Die Suche nach angepassten Sorten wird daher immer wichtiger. Doch wie stellen sich Pflanzen auf molekularer Ebene auf Hitze ein? Das haben nun Forscher:innen des Institutes für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam und des Max-Planck-Institutes für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam näher untersucht.

„Wachstumsspitzen“: Das Apikalmeristem

Damit Pflanzen wachsen können, besitzen sie teilungsfähiges Gewebe, sogenannte Meristeme. Für das oberirdische Wachstum ist vor allem das Scheitel- oder Apikalmeristem an den äußeren Spitzen der Sprossachsen verantwortlich. Dieses Gewebe besteht aus undifferenzierten, teilungsfähigen Stammzellen, die noch keine spezielle Funktion haben: Aus ihnen können sich je nach Bedarf Sprosse, Blätter oder Blüten entwickeln. Meristemzellen enthalten keine Chloroplasten und sind daher von der Energieversorgung durch umgebende, ausdifferenzierte Zellen angewiesen.

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Die Acker-Schmalwand Arabidopsis thaliana diente als Versuchspflanze.

Die Acker-Schmalwand Arabidopsis thaliana diente als Versuchspflanze.

Bildquelle: © iStock.com / pkujiahe

„Fit for Heat“

Meristeme sind die Schaltzentralen für die Entwicklung einer Pflanze. Trotzdem ist bisher nur wenig darüber bekannt, wie sie auf Stress-Situationen wie starke Hitze reagieren. Um dazu mehr zu erfahren, setzten die Forscher:innen Versuchspflanzen der Art Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) unterschiedlichen Temperaturbedingungen aus:

  • Pflanzen der Versuchsgruppe P/T wurden in zwei Stufen höheren Temperaturen ausgesetzt. Das erste Mal zum „Gewöhnen“ bei 37 Grad Celsius und nach einer kurzen Pause nochmal bei 44 Grad Celsius („Priming“-Behandlung). Nach drei Tagen Erholungszeit gab es dann noch eine starke Hitzebehandlung bei 44 Grad Celsius.
  • Die Pflanzen der Gruppe P wurden nur der „Priming“-Behandlung unterzogen.
  • Pflanzen der T-Gruppe hingegen erhielten ohne ein Priming sofort eine starke Hitzebehandlung bei 44 Grad Celsius.

Pflanzen der P-Gruppe wuchsen nach der moderaten Hitzebehandlung etwa gleich schnell wie Pflanzen ohne jeglichen Hitzestress. Innerhalb der P/T-Gruppe stagnierte das Wachstum nach dem starken Hitzestress für einige Tage und kehrte dann auf Normalwerte zurück. Doch die Pflanzen der T-Gruppe stellten nach dem einmaligen starken Hitzestress das Wachstum ein und starben innerhalb weniger Tage ab. Somit war klar, dass eine moderate Hitzevorbehandlung die Pflanzen dazu in die Lage versetzt, sich auf kommende Hitzewellen gut vorzubereiten.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich die Spross- und Blütenentwicklung in der P-Gruppe um zwei Tage verzögerte, in der P/T-Gruppe sogar um fünf Tage. Die Forscher:innen deuten diese Verzögerung als Anpassungsprozess: Dadurch reduziert sich das Risiko, dass Pflanzen in einer heißen Periode auch noch Blüten und Früchte bilden müssen.

Memory-Gene als Hilfe bei Stress

Über RNA-Sequenzierung versuchten die Wissenschaftler:innen, die genetischen Vorgänge unter Hitzestress im Apikalmeristem zu verstehen. Sie entdeckten, dass sich nach dem Priming die Genexpression in den P-Pflanzen stark veränderte: Nach vier Stunden wurden 1.175 Gene verstärkt oder vermindert exprimiert, nach acht Stunden waren es 780 Gene und nach 48 Stunden noch 203 Gene. Nach 78 Stunden konnten keine Unterschiede mehr in der Genexpression zwischen P- und Kontrollpflanzen beobachtet werden.

Bei den P/T-Pflanzen fand das Forscherteam schon 24 Stunden nach dem starken Hitzestress nur noch ein Gen, dass im Vergleich zu den Kontrollpflanzen eine andere Expressionsrate aufwies. Die Forscher:innen ziehen daraus den Schluss, dass das vorangegangene Priming die P/T-Pflanzen in die Lage versetzt, starken Hitzestress auf genetischer Ebene schneller zu kompensieren. In den T-Pflanzen dagegen wurden auch 24 Stunden nach dem starken Hitzeereignis noch bis zu 2.000 Gene verstärkt oder vermindert exprimiert.

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Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana konnte sich durch „Priming“ an Hitzestress anpassen. Links: Arabidopsis-Keimlinge mit Priming bei moderaten Temperaturen und folgendem Hitzestress (44°C) / Rechts: Keimlinge nach Hitzestress ohne Priming.

Die Modellpflanze Arabidopsis thaliana konnte sich durch „Priming“ an Hitzestress anpassen. Links: Arabidopsis-Keimlinge mit Priming bei moderaten Temperaturen und folgendem Hitzestress (44°C) / Rechts: Keimlinge nach Hitzestress ohne Priming.

Bildquelle: © Justyna Jadwiga Olas, Universität Potsdam

Eigene Genregulation unter Hitzestress

Die Forscher:innen vermuteten daher, dass bestimmte Gene eine Art molekulare Erinnerung an vorangegangenen Hitzestress aufbauen. Sie suchten daher nach sogenannten Memory-Genen, die besonders nach einem zweiten Hitzestress verstärkt oder vermindert exprimiert wurden. In einer Expressionsanalyse verglichen sie die Genaktivitäten der P-Gruppe mit denen der P/T-Gruppe. Insgesamt identifizierten sie bei P/T-Pflanzen schließlich 54 Gene, die sehr stark expremiert wurden und drei Gene, deren Expressionsrate sehr reduziert war.

Zu den identifizierten Memory-Genen gehören unter anderem:

  • die Stammzellen-Regulatoren CLAVATA1 (CLV1) und CLV3, die Ausdifferenzierung und Wachstum im Meristem regulieren,
  • das Hitzeprotein HSP17.6A, das andere Proteine vor Hitze schützt,
  • die Fruktose-Bisphosphat-Aldolase 6 (FBA6), die bei Hitze aktiviert wird, um die Glykolyse aufrecht zu erhalten, sowie
  • ein Transkriptionsfaktor (Heat Shock Transcription Factor A2A oder kurz HSFA2A).

Hitzeschutz ist energieabhängig

Die Wissenschaftler:innen konnten auch zeigen, dass insbesondere dem Zuckerstoffwechsel eine wichtige Funktion bei den Anpassungsprozessen gegen Hitze zukommt. Denn der Stärkegehalt in den P-Pflanzen sank nach dem Priming zunächst ab, stieg aber nach drei Tagen auf höhere Werte als in den Kontrollpflanzen. In den P/T-Pflanzen lag die Konzentration an Stärke und löslichen Zuckern bereits eine halbe Stunde nach dem starken Hitzestress höher als in den P-Pflanzen nach drei Tagen. Die Pflanzen reagierten also nach starkem Hitzestress mit einer schnelleren Auffüllung des Stärkespeichers.

Die Forscher:innen vermuten, dass die Pflanzen nach dem Priming zunächst viel Energie aus ihren Zuckervorräten für die Anpassungen an den Hitzestress verbrauchen. Anschließend werden Kohlenhydrat-Reserven angelegt, um bei erneutem Stress schneller reagieren und Schäden reparieren zu können.

Wegweisend für die Züchtung

Die Studie konnte so belegen, dass das Apikalmeristem durch „molekulare Erinnerung“ an vorangegangene Stresssituationen besser mit extremen Umweltbedingungen zurechtkommt. „Es wurde deutlich, dass aufgrund des Hitzegedächtnisses ein zweiter, stärkerer Stress das Pflanzenwachstum nur verzögert, aber nicht langfristig hemmt“, erläutert Studienleiter Müller-Röber.

Auch wenn die genauen Mechanismen noch im Detail zu erforschen sind, ist damit eine Tür für die Züchtung aufgestoßen worden: Bei Nutzpflanzen könnte das „Hitzegedächtnisses“ optimiert werden, um sie auf den Klimawandel möglichst gut vorzubereiten.


Quelle:
Olas, J.J. et al. (2021): Primary carbohydrate metabolism genes paricipate in gene stress memory at the shoot apical meristem of Arabidopsis thaliana. In: Molecular Plant, (26. Mai 2021), doi: 10.1016/j.molp.2021.05.024.

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Titelbild: Dürre auf einem Maisfeld: Pflanzen, die sich an einen Hitzestress „erinnern“, kommen mit nachfolgenden Hitzeperioden besser zurecht. (Bildquelle: © Couleur / Pixabay)