Fallobst in trockenen Zeiten

Ein Peptidhormon steuert den stressbedingten Abwurf von Blüten und Früchten

06.04.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Tomatenblüten. (Bildquelle: © Denise / pixelio.de)

Tomatenblüten. (Bildquelle: © Denise / pixelio.de)

Pflanzen bilden nur so viele Blüten und Früchte aus, wie sie versorgen können. Bei Trocken- oder Hitzestress werfen sie daher vorzeitig überzählige Blüten oder unreife Früchte ab. Gesteuert wird dieser Vorgang bei Tomaten von dem Peptidhormon Phytosulfokin (PSK), so eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim. Ließe sich durch gezielte Deaktivierung dieses Hormons die Erntemenge steigern?

Nur wer sich fortpflanzt, dessen Art wird überleben. Pflanzen investieren daher auch bei widrigen Umweltbedingungen noch Energie, Wasser und Nährstoffe in die Ausbildung von Blüten und Früchten. Sie stecken bei moderatem Stress sogar überproportional viele Ressourcen in ihre Fortpflanzungsorgane. Doch nur bis zu einem gewissen Punkt. Wenn sich abzeichnet, dass sie die bereits angelegten Blüten oder unreifen Früchte nicht mehr alle ernähren können, werfen sie einige davon gezielt ab.

Wer einen Apfelbaum hat, kennt das Phänomen aus dem eigenen Garten: „Im Juni fallen oft viele kleine Äpfel herunter. Nur die Verbleibenden reifen zu vollen, schönen Früchten heran“, sagt Andreas Schaller, Professor für Physiologie und Biochemie der Pflanzen an der Universität Hohenheim. Bisher war unklar, wodurch dieser Abszissionsprozess bei Trockenstress ausgelöst wird. Gemeinsam mit Kollegen hat Schaller jetzt herausgefunden, dass bei Tomatenpflanzen das Peptidhormon Phytosulfokin (PSK) den Anstoß dafür gibt.

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Tomatenpflanzen bilden nur so viele Früchte aus, wie sie auch versorgen können. Alle anderen werden vorzeitig abgeworfen.

Tomatenpflanzen bilden nur so viele Früchte aus, wie sie auch versorgen können. Alle anderen werden vorzeitig abgeworfen.

Bildquelle: © Universität Hohenheim

PSK führt zur Auflösung der Zellwand

„Unsere Versuche haben gezeigt, dass PSK durch das Enzym Phytaspase 2 (SlPhyt2) freigesetzt wird“, sagt Schaller. Transgene Tomatenpflanzen, die mehr SlPhyt2 bildeten, warfen bei Trockenstress 20 Prozent mehr Blüten ab als Wildtyp-Pflanzen. Transgene Pflanzen ohne SlPhyt2 hingegen zeigten eine um 20 Prozent verminderte Abzissionsrate und bildeten demzufolge auch mehr Früchte aus.

Bisher war PSK für seine Rolle bei der Regulation des Zellwachstums und der pflanzlichen Immunantwort bekannt. Jetzt kommt ihm also noch eine weitere Aufgabe zu: Es bewirkt im Trenngewebe des Blütenstils, der sogenannten Abszissionszone, dass sich die Zellwände auflösen und die Blüten herunterfallen.

Mehr Ertrag durch Knock-out von SlPhyt2

Für Wildpflanzen ist dieser Mechanismus überlebenswichtig. Bei Kulturpflanzen jedoch, die während der Fruchtreife optimal mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden, führt er zu verminderten Erträgen, wenn die Pflanzen während kurzer Trockenperioden bereits Blüten oder Fruchtansätze abgeworfen haben. Verringert man die Abwurfrate durch Knock-out von SlPhyt2, könnte man dadurch vielleicht die Erträge steigern. Allerdings ist bisher noch nicht klar, ob andere Pflanzen außer Tomate ebenfalls PSK zur stressinduzierten Abszission nutzen.

Das PSK-Peptidhormon und das dazugehörige Phytaspase-Enzym sind zumindest weit verbreitet. Besonders viele unterschiedliche Phytaspasen findet man hingegen nur bei einigen Pflanzenfamilien, darunter Nachtschattengewächse (Solanaceae) mit ihren prominenten Vertretern Tomate, Kartoffel und Tabak, aber auch Hülsenfrüchtler (Fabaceae) oder Lippenblütler (Lamiaceae).

Nutzen anderen Pflanzen den gleichen Mechanismus?

Bei der Tomate sind bisher zwölf Phytaspasen bekannt. „Es könnte sein, dass manche Pflanzen im Laufe der Evolution 'gelernt' haben, den PSK-Signalweg für ihre ganz spezifischen Zwecke einzusetzen, wie zum Beispiel die stressinduzierte Abszission“, erklärt Schaller.

Dafür brauchen sie spezifische Phytaspasen, die das Peptid genau im richtigen Gewebe und zur richtigen Zeit freisetzen. „Das würde die Expansion der Phytaspasen in manchen Familien im Vergleich zu anderen erklären“, so Schaller. Der experimentelle Beweis für diese These steht noch aus.


Quelle:
Reichardt, S. et al. (2020): Peptide signaling for drought-induced tomato flower drop. In: Science, (27. März 2020), doi: 10.1126/science.aaz5641.

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Titelbild: Tomatenblüten. (Bildquelle: © Denise / pixelio.de)