„Klimaschutz“ durch Wurzelendophyt

Ein Bakterium aus der Wüste vermindert Ertragsverluste bei Hitze

15.04.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Weizenpflanzen müssen zunehmend mit heißen Perioden zurechtkommen. (Bildquelle: © Bruno /Germany / Pixabay)

Weizenpflanzen müssen zunehmend mit heißen Perioden zurechtkommen. (Bildquelle: © Bruno /Germany / Pixabay)

Nahrungspflanzen eine ausreichende Hitzetoleranz anzuzüchten, erweist sich bislang als große Herausforderung. Doch es geht vielleicht auch ganz anders: Durch eine künstliche Besiedelung des Wurzelraums mit einem bestimmten Enterobacter-Stamm.

Wenn es einen Indikator gibt, an dem sich klar erkennen lässt, dass auch Deutschland bereits von den ersten Auswirkungen der Klimakrise erfasst wird, dann sind das die Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre. Wälder und landwirtschaftliche Produktion haben davon massive Schäden erlitten. Während in den Wäldern die Aufforstung mit dürretoleranteren Arten schon begonnen hat, suchen Landwirtschaft und Pflanzenzucht noch händeringend nach Wegen, hitzebedingte Ertragsverluste zu verhindern.

Zwar lässt sich mit aufwändigen gentechnischen Methoden die Hitzetoleranz mancher Pflanzen verbessern. Doch was im Labor funktioniert, ist auf dem Feld noch längst nicht tauglich. Ein internationales Forschungsteam hat nun für Weizen einen gänzlich neuen Ansatz aufgezeigt. Die WissenschaftlerInnen sind davon überzeugt, dass ihre Methode zügig Eingang in die landwirtschaftliche Praxis finden könnte.

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Das Hitze-Priming ist am Beispiel der Modellpflanze Ackerschmalwand inzwischen recht gut verstanden.

Das Hitze-Priming ist am Beispiel der Modellpflanze Ackerschmalwand inzwischen recht gut verstanden.

Bildquelle: © iStock.com/pkujiahe

Hitzeprägung funktioniert primär im Labor

Erhöhte Temperaturen schädigen die Zellen von Pflanzen: Die zelluläre Organisation bricht zusammen und das Wachstum wird eingestellt. In unterschiedlichem Maße verfügen Pflanzen über eine „angeborene“ Hitzetoleranz. Daneben gibt es noch eine erworbene Hitzetoleranz, die auf das sogenannte Hitze-Priming zurückgeht: Kurzen und milden Hitzestress „merken“ sich die Pflanzen, sie haben eine Art von Stressgedächtnis. Sind später die Pflanzen starkem Hitzestress ausgesetzt, können sie auf molekularer Ebene schneller Gegenmaßnahmen ergreifen. Das Prinzip ähnelt dem einer Impfung.

Das Hitze-Priming ist am Beispiel der Modellpflanze Ackerschmalwand inzwischen recht gut verstanden. Der Hitzeschockfaktor A2 (HSFA2) bindet kurzzeitig an die Promotor-Region der Hitzestressgedächtnisgene APX2 und HSP18.2, wodurch die Aminosäure Lysin 4 auf dem Histon H3 di- und trimethyliert wird. Tritt erneut Hitzestress auf, werden die beiden Gene infolge der veränderten Chromatinstruktur hyperaktiv transkribiert.

Wurzelbakterien schützen Weizen bei Hitze

Es gibt jedoch noch einen zweiten Weg, wie Pflanzen gegen Hitze „geimpft“ werden könnten: Die Kooperation mit nützlichen Mikroorganismen. In den Wurzelknöllchen der Wüstenpflanze Indigofera argentea lebt die Enterobacter-Art SA187. Werden die Wurzeln von Weizenpflanzen mit diesem Bakterium besiedelt, überstehen diese im Labor zwei Stunden bei 44 °C unbeschadet, während unbesiedelte Pflanzen Blattschäden zeigen und das Wachstum einstellen.

Der gleiche Effekt zeigte sich im Feldversuch, bei dem SA187-behandelter Weizen über drei Anbauperioden in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei wenig Regen und Temperaturen bis zu 42 °C kultiviert wurde. Im Vergleich mit unbehandeltem Weizen waren die besiedelten Pflanzen 10 bis 14 Prozent größer, hatten 22 Prozent mehr Samen und erbrachten zwischen 20 und 40 Prozent mehr Ertrag – durchschnittlich 2,6 Tonnen pro Hektar.

Ähnliche Effekte durch das Bakterium beobachteten die Forschenden auch bei der Modellpflanze Ackerschmalwand. Die molekularen Prozesse hinter diesem Hitzeschutz hat das Team jetzt näher untersucht.

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Bestimmte Wurzelendophyten könnten Weizen künftig Schutz bei Hitze bieten.

Bestimmte Wurzelendophyten könnten Weizen künftig Schutz bei Hitze bieten.

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Zunächst stellte sich heraus, dass die Wirkung in ihrem Ausmaß vergleichbar ist mit dem des bekannten Hitze-Primings. Die SA187-Besiedelung führt bei Hitzestress zu einer veränderten Aktivität bei 2.130 pflanzlichen Genen. Es steigen insbesondere die Transkriptionsraten für Gene, die für pflanzliche Abwehrreaktionen, für die Ionenhomöostase, Redox-Reaktionen und für die Signalketten des Hormons Ethylen verantwortlich sind. Nur in Pflanzen ohne SA187-Besiedelung sanken bei hohen Temperaturen die Genaktivitäten im Bereich der RNA-Biosynthese und der Signalketten des Hormons Auxin – ein Zeichen von verminderten Wachstumsaktivitäten.

Regulatorische Grundlagen aufgeklärt

Rund drei Viertel der veränderten Genaktivitäten bei SA187-Besiedelung deckten sich mit jenen, die auch durch das Hitze-Priming ausgelöst werden. Weitere Analysen lieferten später die Erklärung: SA187 und das Hitze-Priming wirken beide über den Hitzeschockfaktor A2. Während jedoch das Hitze-Priming von den Transkriptionsfaktoren HSFA1A, B, D und E abhängt, erfolgt die Hitzetoleranz durch SA187 über den Ethylensignalweg und den Transkriptionsfaktor EIN3. Ein weiterer Beleg für die Bedeutung des Ethylens erbrachten die Forschenden, indem sie auch durch die Verabreichung der Ethylenvorstufe 1-Aminocyclopropan-1-Carboxylsäure die Hitzetoleranz der Pflanzen verbessern konnten.

Abschließend prüften die WissenschaftlerInnen für den Weizen, ob die Besiedelung der Wurzeln durch SA187 einen negativen Einfluss auf die Wurzelmikrobiota hat. Der scheint jedoch vernachlässigbar: Zwar wich die taxonomische Verteilung und Häufigkeit einzelner Stämme etwas ab, doch die grundlegende Zusammensetzung der Mikroorganismengesellschaft veränderte sich nicht signifikant. Damit dürfte einer baldigen Anwendung in der Landwirtschaft wenig im Wege stehen – oder mit den Worten der StudienautorInnen: „SA187 macht die Pflanzen ohne jede weitere Behandlung dauerhaft hitzeresistent. Wurzelendophyten sind somit ein mächtiges Werkzeug, um die Getreideproduktion unter den ungünstigen Bedingungen der globalen Erwärmung aufrecht zu erhalten.“


Quelle:
Shekhawat, K. et al. (2021): Root endophyte induced plant thermotolerance by constitutive chromatin modification at heat stress memory gene loci. In: EMBO Reports 2021, 22: e51049, (10. Januar 2021), doi: 10.15252/embr.202051049.

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Titelbild: Weizenpflanzen müssen zunehmend mit heißen Perioden zurechtkommen. (Bildquelle: © Bruno /Germany / Pixabay)