„Junge Agrarwissenschaftler sind gefragt“

Interview mit Ulrike Beukert

26.05.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Doktorandin Ulrike Beukert sieht vielfältige Karriereoptionen für junge Agrarwissenschaftler. (Bildquelle: © Fam. Beukert)

Die Doktorandin Ulrike Beukert sieht vielfältige Karriereoptionen für junge Agrarwissenschaftler. (Bildquelle: © Fam. Beukert)

Ulrike Beukert ist Doktorandin am Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. Sie erforscht die genetische Vielfalt von Weizen, um pilzresistente Pflanzen gewinnen zu können. Dabei bringt sie auch ihre Erfahrungen aus der landwirtschaftlichen Praxis ein.

Im Interview gibt Ulrike Beukert Einblicke in ihre Arbeit und in das Zusammenspiel von Pflanzenforschung und Landwirtschaft. Sie spricht über Vorurteile und Herausforderungen, mit denen Landwirte kämpfen, und über die sehr guten Karriereperspektiven junger Agrarforschender.  

Pflanzenforschung.de: Frau Beukert, Sie sind Doktorandin im Projekt GeneBank2.0. Was ist das Ziel des Projekts?

Ulrike Beukert: Im Mittelpunkt steht die Weizensammlung der Genbank am IPK Gatersleben, die aus ca. 9.700 Winterweizenakzessionen und 9.500 verschiedenen Sommerweizengenotypen besteht. Sie repräsentiert einen großen Anteil der gesamten Biodiversität im Weizen und ist von unschätzbarem Wert für die Züchtung neuer Sorten mit verbesserten Eigenschaften.

Die Grundlage für eine Nutzung des Genbankmaterials in der Pflanzenzüchtung ist dessen genaue und einheitliche Charakterisierung. Am Projekt sind viele verschiedene Arbeitsgruppen beteiligt, um besonders wichtige Eigenschaften für den aktuellen und zukünftigen Weizenanbau zu untersuchen. Dazu zählen beispielsweise Kombinationseignung zur Hybridproduktion, Ertragsmerkmale, Stickstoffeffizienz und Krankheitsresistenzen gegenüber Mehltau sowie Braun- und Gelbrost.

Pflanzenforschung.de: Worum geht es in Ihrem Teil der Arbeit?

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Neben dem Einsatz moderner Hochdurchsatztechnologien fällt auch eine Menge Handarbeit im Labor an.

Neben dem Einsatz moderner Hochdurchsatztechnologien fällt auch eine Menge Handarbeit im Labor an.

Bildquelle: © Anna Marthe

Ulrike Beukert: Wir suchen nach neuen Braun- und Gelbrostresistenzen. Dazu muss man wissen, dass Braun- und Gelbrostbefall große Ertrags- und Qualitätsverluste im Weizenanbau verursachen. Da sich die pilzlichen Erreger ständig weiterentwickeln, steigt mit zunehmender Anbauzeit einer Sorte auch die Gefahr, dass deren Resistenz durchbrochen wird. Indem man verschiedene Resistenzen kombiniert, kann man dem entgegenwirken. Deshalb wird nach neuen Resistenzen gesucht, die Züchter dann in neue Sorten einbringen können.

Konkret heißt das: Wir fahnden nach noch unbekannte Resistenzgenen in den Pflanzen der Genbank. Dazu betrachten wir zuerst im Gewächshaus die Anfälligkeit aller 9.700 Winterweizenakzessionen, die wir mit den verschiedenen Rostkrankheiten inokulieren. Mit robotergestützten Blattsegmenttests bestimmen wir dann sehr effektiv und genau den prozentualen Blattbefall. Die gewonnenen Daten werden mit genomischen Informationen der einzelnen Akzessionen kombiniert. Dadurch können neue Resistenzgene identifiziert und genau beschrieben werden.

Pflanzenforschung.de: Wo liegen die Herausforderungen in dem Projekt?

Ulrike Beukert: Aufgrund der riesigen Menge an zu untersuchenden Genotypen arbeiten wir diese gestaffelt und im Hochdurchsatz ab. Für Außenstehende erstaunlich ist, dass immer noch ein großes Maß an Handarbeit besonders zur Vor- und Nachbereitung der Versuche nötig ist. Da die Zeit immer ein beschränkender Faktor ist, ist es besonders wichtig, einen genau getakteten Arbeitsplan sowie motivierte und verlässliche Mitstreiter zu haben. Ich bin sehr froh, dass mir beides zur Verfügung steht.

Eine weitere Herausforderung ist es, die immer gleichen Versuchsbedingungen über den gesamten Jahresverlauf zu gewährleisten. Im Gewächshaus ist es besonders im Sommer schwierig, die optimalen Licht- und Temperatureinstellungen einzuhalten und über einen langen Zeitraum die Pflanzen so zu inokulieren, dass die Befallsaktivität konstant ist. Dafür geben wir stets unser Bestes.

Weiterhin arbeiten wir mit Jungpflanzen und möchten mit den Befallswerten von sieben Blattabschnitten á drei Zentimeter Länge Aussagen über die zu erwartenden Resistenzeigenschaften von erwachsenen Ganzpflanzen im Feld treffen. Um die Übertragbarkeit der Ergebnisse abzusichern, prüfen wir bestimmte Akzessionen zusätzlich noch unter Feldbedingungen. Es gibt also ganz vielfältige Herausforderungen, aber das ist ja völlig normal im Leben.

Pflanzenforschung.de: Welche Fortschritte konnten Sie und das Projekt-Team bisher erreichen?

Ulrike Beukert: Zu Beginn der Arbeiten sahen wir uns mit vielen neuen Herausforderungen konfrontiert. Daher bin ich sehr stolz, dass wir uns gut eingearbeitet haben und grundlegende Probleme lösen konnten. So konnten wir die sich wiederholenden Arbeitsabläufe bei unseren Experimenten gut standardisieren, um immer vergleichbare Versuchsbedingungen zu haben.

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Gefürchtete Krankheitserreger: Pilze wie der Gelbrost verursachen hohe Ernte- und Qualitätsverluste bei Weizen.

Gefürchtete Krankheitserreger: Pilze wie der Gelbrost verursachen hohe Ernte- und Qualitätsverluste bei Weizen.

Bildquelle: © Mary Burrows, Montana State University, Bugwood.org, CC BY 3.0

Auch haben wir das robotergestützte optische Phänotypisierungssystem erfolgreich zum Laufen gebracht, mit dem wir den Braun- und Gelbrostbefall messen. Trotz einiger ungeplanter Verzögerungen konnten wir alle 9.700 Winterweizenakzessionen auf ihre Braun- und Gelbrostanfälligkeit untersuchen. Die detaillierte Auswertung der Ergebnisse läuft noch, aber wir konnten bereits einige resistente Genotypen identifiziert. Die stehen nun für tiefgreifendere Untersuchungen bereit.

Weiterhin betreuten wir nebenher die Feldversuche und haben trotz der enorm herausfordernden Witterungsverhältnisse der letzten Jahre brauchbare Boniturergebnisse. Für mich ist es ein Erfolg, dass wir diese vielfältigen und zum Teil anstrengenden Aufgaben in den ersten drei Jahren mit den nur zwei vorgesehenen Arbeitskräften ordentlich umsetzen konnten.

Pflanzenforschung.de: Was hat Sie dazu bewogen, Pflanzenforscherin zu werden?

Ulrike Beukert: Ich bin eher ein Mensch, der sich auf wichtige Entscheidungen in unmittelbarer zeitlicher Nähe konzentriert. Konkrete Wünsche für die entferntere Zukunft kann ich nur schwer im Vorfeld formulieren. Insofern bin ich da Schritt für Schritt irgendwie hineingeraten.

Da ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsenen bin, habe ich früh starkes Interesse für die Pflanzenzüchtung entwickelt und dieses in Schulpraktika, Ferienarbeit sowie im Studium vertieft. Ich habe nie den Spaß daran verloren und es gefällt mir, tiefer in spezielle Problemstellungen einzutauchen. Außerdem liegt es mir, mich besonderen Herausforderungen zu stellen und ich entwickle große Motivation bei deren Lösung. Es macht Freude sich weiterzuentwickeln und auch persönlich zu wachsen.

Pflanzenforschung.de: Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wie nehmen Sie den Einfluss der Pflanzenforschung für die landwirtschaftliche Praxis wahr?

Ulrike Beukert: In landwirtschaftlichen Betrieben geht es vordergründig um Wirtschaftlichkeit aus dem ganz einfachen Grund der Existenzerhaltung. Dabei setzt ein erfolgreiches Wirtschaften voraus, dass jede nutzbringende Form von Fortschritt und Innovation in allen wichtigen Bereichen eingesetzt wird. Nach meinem Eindruck sind die erfolgreichen Landwirte sehr zukunftsorientiert und fortschrittlich eingestellt und setzen sich ständig mit Neuerungen auseinander. Jeden Winter gibt es Schulungen und den regen Austausch von Forschung und Praxis.

Ich bin überzeugt, dass die Pflanzenforschung sehr wichtig ist und viele Erkenntnisse daraus die Landwirtschaft voranbringen. Abhängig von Thematik und Problemstellung kann jedoch viel Zeit verstreichen, bis Forschungsergebnisse der Landwirtschaft zugutekommen.

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Ulrike Beukert ist auf einem Bauernhof  aufgewachsen und bringt auch ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse in ihre Forschung ein.

Ulrike Beukert ist auf einem Bauernhof  aufgewachsen und bringt auch ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse in ihre Forschung ein.

Bildquelle: © Fam. Beukert

Als Beispiel fällt mir die langwierige Züchtung neuer Sorten ein, die innerhalb der Landessortenversuche für den regionalen Anbau evaluiert werden. Oder die noch gezieltere Anwendung von Düngung und Pflanzenschutz. Hier sehen wir aber schon vielversprechende Lösungsansätze und ich gehe davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.

Pflanzenforschung.de: Inwiefern können Sie andersherum Ihre Erfahrungen aus der Landwirtschaft in Ihre Forschung mit einbringen?

Ulrike Beukert: Für mich ist es immer wieder erfrischend und enorm vielfältig mit der Familie über das aktuelle Geschehen auf dem Feld sowie an anderen Schauplätzen zu diskutieren. Es öffnet meinen Blick fürs große Ganze. Im Gegensatz zu spezialisierten Forschern sind Landwirte eher Allrounder und müssen sich in vielen Fachgebieten zurechtfinden. Die direkte Rückkopplung ist sehr interessant und hilfreich für mich. Es fördert mein Grundverständnis vom pflanzlichen System und hat mir schon das ein oder andere Mal bei der Versuchsplanung geholfen.

Pflanzenforschung.de: Welches sind Ihrer Ansicht nach die momentan größten Herausforderungen, mit denen Menschen aus der Landwirtschaft konfrontiert sind?

Ulrike Beukert: Die größte Belastung ist meiner Ansicht nach das Fehlen von Wertschätzung und Verständnis in der breiten Bevölkerung. Dass der dümmste Bauer die dicksten Kartoffeln erntet und detaillierte Fachkenntnisse nicht nötig sind, ist ein Trugschluss. Während meines Studiums war es keine Seltenheit, dass man von anderen Fachrichtungen oder den alten Schulkameraden belächelt wurde. Viele wissen schlichtweg nicht, welche vielfältigen Karrierewege man mit einem abgeschlossenem Agrarwissenschaftsstudium einschlagen kann.

Fehlendes Verständnis ist für mich alltäglich wahrnehmbar. Das beginnt beim Preiskampf der Lebensmittelbranche, zieht sich über unsachliche Darstellungen in den Medien oder sich schnell formierende, wütende Bürgerinitiativen und endet dann beim wild schimpfenden Autofahrer in der Erntezeit.

Ein völlig anderer Punkt ist die dauerhafte Wetterabhängigkeit. Kein Jahr ist wie das andere und es gilt stets neue Probleme zu meistern. Da müssen schnell die richtigen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Das ist nicht einfach, weil eben auch Existenzen und Arbeitsplätze davon abhängen. Ich bin sehr gespannt, inwieweit diese Thematik die Zukunft beeinflussen wird und wie sich die Landwirtschaft damit auseinandersetzt.

Pflanzenforschung.de: Sie nehmen auch an der PLANT 2030 ACADEMY teil. Inwiefern unterstützen die Angebote der PLANT 2030 ACADEMY Sie?

Ulrike Beukert: Ich hatte das Glück, dass der ACADEMY-Start zeitgleich mit dem Antritt meiner Stelle stattfand, sodass ich von Anfang an von den Angeboten profitieren konnte. Zu Beginn war es eine sehr hilfreiche Unterstützung, um sich in dieser neuen Umgebung zurechtzufinden. Als besonders angenehm habe ich die Vernetzung und den Austausch mit anderen Doktoranden empfunden.

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In der PLANT 2030 ACADEMY nutzt Ulrike Beukert die vielfältigen Angebote zur Weiterbildung und zum Austausch.

In der PLANT 2030 ACADEMY nutzt Ulrike Beukert die vielfältigen Angebote zur Weiterbildung und zum Austausch.

Bildquelle: © Matthias Arlt/PLANT 2030

Am meisten habe ich von den Online-Kursen profitiert, da sie mir Anleitungen zu grundlegenden Dingen im wissenschaftlichen Alltag gaben, die woanders nicht angeboten wurden. Auch war sehr gut, dass ich die Kurse problemlos in meinen Arbeitsalltag integrieren konnte. An den Exkursionen nehme ich gerne teil, weil sie mir spannende Einblicke in fremde Bereiche bieten oder mein bestehendes Wissen ergänzen. Die Eröffnung neuer Möglichkeiten und die Vernetzung mit anderen Menschen sind dabei erfreuliche Nebeneffekte.

Pflanzenforschung.de: Welche Aktivitäten sind für Sie besonders interessant?

Ulrike Beukert: Besonders spannend finde ich den praktischen Bezug, also für mich den Einblick in die Züchtung und speziell den Austausch mit der Resistenzzüchtung. Am besten hat mir die Summer School zur Phänotypisierung gefallen und mich fachlich richtig weitergebracht. Auch für meine praktische Arbeit konnte ich das gut gebrauchen.

Außerdem interessieren mich natürlich die vielfältigen Karrieremöglichkeiten in der Branche. Positive Erfahrungen habe ich auch mit den Online-Angeboten zu Grundlagen des wissenschaftlichen Alltags gemacht. Kurse zum Poster- und Grafikdesign sowie zu statistischen Grundlagen oder einer sinnvollen Versuchsplanung interessieren mich.

Pflanzenforschung.de: Wie schätzen Sie allgemein die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses ein?

Ulrike Beukert: Ich empfinde die Situation gerade als sehr günstig. Speziell in unserer Umgebung gibt es viele Forschungseinrichtungen und Züchtungsfirmen, die Karrieremöglichkeiten bieten. Generell habe ich den Eindruck, dass ein Generationswechsel bevorsteht und viele Stellen in nächster Zeit mit ambitionierten Nachfolgern besetzt werden müssen. Diese Wahrnehmung wird auch durch Gespräche mit Freunden und Kollegen bestätigt. Der Nachwuchs ist gefragt und es gibt häufig mehrere Joboptionen für eine Person. Ich bin der Meinung, dass wir gerade sehr gute Bedingungen und Chancen haben, in den Beruf zu starten.

Pflanzenforschung.de: Zu guter Letzt haben sie drei Wünsche frei; einen für Ihre Forschung, einen für die Zukunft der Landwirtschaft und einen für die Nachwuchsförderung. Welche sind das?

Ulrike Beukert: Ich möchte mein Projekt und die Doktorarbeit erfolgreich zu Ende führen und mich dabei fachlich und persönlich weiterentwickeln. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Großteil der Nachwuchsförderung besonders im Kleinen stattfindet. Dafür wünsche ich mir sehr viele engagierte und motivierende Betreuer und Mentoren. Für die Landwirtschaft wünsche ich mir viel mehr Verständigung und Verständnis von und mit Politik und Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass es hier und da schon kleine positive Entwicklungen gibt. Das muss sich fortsetzen. Natürlich wünsche im mir in der aktuellen Situation noch ausreichend Regen, aber das wäre dann schon ein Wunsch zu viel.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!