Neue Details über die Venusfliegenfallen

Wie die Falle zuschnappt

06.09.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In nur 100 Millisekunden können die Fallen der Venusfliegenfalle zuschnappen – das ist eine der schnellsten bekannten Bewegungen von Pflanzen. (Bildquelle: © RainerBerns / Pixabay)

In nur 100 Millisekunden können die Fallen der Venusfliegenfalle zuschnappen – das ist eine der schnellsten bekannten Bewegungen von Pflanzen. (Bildquelle: © RainerBerns / Pixabay)

Venusfliegenfallen fangen mit Schnappfallen Insekten und andere Kleintiere. Jetzt gibt es neue Informationen darüber, wie die elektrische Signalweiterleitung im Detail funktioniert und welche Ionenkanäle dabei unverzichtbar sind.

Während sich die meisten Pflanzen hauptsächlich von Kohlendioxid, Wasser und Licht ernähren, stehen bei fleischfressenden Pflanzen auch Insekten oder andere Kleintiere auf dem Speiseplan. Ein bekanntes Beispiel ist die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula).

Wenn ein Insekt zwei Mal innerhalb von 30 Sekunden die Sinneshaare berührt, wird ein sogenanntes Aktionspotential erzeugt. Die Schnappfallen schließen sich und die Beute ist gefangen. Doch es ist noch nicht besonders gut verstanden, welche biochemischen Vorgänge beim Zuschnappen der Fallen in den Zellen ablaufen.

Redundante Ionenkanäle

Das Problem: Es war noch niemandem gelungen, mit Hilfe von Bioengineering einzelne Gene der Pflanze auszuschalten, um deren Funktion zu testen. Das dies aber möglich ist, berichten Wissenschaftler:innen aus den USA in einem aktuellen Paper in Current Biology. Mit Hilfe der Genschere CRISPR-Cas9 konnten sie die Gene flyc1 und flyc2 ausschalten. Die Schnappfallen dieser Doppelmutanten reagierten deutlich weniger sensibel auf die Stimulation mit Ultraschallwellen.

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Ein Beutetier ist in die Falle gegangen.

Ein Beutetier ist in die Falle gegangen.

Bildquelle: © natiibio / Pixabay

Die Ionenkanäle FLYCATCHER1 (FLYC1) und FLYCATCHER2 (FLYC2) sind also mitentscheidend für die Signalweiterleitung in den Bereichen der Pflanze, die auf Berührung reagieren. Da sich die Schnappfallen aber trotzdem noch schließen konnten, lautet ihre Schlussfolgerung: Es muss noch weitere Ionenkanäle geben, die ebenfalls auf Berührung reagieren. Es könnte sich zum Beispiel um Kanäle aus der OSCA-Genfamilie handeln, da mindestens ein Mitglied davon in den Sinneshaaren überexprimiert ist.

Interessant ist auch: Nutzt man statt Ultraschallwellen eine direkte Berührung der Sinneshaare zeigten sich keine Unterschiede im Schließverhalten zwischen den Wildtyp-Pflanzen und den Mutanten. Vermutlich sind die durch flyc1 und flyc2 vermittelten Unterschiede in der Sensitivität nur sehr gering und bei direkter Berührung der Sinneshaare sind diese Ionenkanäle für den Auslösemechanismus nicht entscheidend.

Ein neues Messgerät für die Signalausbreitung

In einem zweiten Paper demonstriert ein internationales Team von Wissenschaftlern eine neue Methode, mit der sie die Entstehung und Ausbreitung der elektrischen Signale in der Venusfliegenfalle messen können. Dazu haben sie ein spezielles Multielektroden-Array (MEA) namens NeuroGrid entwickelt. Es ist so dünn und biegsam, dass es sich ganz einfach auf der Außenseite der Fangblätter befestigen lässt.

120 Elektroden, rasterartig im Abstand von 0,5 Millimetern angebracht, messen die elektrischen Signale der Venusfliegenfalle als Antwort auf die Berührung der Sinnehaare oder auf eine Verletzung des Gewebes mit einem Laserstrahl.

Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass sich die beim Berühren eines Sinneshaares ausgelösten Aktionspotentiale kreisförmig und in alle Richtungen gleichschnell ausbreitet. Damit ist klar, dass die Aktionspotentiale sich in einem Gewebe ausbreiten, dass im gesamten Fangblatt gleichmäßig verteilt ist. Das Leitgewebe Phloem, das einst als Vermittler des Signals ins Spiel gebracht wurde, ist somit vom Tisch.

Auch die Entstehung zufälliger Aktionspotentiale, also solchen, die von nicht-berührten Sinneshärchen ausgehen, konnte beobachtet werden. Der Grund für dieses Phänomen ist bisher allerdings noch nicht verstanden.

Doch die Studie demonstriert eindrücklich das Potential von hochauflösen elektrophysiologischen Messgeräten in der Pflanzenforschung. In der Zukunft wird es damit möglich sein, selbst kleinste Unterschiede zwischen Wildtyp-Pflanzen und Mutanten zu messen. Das wird das mechanistische Verständnis der Signalweiterleitung in Pflanzen weiter steigern.


Quelle:
Adam Armada-Moreira et al., Plant electrophysiology with conformable organic electronics: Deciphering the propagation of Venus flytrap action potentials. Sci. Adv.9, eadh4443(2023). DOI: 10.1126/sciadv.adh4443  

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Titelbild: In nur 100 Millisekunden können die Fallen der Venusfliegenfalle zuschnappen – das ist eine der schnellsten bekannten Bewegungen von Pflanzen. (Bildquelle: © RainerBerns / Pixabay)