Neues Konzept zur Arterfassung

Analyse von DNA-Spuren in der Luft

13.01.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Welche Pflanzenarten auf Weidelandflächen wachsen, lässt sich besonders effizient mittels eDNA-Analysen nachweisen. (Bildquelle: © analogicus/Pixabay)

Welche Pflanzenarten auf Weidelandflächen wachsen, lässt sich besonders effizient mittels eDNA-Analysen nachweisen. (Bildquelle: © analogicus/Pixabay)

Die traditionelle Bestimmung der pflanzlichen Artenvielfalt einer Fläche erfordert Expertise und viel Zeit. Ein neuer Ansatz auf Grundlage von Umwelt-DNA ist schneller und verlässlicher – hat aber auch Schwachpunkte.

Ob für Forschung, Artenschutz oder Flächenmanagement: Häufig ist es erforderlich zu erfassen, welche Pflanzenarten in einem bestimmten Gebiet leben. Traditionell begehen dazu Botaniker die Flächen und notieren, welche Pflanzenarten sie dort entdecken können. Erfolg und Qualität dieser Methode hängen von der Fachkunde, der Zahl der investierten Arbeitsstunden und Häufigkeit der Begehungen ab. Zugleich beeinträchtigt das Vorgehen das Wildleben und kann die untersuchten Pflanzen beschädigen. Fachleute schlagen daher jetzt eine effizientere und sanftere Alternative vor: das Sammeln und Auswerten von Umwelt-DNA (eDNA) aus der Luft.

Winzige Partikel in der Luft verraten die Art

Als eDNA werden Erbgutspuren eines Organismus bezeichnet, die dieser an die Umwelt abgibt. Im Fall von Pflanzen sind das klassischerweise Pollen, aber auch andere winzige Partikel, die durch Wind oder Tiere gelöst und transportiert werden. Sie befinden sich in Wasser, Boden oder Luft, wodurch mit einer einzigen Probe gleichzeitig Spuren zahlreicher Organismen gewonnen werden können. Bislang wurden auf diese Weise beispielsweise die Mikrobiome in einer Boden- oder Wasserprobe bestimmt oder mittels Pollenfallen erfasst, ob in der Nähe allergene Pflanzen blühen. Diese Methode kam bislang noch nicht zum Einsatz, um umfassend die florale Artenvielfalt eines Gebietes zu bestimmen. Das könnte sich nun ändern.

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Oft nicht immer so eindeutig zu sehen: Pollen kann sich auch unbemerkt in der Luft verbreiten. Das Auswerten von Umwelt-DNA findet so mehr als das Auge sieht.

Oft nicht immer so eindeutig zu sehen: Pollen kann sich auch unbemerkt in der Luft verbreiten. Das Auswerten von Umwelt-DNA findet so mehr als das Auge sieht.

Bildquelle: © Myriams-Fotos / Pixabay

Denn ein Forschungsteam der Texas Tech University hat genau das über ein Jahr getan und mit der traditionellen Methode verglichen. Zweimal im Verlauf des Jahres haben Botanikprofis die Artenvielfalt einer Weidelandfläche mit bloßen Auge erfasst und dokumentiert. Insgesamt ein riesiger Zeitaufwand von mehreren Hundert Arbeitsstunden.

Alle zwei Wochen wurden parallel die eDNA aus den Luftfallen gesammelt – jeweils drei Stunden Arbeit, für die keine taxonomische Expertise erforderlich war. Das so gesammelte Material wurde dann mittels moderner Sequenzierungsmethoden ausgewertet und mit typischen Erkennungsmustern der zahlreichen Pflanzenarten abgeglichen. In früheren Studien hatte sich bereits gezeigt, dass dieses sogenannte Metabarcoding beispielsweise Pollen verlässlicher der richtigen Art zuordnen kann als die Untersuchung per Lichtmikroskopie.

Jede Methode hat Stärken und Schwächen

Mit der traditionellen Methode konnten die Wissenschaftler:innen insgesamt 102 unterschiedliche Pflanzenarten nachweisen. 22 davon mussten jedoch aus dem Vergleich mit dem Metabarcoding ausgeschlossen werden, weil für sie noch keine Referenzsequenz in der NCBI Genbank vorlag. Übrig bleiben so 63 Stauden-, 15 Gräser- und zwei Baumarten. Mittels Metabarcoding der eDNA konnten das Forschungsteam letztendlich 81 Arten durch Abgleich mit der Referenzbibliothek nachweisen sowie weitere zehn Arten mittels BLASTn-Analyse. Insgesamt fanden sie mit ihrer Methode Belege für das Vorkommen von 61 Stauden-, 26 Gräser- und vier Baumarten.

Doch noch weitere interessante Details zeigten sich beim Vergleich der Methoden: Drei Grasarten wurden von beiden Methoden entdeckt, während 13 nur mittels eDNA und zwei nur auf traditionelle Weise nachgewiesen wurden. Bei den Stauden gab es 40 gemeinsame Funde sowie 21 beziehungsweise 23 Arten, die sie jeweils nur mit einer Methode nachweisen konnten. Die beiden traditionell entdeckten Baumarten fand auch die eDNA-Methode, darüber hinaus aber noch zwei weitere Arten.

Höhere zeitliche Auflösung über eDNA

Für diese Unterschiede in der Erfassungsgenauigkeit gibt es plausible Erklärungen: Gräser sind mit dem bloßen Auge leicht zu übersehen. Doch ihre vom Wind verbreiteten Pollen landen regelmäßig in den Pollenfallen. Etwas überraschender ist, wie viele Stauden nur mit jeweils einer Methode gefunden werden konnten. Ein Abgleich der Arten offenbarte jedoch einen Zusammenhang: Die traditionelle Methode war besonders gut darin, auffällig blühende und oftmals nur selten im Gebiet vorkommende Stauden zu entdecken. Stauden mit kleinen und unauffälligen Blüten, die zum Teil trotzdem häufig im Gebiet wuchsen, ließen sich besser mittels eDNA aufspüren.

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Ob eine Pflanze mit der traditionellen Methode erkannt wird, hängt auch damit zusammen, ob sie auffällig blüht oder nicht. Sind die Blüten gut sichtbar, stehen die Chancen besser, gesehen zu werden.

Ob eine Pflanze mit der traditionellen Methode erkannt wird, hängt auch damit zusammen, ob sie auffällig blüht oder nicht. Sind die Blüten gut sichtbar, stehen die Chancen besser, gesehen zu werden.

Bildquelle: © LUM3N / Pixabay

Darüber hinaus konnte die Studie einige räumliche und vor allem zeitliche Effekte dokumentieren. So waren die eDNA-Fallen am erfolgreichsten, wenn die nachgewiesenen Arten in Hauptwindrichtung zur Falle wuchsen.

Außerdem entdeckten die Forscher:innen mit den 14-tägig kontrollierten eDNA-Fallen auch Pflanzenarten, die nur sehr kurze Blüh- oder Wachstumsphasen haben. Diese entgingen den Augen der Botaniker, die nur zweimal die Fläche im Untersuchungsjahr betreten hatten. So dominierte fast einen Monat lang die Besenrauke das Untersuchungsareal, die zum Zeitpunkt der traditionellen Begehung praktisch unsichtbar war.

Wertvoll gegen invasive Arten

Auch entdeckte der eDNA-Ansatz mehr invasive Arten, die sich noch nicht stark ausgebreitet hatten. Metabarcoding kann also die Chancen erhöhen, solche Arten rechtzeitig zu identifizieren und sie an der Ausbreitung zu hindern. Ähnlich effizient können mittels eDNA bedrohte und daher seltene Arten innerhalb einer Fläche gefunden werden. Letztlich, so folgern die Beteiligten, sei es bei hinreichend verfügbaren Ressourcen der beste Weg, beide Methoden zu kombinieren. Im Falle knapper Ressourcen raten sie jedoch zur effizienteren eDNA-Methode. Zunächst bleibt aber abzuwarten, ob noch weitere Forschungsgruppen zu ähnlichen Resultaten gelangen.


Quelle:
Johnson, M. et al. (2021): Airborne environmental DNA metabarcoding detects more diversity, with less sampling effort, than a traditional plant community survey. In: BMC Ecology and Evolution 21:218, (6. Dezember 2021), doi: 10.1186/s12862-021-01947-x.

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Titelbild: Welche Pflanzenarten auf Weidelandflächen wachsen, lässt sich besonders effizient mittels eDNA-Analysen nachweisen. (Bildquelle: © analogicus/Pixabay)