Unterschätzte Parasiten

Nematoden können die Ansiedlung nützlicher Mikroben in der Rhizosphäre fördern

10.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Fadenwurm Heterodera glycines mit einem Ei, ein Parasit der Sojabohne.(Bildquelle: © Public Domain)

Der Fadenwurm Heterodera glycines mit einem Ei, ein Parasit der Sojabohne.(Bildquelle: © Public Domain)

Es gibt Fadenwürmer, die Pflanzenwurzeln schädigen. Aber auch solche, die Schadinsekten abwehren können – so in etwa war lange Zeit das Bild von Nematoden. Inzwischen zeigt sich: Ihr Einfluss auf die Pflanzengesundheit ist noch weit komplexer.

Fadenwürmer, in Fachkreisen bekannt als Nematoden, könnten für Ökosysteme und auch für die Pflanzengesundheit weit wichtiger sein als gedacht. Bisher richteten Pflanzenforscher den Blick bei Nematoden vor allem auf jene Arten, die sich parasitisch von Pflanzenwurzeln ernähren und so bei einigen Kulturpflanzen die Erträge reduzieren. Neuere Forschung zeigt jedoch, dass die Wahrheit deutlich komplexer ist.

Co-Evolution von Pflanzen und Nematoden

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Schematische Darstellung der Rhizosphäre. Hier interagieren Boden, Pflanzenwurzeln und Mik-roorganismen. A: bakteriophage Amöbe, BL: energielimitierte Bakterien, BU: nicht energielimi-tierte Bakterien, R: wurzelabgeleiteter Kohlenstoff, SR: abgelöste Zellen der Rhizodermis, F: Pilz-Hyphen, N: Fadenwurm 

Schematische Darstellung der Rhizosphäre. Hier interagieren Boden, Pflanzenwurzeln und Mik-roorganismen. A: bakteriophage Amöbe, BL: energielimitierte Bakterien, BU: nicht energielimi-tierte Bakterien, R: wurzelabgeleiteter Kohlenstoff, SR: abgelöste Zellen der Rhizodermis, F: Pilz-Hyphen, N: Fadenwurm 

Bildquelle: © Smartse et al. (2005: Microbial Diversity in Soils. In: SOILBIOL,volume 3) / CC BY-SA 3.0

Wenn vom Rhizobiom einer Pflanzen die Rede ist, sind damit oft Bakterien und Pilze gemeint. Doch auch Fadenwürmer zählen dazu und weisen eine lange Co-Evolution mit Pflanzen auf. Einige Nematoden leben als Endoparasiten, andere als Ektoparasiten, und wieder andere bewegen sich frei im Erdreich und wechselwirken indirekt. Bei den Parasiten wird die Co-Evolution besonders deutlich, da diese Tiere eindeutige Wirtspräferenzen entwickelt haben. Außerdem beeinflussen die Wurzelabsonderung der Pflanzen das Verhalten von Nematoden. Auch hier sind Beispiele bekannt, wie etwa die Cuticula von Nematoden durch die Absonderungen eines Wirts verändert wird, nicht jedoch durch Absonderungen von Nicht-Wirtspflanzen.

Deutlich wird die Co-Evolution auch darin, wie mikrobivore Nematoden die Gemeinschaft der Mikroorganismen im Wurzelraum beeinflussen. Langzeitstudien fanden arttypische Kompositionen, beispielsweise einen hohen Anteil bakterivorer Nematoden bei Leguminosen und überdurchschnittlich viele fungivore Nematoden bei Staudenpflanzen.

Lange standen nur pflanzenpathogene Nematoden im Fokus

Aufgrund ihrer agronomischen Bedeutung sind pflanzenpathogene Nematoden am besten erforscht. Tatsächlich bilden jedoch die freilebenden und meist als nützlich erachteten Nematoden die Mehrheit der Rhizosphären-Fadenwürmer. Ihre wichtigste Untergruppe sind die entomopathogenen Nematoden, also Insektenparasiten. Durch ihre Interaktion mit Darmbakterien infizieren sie Insekten, die sich potenziell von Pflanzenwurzeln ernähren, ohne nützliche und andere Nicht-Ziel-Insekten zu schädigen. Einige dieser Fadenwürmer werden daher kommerziell im biologischen Pflanzenschutz genutzt. Dabei zeigte sich auch, dass sie zugleich pflanzenparasitische Nematoden verdrängen können. Je nachdem, welche Untergruppe der Fadenwürmer sich in der Rhizosphäre anreichert, kann dies auch als Indikator für die Pflanzengesundheit dienen. Generell gilt, dass gesunde Pflanzen über eine komplexere Nematodengemeinschaft verfügen.

Viele Details darüber, wie die Nematodengemeinschaften Pflanzenkrankheiten fördern oder unterdrücken, sind jedoch noch unklar. Ein paar Dinge gelten jedoch als sicher oder lassen sich plausibel annehmen. Pflanzenpathogene Fadenwürmer etwa können andere Schädlinge begünstigen, weil sie die Wurzeln verletzen und so pathogenen Mikroorganismen und Viren das Eindringen erleichtern. Da Nematoden die Mikroorganismen vor allem auf der Cuticula und selten nur im Darm tragen, müssen sie wohl die pflanzliche Epidermis durchdringen, bevor sie eine Infektion fördern können. Außerdem ist bekannt, dass Pflanzen nach einem Angriff durch Nematoden ihre Wurzelausscheidungen verändern, was diese für pathogene Pilze attraktiver macht.

Nematoden führen zu mehr nützlichen Bakterien in der Rhizosphäre

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Leguminosen wie diese Futterwicke bilden oftmals mehr Wurzelknöllchen, wenn Nematoden präsent sind.

Leguminosen wie diese Futterwicke bilden oftmals mehr Wurzelknöllchen, wenn Nematoden präsent sind.

Bildquelle: © Didier Descouens / Wikimedia / CC-BY-SA-4.0

In jüngerer Zeit haben Metagenomanalysen jedoch noch einen anderen Zusammenhang sichtbar gemacht: Parasitische Nematoden können auch nützliche Mikroben in die Rhizosphäre einführen. So begünstigen Wurzelknötchennematoden in der Rhizosphäre von Tabakpflanzen, dass sich Pseudomonaden ausbreiten - eine Bakteriengattung, die andere bodenstämmige Erkrankungen unterdrückt. Bei Tomaten konnte ein Forschungsteam zeigen, dass eine Infektion mit Nematoden die Artenvielfalt nützlicher Endophyten erhöht. Die genauen ökologischen Auswirkungen derartiger Wechselwirkungen sind bislang jedoch kaum erforscht.

Unklar ist beispielsweise, weshalb sich die nützlichen Bakterien ansiedeln. Denkbar wäre ein ähnlicher Hilferuf über volatile Lockstoffe, wie Pflanzen ihn ausstoßen, wenn sie von Insekten angefressen werden. Der Duft zieht für Insekten parasitäre Nematoden herbei. Eine Studie hat zeigen können, dass das Wurzelexsudat eines Wirts von pflanzenparasitären Fadenwürmern dazu führt, dass sich auf deren Haut mehr antagonistische Bakterien ansiedeln. Sie beeinträchtigen den Fadenwurm und aktivieren die Abwehr der Pflanze. Beides führt dazu, dass Pflanzen oft trotz der Anwesenheit pathogener Nematoden keine Krankheitssymptome entwickeln.

Mehr positive als negative indirekte Wirkungen

Tatsächlich können pflanzenpathogene Nematoden in kleiner Zahl einen positiven Gesamteffekt haben, wie Forscher:innen unlängst beobachtet haben: Dann sondern die Pflanzen Exsudate ab, die pflanzenwachstumsfördernde Mikroorganismen in der Rhizosphäre stimulieren. Außerdem könnten diese Mikroorganismen Abwehrstoffe gegen die Nematoden bilden, die als Nebeneffekt auch pflanzenpathogene Mikroorgansimen bekämpfen.

Weiterhin leben die meisten pflanzenschädigenden Nematoden ektoparasitisch und verletzen die Wurzeln nur geringfügig. Begleitenden Infektionen etwa durch Pilze sind daher selten. Leguminosen bilden zudem in Gegenwart ektoparasitisch lebender Nematoden mehr Wurzelknöllchen aus und fixieren so mehr Stickstoff. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass viele Nematoden sich von Mikroben ernähren und damit mikrobielle Pflanzenpathogene beseitigen. Unter Labor- wie unter Feldbedingungen konnte so eindeutig gezeigt werden, dass Pilzinfektionen bei Tomate, Kartoffel und Knoblauch zurückgehen. Zwar überleben manche Pilze die Darmpassage, sodass Fadenwürmer auch als Vektoren wirken könnten – doch ob das ausreicht, um Infektion zu verstärken, gilt als fraglich.

Viele offene Fragen für die Forschung

Was aktuell noch fehlt, sind direkte Belege dafür, dass bakterivore Nematoden pflanzenpathogene Bakterien unterdrücken. Verkompliziert wird das dadurch, dass derartige Bakterien oft auch für Nematoden tödlich sind. Die Toxizität pflanzenpathogener Bakterien auf andere Nicht-Ziel-Organismen ist bislang jedoch ein kaum beschriebener Aspekt. Denkbar wäre, dass die Bakterien ihre Toxine als Schutz gegen die Fadenwürmer absondern und dadurch als Nebeneffekt mit diesen Toxinen auch die Pflanzen beeinträchtigen. Bakterivore Nematoden könnten so indirekt pflanzenpathogenen Bakterien einen Vorteil verschaffen. In jedem Fall gilt inzwischen als gesichert: Das Zusammenleben zwischen Nematoden und Pflanzen ist weit komplexer, als es lange Zeit die auf parasitäre Fadenwürmer fokussierte Lehrmeinung war.


Quelle:
Li, G., Whalen, J. K., Wei, Z. (2023): Nematodes: an overlooked tiny engineer of plant health. In: Trends in Plant Science, online (17. Juli 2023). doi: j.tplants.2023.06.022.

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Titelbild: Der Fadenwurm Heterodera glycines mit einem Ei, ein Parasit der Sojabohne.(Bildquelle: © Public Domain)