Weniger Appetit auf Kalorienbomben durch Präbiotika?

Inulin verändert das Darmmikrobiom

26.10.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzliche Nahrungmittel wie Chicorée enthalten Präbiotika wie Inulin. Sie könnten über das Darmmikrobiom auf die Appetitregulation einwirken. (Bildquelle: © Griet Kurtz / Pixabay, Pixabay License)

Pflanzliche Nahrungmittel wie Chicorée enthalten Präbiotika wie Inulin. Sie könnten über das Darmmikrobiom auf die Appetitregulation einwirken. (Bildquelle: © Griet Kurtz / Pixabay, Pixabay License)

Eine pflanzenbasierte Ernährung ist gesünder als ein Ernährungsstil mit hohem Fleischanteil. Das ist in der Medizin inzwischen unstrittig. Spannend bleibt jedoch die Frage, wie pflanzliche Präbiotika das Darmmikrobiom und dieses wiederum das menschliche Essverhalten beeinflussen. Eine Studie deutet nun darauf hin, dass Inulin den Appetit auf kalorienreiche Nahrung verringert.

Du bist, was du isst: Diese und ähnliche Aussagen haben in den vergangenen Jahren das Interesse an der Darmflora und ihren Effekten auf die menschliche Gesundheit rasant wachsen lassen. Unter anderem konnte die Forschung zeigen, dass das Mikrobiom des Darms durch kurzkettige Fettsäuren Signale durch die Blut-Hirn-Schranke hindurch senden kann. Ein deutsches Forschungsteam hat nun untersucht, ob Präbiotika auf diesem Weg wirken – und mit welchen Folgen.

Die Studie umfasste 59 übergewichtige, aber ansonsten gesunde junge Erwachsene. Ein Teil der Gruppe erhielt für 14 Tage täglich 30 Gramm des Präbiotikums Inulin als Nahrungsergänzung, ein anderer Teil – die Kontrolle – konsumierte stattdessen als Placebo Maltodextrin mit dem gleichen Energiegehalt. Inulin und andere Ballaststoffe können von Mikroorganismen zu kurzkettigen Fettsäuren umgewandelt werden. Von der Fettsäure Butyrat etwa ist bekannt, dass ihre Einnahme das Körpergewicht reduzieren kann.

Inulin verändert die Zusammensetzung der Darmflora

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Als Darmflora wird die Gesamtheit der Mikroorganismen bezeichnet, die den Darm von Menschen und Tieren besiedeln und für den Wirtsorganismus von entscheidender Bedeutung sind. Die Darmflora gehört zum Mikrobiom eines Vielzellers.

Als Darmflora wird die Gesamtheit der Mikroorganismen bezeichnet, die den Darm von Menschen und Tieren besiedeln und für den Wirtsorganismus von entscheidender Bedeutung sind. Die Darmflora gehört zum Mikrobiom eines Vielzellers.

Bildquelle: © Public Domain / Wikimedia Commons

Um mögliche Effekte vom Darm und dessen Bakterien auf das Gehirn zu entdecken, verglichen die Forscher:innen, wie sich durch die Einnahme von Inulin das Darmmikrobiom veränderte, welche Hormone, Zucker, Fette und Entzündungsmarker im Blut nachweisbar waren, und welche Hirnareale wie stark darauf reagierten, wenn die Proband:innen sich mit energiereicher Nahrung konfrontiert sahen.

Mittels 16s-rRNA-Analysen konnte das Team zeigen, dass das Präbiotikum die Artenvielfalt im Darm verringerte. Auch die Anteile einzelner Arten veränderte sich. Besonders auffällig war das bei Bifidobakterien, deren relativer Anteil sich stark erhöhte. Auch Vertreter der Art Collinsella profitierten von der Inulingabe.

Verändertes Mikrobiom erzeugt mehr kurzkettige Fettsäuren

Die Veränderungen wirkten sich auch auf die Signalwege aus, die die Forscher:innen auf Metagenom-Ebene mittels der sogenannten KEGG-Analyse erfassten. Von 158 Signalwegen, die das Team identifizieren konnte, veränderte sich bei 69 die Häufigkeit im Mikrobiom signifikant. Betroffen waren vor allem der Kohlenhydrat-, Protein- und Fettstoffwechsel sowie Prozesse des Pflanzenabbaus und der Zellreparatur.

Die verschobene Zusammensetzung des Darmmikrobioms in Kombination mit den zusätzlich aufgenommenen Ballaststoffen führte auch dazu, dass die Bakterien mehr kurzkettige Fettsäuren produzierten. Überraschenderweise ließ sich jedoch weder im Blut noch im Stuhl eine Veränderung der Konzentration der kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Butyrat und Propionat erkennen. Angesichts des vermuteten Wirkmechanismus’ wäre das zu erwarten gewesen.

Einfluss auf das Belohnungszentrum im Gehirn

Trotzdem scheint die veränderte Zusammensetzung der Darmflora ihre Wirkung auf das Gehirn zu entfalten: Verglichen mit der Placebo-Gruppe zeigten die Inulin-Konsument:innen eine schwächere Aktivierung des Belohnungszentrums, wenn ihnen Lebensmittel präsentiert wurden. Insbesondere hatten die Proband:innen weniger Interesse an Lebensmitteln mit besonders hohem oder besonders niedrigem Energiegehalt. Auch das berichtete Hungergefühl dieser Gruppe fiel während des Experiments geringer aus - auch mittels funktionaler Magnetresonanztomografie entsprechender Hirnareale konnte dies gezeigt werden.

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Präbiotika beeinflussen die Darmflora und diese wiederum bestimmte Hirnfunktionen.

Präbiotika beeinflussen die Darmflora und diese wiederum bestimmte Hirnfunktionen.

Bildquelle: © Alicia Harper / Pixabay, Pixabay License

Welche Signalmoleküle der Bakterien zu dieser Veränderung geführt haben, konnte die Studie nicht beantworten. Allerdings fanden die Forscher:innen Korrelationen zwischen bestimmten Bakterien, Stoffwechselwegen und veränderten Aktivitäten einzelner Hirnareale.

Unklarheiten, aber auch weitere Beispiele

Unerwartet war auch, dass die Lipidmarker in der Kontrollgruppe geringer waren als bei den Proband:innen, die das Präbiotikum eingenommen hatten. Auch das Körperfett nahm in der Placebogruppe ab. Nicht erfasst hatte die Studie, ob möglicherweise eine stärkere körperliche Aktivität der Kontrollgruppe diese Beobachtung erklären könnte. Denn obwohl die Proband:innenzahl ausreicht für eine statistische Signifikanz, ist sie doch recht klein. Fraglich ist zudem, ob eine 14-tätige Intervention bereits nachhaltigen Einfluss auf die neuronalen Prozesse des Essverhaltens haben kann.

Dennoch ergänzt die neue Studie eine Reihe jüngerer Beobachtungen, die ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Essverhalten nahelegen. So gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass eine pflanzenbasierte Ernährung mit ihren entsprechenden Präbiotika über die Achse Mikrobiom-Darm-Hirn Hirnfunktion und psychologische Mechanismen beeinflusst. Präbiotische Ballaststoffe verringerten in einer Studie das subjektive Hungergefühl und verbessern die hormongetriebene Appetitregulation. Inulin bewirkte in einer anderen Studie einen größeren Gewichtsverlust als ein Placebo und verbesserte in einer Teilgruppe auch die Stimmung – was mit einer höheren relativen Häufigkeit von Coprococcus im Darmmikrobiom korrelierte. Wieder eine andere Untersuchung zeigte, dass das Mikrobiom beeinflusst, ob Patienten nach einer Magenverkleinerung erfolgreich ihr Übergewicht verringern konnten. Nicht zuletzt verbesserte eine Nahrungsergänzung mit Bifidobakterien und Laktobazillen die emotionale Aufmerksamkeit und das Gedächtnis.

Auch wenn also viele Detailfragen zu den biochemischen Verbindungen und neurologischen Mechanismen unbeantwortet bleiben, stärkt die neue Studie die Hypothese, dass Darmbakterien Einfluss auf das menschliche Essverhalten nehmen können und es durch pflanzenbasierte Ballaststoffe und deren Wirkung auf das Mikrobiom in eine positive Richtung gelenkt zu werden scheint.


Quelle:
Medawar, E., et al. (2023): Prebiotic diet changes neural correlates of food decision-making in overweight adults: a randomised controlled within-subject cross-over trial. In: Gut, online 04. Oktober 2023. doi: 10.1136/gutjnl-2023-330365.

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 Titelbild: Pflanzliche Nahrungmittel wie Chicorée enthalten Präbiotika wie Inulin. Sie könnten über das Darmmikrobiom auf die Appetitregulation einwirken. (Bildquelle: © Griet Kurtz / Pixabay, Pixabay License)