Weniger (Pollen) ist mehr!

Neu entdecktes Gen hilft Selbstbestäubern Ressourcen zu sparen

31.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Reife Staubbeutel der Ackerschmalwand: Im Vergleich zum Wildtyp (links) enthält die rdp1-Mutante (rechts) nur die Hälfte der Pollenkörner. (Bildquelle: © Hiroyuki Kakui / Universität Zürich)

Reife Staubbeutel der Ackerschmalwand: Im Vergleich zum Wildtyp (links) enthält die rdp1-Mutante (rechts) nur die Hälfte der Pollenkörner. (Bildquelle: © Hiroyuki Kakui / Universität Zürich)

Die Pollenproduktion ist für Pflanzen eine Energie und Ressourcen zehrende Angelegenheit. Viele Selbstbestäuber sparen hier und bilden vergleichsweise wenig Pollen. Ein Team von WissenschaftlerInnen hat dies nun genauer unter die Lupe genommen und ein Gen identifiziert, das für die geringe Pollenproduktion verantwortlich ist. Ihre erstaunliche Erkenntnis: Niedrige Pollenzahlen sorgen bei Selbstbestäubern sogar für eine höhere Fitness.

Die Bildung und Verbreitung von reichlich Pollen ist vor allem für fremdbestäubte Pflanzen notwendig, um das Fortbestehen der Art zu sichern. Nach dem Motto „viel hilft viel“, können sich einzelne Individuen dadurch gegen die Konkurrenz durchsetzen. Für Selbstbestäuber scheint es jedoch vorteilhaft zu sein, wenig Pollen zu produzieren – Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich haben dies nun in ihrer neusten Studie an Ackerschmalwand-Pflanzen (Arabidopsis thaliana) gezeigt.

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Der Pollen wird von Samenpflanzen zur geschlechtlichen Fortpflanzung produziert. Im Pollenkorn befindet sich die männliche Keimzelle der Blütenpflanze. Die Pollenkörner entstehen im Pollensack der Staubbeutel.

Der Pollen wird von Samenpflanzen zur geschlechtlichen Fortpflanzung produziert. Im Pollenkorn befindet sich die männliche Keimzelle der Blütenpflanze. Die Pollenkörner entstehen im Pollensack der Staubbeutel.

Bildquelle: © Myriams Fotos / Pixabay / CC0

Selbstbestäuber produzieren deutlich weniger Pollen

Ihre Analysen an 144 Individuen zeigen, dass Arabidopsis nur 2 000 bis 8 000 Pollen je Blüte produziert. Dies ist im Vergleich zur artverwandten Felsenschaumkresse deutlich weniger: Sie produziert immerhin ca. 18 000 Pollen je Blüte, ist aber im Gegensatz zur Ackerschmalwand auch auf Fremdbestäubung angewiesen.

Die These der Forscher: Für eine erfolgreiche Selbstbestäubung reichen weniger Pollen. Belastbare Zahlen zu dieser These gab es in der Wissenschaft aber noch nicht: „Bisher gab es nur wenige Beweise für diese Idee, da die Produktion männlicher Keimzellen ein komplexes Merkmal ist. Es wird von vielen Genen mit jeweils kleinen Effekten beeinflusst und die molekulare Grundlage war nicht bekannt“, erklärt Kentaro Shimizu, Professor für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften an der Universität Zürich (UZH).

RDP1-Gen reguliert die Pollenzahl der Ackerschmalwand

Um herauszufinden, welche Genvariation die Produktion der Pollen vermindert, führte das Team eine sogenannte ‚genomweite Assoziationsstudie‘ (GWAS) an der Modellpflanze durch. Dies ist eine computergestützte Analyse der vorliegenden Pflanzengenome, die Hinweise liefert, welche Haplotypen zu einem bestimmten Phänotyp führen. Die Forscher ermittelten dabei ein Gen und nannten es Reduced Pollen Number1 (RDP1). RDP1, so ergab ein Vergleich mit anderen Organismen, codiert für einen Faktor, der den Aufbau von Ribosomen – den Proteinfabriken der Pflanzenzellen – vorantreibt.

Pollenreduktion ist ein evolutionärer Vorteil

Um den Zusammenhang zwischen RDP1 und der Pollenproduktion nochmals zu überprüfen, erzeugte das Team mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie Pflanzen mit veränderten Varianten des Gens. Kreuzungen dieser Mutanten bestätigten, dass unterschiedliche Varianten von RDP1 sich wie erwartet auf die Pollenzahl auswirken. Die Co-Autorin der Studie, Misako Yamazaki, berichtet: „Unsere Experimente bestätigten den subtilen, aber signifikanten Effekt des RDP1-Gens.“

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Eine Studie mit der Pflanzenart Arabidopsis thaliana belegt: Für eine erfolgreiche Selbstbestäubung reichen weniger Pollen!

Eine Studie mit der Pflanzenart Arabidopsis thaliana belegt: Für eine erfolgreiche Selbstbestäubung reichen weniger Pollen!

Bildquelle: © Misako Yamazaki / Universität Zürich

Mithilfe statistischer Untersuchungen konnten die Wissenschaftler außerdem zeigen, dass die verringerte Pollenzahl ein positiv selektiertes Merkmal bei Selbstbestäubern darstellt und nicht allein durch Zufall zu erklären ist.

Auch Pflanzenzüchter profitieren von der Erkenntnis

Shimizu betont, dass der evolutionäre Vorteil einer Pollenreduktion auch eine wichtige Erkenntnis für die Züchtung von selbstbestäubenden Kulturpflanzen wie Weizen ist. So könne die Züchtung von Sorten mit geringerer Pollenzahl den Ernteertrag dieser Pflanzen möglicherweise steigern. Andererseits seien zu wenige Pollenkörner aber auch hinderlich für die Saatgutherstellung. „Unsere Studie öffnet den Weg für die molekulare Züchtung der optimalen Zahl an Pollen“, fasst er zusammen.


Quelle:
Tsuchimatsu, T. et al. (2020): Adaptive reduction of male gamete number in the selfing plant Arabidopsis thaliana. In: Nature Communications 11: 2885, (8. Juni 2020), doi: 10.1038/s41467-020-16679-7.

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Titelbild: Reife Staubbeutel der Ackerschmalwand: Im Vergleich zum Wildtyp (links) enthält die rdp1-Mutante (rechts) nur die Hälfte der Pollenkörner. (Bildquelle: © Hiroyuki Kakui / Universität Zürich)