Interaktion von 16 Symbiose-Genen entschlüsselt

05.11.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Sind Rhizobien am Werk, entstehen Wurzelknöllchen. (Quelle: © Frank Vincentz / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Sind Rhizobien am Werk, entstehen Wurzelknöllchen. (Quelle: © Frank Vincentz / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Forscher entschlüsseln komplexe Geninteraktionen in der Symbiose zwischen Knöllchenbakterien und Leguminosen. Ein Durchbruch für die Vision einer stickstoffdüngefreien Landwirtschaft?

Symbiosen sind die Win-Win-Situation im Tier- und Pflanzenreich. Sie bringen Vorteile für beide Partner. Leguminosen gehen Symbiosen mit Knöllchenbakterien ein und profitieren so von deren Fähigkeit, Luft-Stickstoff zu binden und diesen für die Pflanze verfügbar zu machen. Stickstoff ist essentiell für alle Organismen. Er ist ein wesentlicher Bestandteil von Aminosäuren und damit Baustein für Proteine. Während Tiere durch ihre Stellung in der Nahrungskette ausreichend Stickstoff über ihre Nahrung aufnehmen, können die meisten Pflanzen nur gebundenen Stickstoff verwerten. Stickstoffverbindungen z.B. mit Nitrat, Harnstoff oder Ammonium kommen in natürlichen Gewässern und Böden jedoch nur in geringem Maße vor. Zu wenig in einer ertragsorientierten Landwirtschaft. Dort wird daher biologisch verfügbarer Stickstoff in Form von Pflanzendünger eingesetzt. 

Der Stickstoffspeicher

Wenige Bakterien, wie die im Boden häufig vorkommenden Rhizobien, verfügen über Enzyme, mit deren Hilfe ungebundener, molekularer Stickstoff in einem energieaufwändigen Prozess in eine biologisch verwertbare Form umgewandelt werden kann (Stickstoff-Fixierung). Die Rhizobien benötigen dafür die Pflanze als eine Art Reaktionsraum mit kontrollierter Sauerstoffkonzentration. Zudem erhalten sie von der Pflanze Kohlenstoffverbindungen als Nahrung. Den Pflanzen bringt der Stickstoff zusätzliche Nährstoffe.

Wenn Knöllchenbakterien (Rhizobien) Hülsenfrüchtler (Leguminosen) infizieren, bilden diese an ihren Wurzeln knöllchenförmige Verdickungen aus. Die Infektion setzt entwicklungsbiologische Prozesse in der Pflanze in Gang, die eigentlich mit der Ausdifferenzierung der Wurzeln bereits abgeschlossen waren. Die Entstehung der Symbiose bei Lotus japonicus, einer Modellpflanze für Leguminosen, ist zwar bereits gut untersucht und zahlreiche verantwortliche Gene sind bereits identifiziert. Bislang ist es jedoch nicht gelungen, die parallelen Prozesse der Wurzelinfektion und der Knöllchenbildung eindeutig auseinander zu halten. Einem internationalen Forscherteam ist es nun durch systematische Genmanipulation und Kreuzung von Pflanzen gelungen, die Funktionsweise des komplexen Gen-Netzwerks aufzuklären.

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Lotus japonicus - Modellpflanze für die Pflanzenforschung. Die Pflanze eignet sich gut als Modellorganismus aufgrund ihres relativ kleinen Genoms und der Fähigkeit, mit Rhizobien Symbiosen einzugehen.

Lotus japonicus - Modellpflanze für die Pflanzenforschung. Die Pflanze eignet sich gut als Modellorganismus aufgrund ihres relativ kleinen Genoms und der Fähigkeit, mit Rhizobien Symbiosen einzugehen.

Bildquelle: © Mike Guether / wikimedia.org; gemeinfrei

Bakteriengene programmieren Pflanze neu

Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren 16 relevante Gene identifiziert, die die Interaktion der Knöllchenbakterien mit den Leguminosen regeln. Diese Bakteriengene schreiben das genetische Programm der Pflanze um und veranlassen sie dazu, neue Organe zu bilden. 

Dies funktioniert wie folgt: Die Rhizobien werden durch organische Absonderungen der Pflanzenwurzel, sogenannte Wurzelexsudate, angelockt. Sie sind dabei sehr selektiv und reagieren nur auf ganz bestimmte Pflanzensorten. Unter bestimmten Bedingungen gelingt es ihnen, sich an die Spitzen der Wurzelhaare anzuheften und in die Wurzelzellen einzudringen (Infektion). Hierbei verkrümmen sich die Wurzelhaare auf charakteristische Weise und umschließen so die Bakterienzelle. Die Wurzelexsudate aktivieren eine Reihe bakterieller Gene (Nod-Faktoren), die für die Knötchenbildung notwendig sind. Diese Gene veranlassen die Pflanzenzelle dazu, Cellulose zu bilden. Über einen Infektionskanal Richtung Wurzelmitte infizieren die Bakterien weitere Wurzelzellen, die wiederum verstärkt Nod-Faktoren ausschütten und so die Zellteilung anregen. Es entstehen neue knöllchenförmige Wurzelorgane, in denen sich die Rhizobien aufhalten. Diese abgeschlossenen Knötchen dienen den Rhizobien als Reaktionsräume für die Stickstoff-Fixierung. 

Dieses Wissen diente den Forschern aus Dänemark, Neuseeland und Schottland als Ausgangspunkt für ihre Experimente. Sie züchteten Mutanten-Linie der Hornkleepflanze Lutus japonicus, die jeweils eine spezifische Kombination aus diesen entweder an- oder abgeschalteten, bzw. in ihrer Funktion verstärkten Genen aufwiesen. Bei diesen „Verstärker“-Pflanzen kam es zu spontanen Knöllchenbildungen auch ohne Anwesenheit von Rhizobien. Dieses umfassende Set von Pflanzen wurde anschließend miteinander gekreuzt. Durch diese umfassende Kleinarbeit des internationalen Forscherteams konnten Genkombinationen in unterschiedlichen Kombinationen getestet und untersucht werden. Die systematische Versuchsanordnung ermöglichte eine umfassende Analyse der Interaktionen einzelner Gene und deren Einfluss auf die Knötchenbildung und Stickstoff-Fixierung. 

In Zukunft weniger Mineraldünger?

Die Symbiose von Leguminosen und Knöllchenbakterien ist sowohl von biologischer als auch von perspektivisch wirtschaftlicher Bedeutung. Denn die stickstoffangereicherten Pflanzen können auch auf weniger wertvollen Böden gedeihen. Leguminosen und deren Früchte sind häufig sehr proteinreich, was auf die gute Versorgung mit Stickstoff zurückzuführen ist. Sie haben einen großen Anteil an der Landwirtschaft und besitzen eine zentrale Rolle in der Fruchtfolge z.B. mit Getreide. Als Eisweißlieferanten stellen Leguminosen einen wichtigen Anteil an unserer Nahrungsgrundlage. Daneben werden Leguminosen als Gründüngung zur natürlichen Anreicherung des Bodens mit Stickstoff kultiviert. 

Das Wissen über das Zusammenspiel der 16 Gene im Prozess der Knöllchenbildung und Stickstoffbindung bei Leguminosen kann nun genutzt werden, um die Stickstoffbindungsfähigkeit der Hülsenfrüchtler weiter zu verbessern. In Zukunft könnten, so die Hoffnung der Pflanzenforscher, Düngemittel reduziert und selbst auf sehr kargen Böden noch hohe Erträge erzielt werden. Auch für den Anbau anderer Pflanzen ergeben sich hierdurch Chancen, wenn es gelingt, die Fähigkeit der Leguminosen zur Symbiose auf andere Arten zu übertragen. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg.


Quelle:
Madsen, L.H. et al. (2010): The molecular network governing nodule organogenesis and infection in the model legume Lotus japonicus. In: Nature Communications, (12. April 2010), doi: 10.1038/ncomms1009.

Zum Weiterlesen: 

Titelbild: Sind Rhizobien am Werk, entstehen Wurzelknöllchen. (Quelle: © Frank Vincentz / wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)