Patentstreit um Brokkoli

26.07.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Brokkoli - derzeit mehr als ein Gemüse. (Quelle: © iStockphoto.com/ Emilia Stasiak)

Brokkoli - derzeit mehr als ein Gemüse. (Quelle: © iStockphoto.com/ Emilia Stasiak)

Sind Zuchtpflanzen patentierbar? In einer Anhörung des Europäischen Patentamts wird derzeit die Zulässigkeit von Patenten auf Pflanzenzüchtungen diskutiert.

Grundsätzlich sind Patente auf Saatgut, Tierrassen und Pflanzensorten nicht zulässig. Das Europäische Patentamt (EPA) erlaubt aber Schutzrechte auf technische Züchtungsverfahren, die nicht "im Wesentlichen biologisch" sind. Doch wann ein Verfahren technisch und wann biologisch ist, darüber herrscht bislang Rechtsunsicherheit. Der "Fall Brokkoli" könnte darüber entscheiden, ob Firmen von ihnen entwickelte Pflanzen – also gewissermaßen "Leben" – zukünftig patentieren dürfen.

Präzedenzfall Brokkoli

Derzeit wird in der Großen Beschwerdekammer des EPA die Zulässigkeit eines umstrittenen Patents auf ein Züchtungsverfahren für Brokkoli diskutiert. Bereits 2003 hatten zwei Konkurrenzbetriebe gegen den Patentinhaber Plant Bioscience geklagt, weil die dort genutzte Marker gestützte Selektion kein technisches, sondern ein "im Wesentlichen biologisches Züchtungsverfahren" und damit nicht patentierbar sei. Dabei sind die Kläger selbst zwei innovative, in der Pflanzenzucht aktive Großunternehmen: Limagrain lehnt die Patentierung von Pflanzen generell ab. Syngenta legte Einspruch ein, weil das Patent schlecht beschrieben sei. 

Das "Brokkoli-Patent" gewährt dem Züchter nicht nur das Recht auf das entwickelte Verfahren, sondern auch auf die damit gezüchteten Samen und ausgewachsenen Pflanzen. Mitte Juli begannen nun die Verhandlungen zum "Fall Brokkoli". Auch Umweltschutzorganisationen wie "Greenpeace", "Kein Patent auf Leben", "Save Our Seeds" und weitere Gegner von Biopatenten wollen sich dort Gehör verschaffen. Im Fokus der Diskussion stehen dabei nicht nur technische Details, sondern vor allem auch ethische Fragen, die Rolle der Landwirtschaft und die Wertung geistiger Arbeit.

Bereits 2002 gewährte das EPA der britischen Firma Plant Bioscience das umstrittene Patent, weil es das Herstellungsverfahren der Nutzpflanze als Erfindung wertete und nicht als Züchtung. Das Patent schützt ein auf einem Gentest beruhendes Auswahlverfahren, mit dem Brokkoli mit einem hohen Anteil von Senfölverbindungen (Glucosinolat) gezüchtet werden kann. Glucosinolate sind Stoffe, die wissenschaftlichen Studien zufolge die Entstehung von Tumoren hemmen können. Bei dem Verfahren werden die für die Produktion von Glucisinolat verantwortlichen Gene im Brokkoli-Erbgut ermittelt und mit "Marker-Genen" kennzeichnet. Für die Zucht werden dann gezielt die Pflanzen mit dem vielversprechenden Inhaltsstoff ausgewählt. Durch den molekularen Marker kann man bereits im Labor erkennen, ob ein Nachkomme die gewünschte Eigenschaft hat oder nicht und somit das Zuchtverfahren beschleunigen. Das Verfahren kombiniert damit konventionelle Zuchtverfahren mit einem gentechnischen Schritt, der gezielten Selektion einzelner Gene. 

Protest von 300 Verbänden

Während der ersten Anhörungen in München protestierte ein Bündnis aus 300 Verbänden vor dem Europäischen Patentamt gegen die Patentierung von Pflanzen, Tieren, Saatgut und Lebensmitteln. Die Kritiker befürchten, dass durch zu weit gefasste Patente deren Inhaber Ansprüche auf ganze Tier- und Pflanzenarten erheben könnten. Weiterhin warnen sie vor einer Gefährdung der biologischen Vielfalt, einer Monopolstellung der Patent-Inhaber und steigenden Preise durch Patente auf neue Tier- und Pflanzenzüchtungen. 

#####bildbox1#####
Eine Entscheidung des Patentstreits wird für Herbst 2010 erwartet.

Eine Entscheidung des Patentstreits wird für Herbst 2010 erwartet.

Bildquelle: © iStockphoto.com/Christopher Stokes

Auch der Deutsche Bauernverband warnt davor, klassische Züchtungsverfahren zu patentieren und fordert, dass die Züchter auch weiterhin alle zur Verfügung stehenden Verfahren und sämtliches genetisches Material verwenden dürfen für die Züchtung neuer Sorten. 

Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter fordert, dass die Kombination biologischer und technischer Selektionsschritte keinen Anspruch auf den Schutz des daraus resultierenden Produkts begründet, dass es nicht möglich ist, biologisches Material unabhängig vom Herstellungsverfahren schützen zu lassen, und dass die Züchtungsausnahme gilt, d. h. dass die Patentierung einzelner genetischer Eigenschaften keine Ausweitung des Patentschutzes auf die gesamte Pflanze bewirkt. 

Eine zu große Reichweite von Biopatenten sieht auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kritisch. Denn anders als das Sortenschutzrecht, das Züchtern Zugang zu dem Saatgut geschützter Sorten bietet, gewährt das Patentrecht Erfindern exklusiven Schutz für 20 Jahre. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert, neue Verfahren in der Pflanzen- und Tierzucht nicht wie sonstige technische Herstellungsprozesse zu behandeln. Zwar sei die Patentierung von biotechnischen Verfahren nicht per se negativ zu bewerten – sie ermögliche schließlich die Refinanzierung der hohen Entwicklungskosten neuer Verfahren und Sorten – kritisch sei jedoch, wenn in derartige Verfahrenspatente die damit erzeugten Pflanzen und Tiere einbezogen werden.

Konsequenzen der Entscheidung

Eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des EPA wird frühestens im Oktober erwartet. Sie soll neben der Klärung des Brokkoli-Streits auch klarstellen, ob es sich beim Eingriff und der Markierung von pflanzlichem Genmaterial um einen technischen oder biologischen Vorgang handelt. Definiert die Beschwerdekammer Züchtungen wie den Glucisinolat-Brokkoli patentrechtlich als technische Methode, dann wären von dieser Entscheidung auch die etwa hundert ähnlichen Patente betroffen, die laut EPA bereits erteilt worden sind – sowie die dem EPA derzeit vorliegenden weiteren Patentanträge.

Neben den Verhandlungen beim EPA geht auch die politische Debatte um Pflanzenpatente weiter. Schon im September wollen die europäischen Länder auf einem Symposion des Bundeslandwirtschaftsministeriums die Frage der Reichweite von Biopatenten diskutieren: Da die große Masse der Biopatente beim Europäischen Patentamt angemeldet wird, wären nationale Alleingänge wenig effektiv.


Zum Weiterlesen:

  • Greenpeace - Der Brokkoli-Fall. Ein Gemüse schreibt europäische Patentgeschichte. (link