Gentechnisch veränderte Pflanzen der zweiten Generation

GV-Pflanzen sind nicht mehr von traditionellen Züchtungsprodukten zu unterscheiden

17.04.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Beim genome editing schneiden

Beim genome editing schneiden "molekulare Scheren" an genau festgelegten Stellen das Erbgut auseinander. (Bildquelle: © Gernot Krautberger - Fotolia.com)

Neue Methoden erlauben es, exakt bestimmte Orte im Erbgut anzusteuern und die Erbinformation punktgenau zu verändert. So lassen sich Pflanzen erzeugen, deren Inhaltstoffe gesünder sind oder Umwelteinflüssen wie Hitze, Trockenheit oder Salzstress besser trotzen können. Kritikpunkte an der grünen Gentechnik werden dadurch beseitigt: Bisher waren die nicht exakt vorhersagbare Position eines artfremden Gens im Erbgut oder die Übertragung von Genen zur Markierung der DNA ein Dorn im Auge von Gentechnikgegnern. Nun lassen sich Pflanzen mittels dieser neuen Methoden entwickeln, welche nicht mehr von denen zu unterscheiden sind, die durch klassische Züchtung entstanden sind und im Supermarkt verkauft werden. Die Erkenntnisse, die den neuen Methoden zugrunde liegenden sind dabei gar nicht so neu. Sie gehen auf Entdeckungen in den späten 80iger Jahren zurück. Ihre Nutzung zur Veränderung des Erbguts ist jedoch neu.

Im Jahr 2014 wurden die ersten Pflanzen in Kanada und den USA für den Anbau zugelassen, die mit Hilfe neuer Gentechnik-Methoden, dem sogenannten “genome editing”, entstanden sind. Solche Pflanzen enthalten keine artfremde Erbinformation (Transgene). Damit diese auch den Endverbraucher überzeugen, wurden die Pflanzen so verändert, dass diese gesünder sind. Darunter befindet sich eine Kartoffel. Bei der Herstellung von Pommes frites entsteht beim Frittieren Acrylamid. Acrylamid entsteht aber auch beim Backen und Braten und gilt als potentiell krebserregend. Bei der neuen Kartoffel-Sorte entstehen 75 Prozent weniger Acrylamide beim Frittieren. Die zweite zugelassene Pflanze ist eine Luzerne, eine aus Persien stammende und weltweit angebaute, proteinreiche Feldfrucht, die als Viehfutter, aber auch zur direkten menschlichen Ernährung genutzt wird. Die neue Sorte ist für Tiere besser verdaulich. Erreicht wurde dies, indem der Anteil an schwerverdaulichem Lignin in den Zellwänden vermindert wurde.

Gentechnik im Wandel

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Video: Was ist Genome Editing?
(Quelle: biotechgermany / youtube.com)

Aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung - mit Prognosen von über 9,5 Milliarden Menschen im Jahr 2050 - aber auch durch veränderte Umweltbedingungen und den Schwund von nutzbaren Ackerflächen, steht die Landwirtschaft und mit ihr die Pflanzenzüchtung vor großen Herausforderungen. Mehr als jemals zuvor ist es notwendig, Nutzpflanzen zu optimieren und den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Das wird mit Hilfe der klassischen Züchtung, aber unterstützt durch neue Methoden geschehen. Die neuen molekularbiologischen Techniken ermöglichen es, ganz bestimmte Orte im Erbgut präzise anzusteuern und dort die eigenen Gene der Pflanze gezielt zu verändern. Nicht nur die Pflanzenzüchtung, sondern viele Forschungsbereiche in der Biologie und Medizin werden durch diese Methoden verändert. In Fachjournalen und Internetforen diskutieren deshalb Wissenschaftler verstärkt über ethische und moralische Fragen. Sie debattieren darüber, was Wissenschaft darf und was nicht.

Die Methoden

Zurzeit werden mehrere Methoden eingesetzt, um eine gezielte Veränderung von Genomen zu erreichen.

Der Ansatz der Genom Editierung (Engl. genome editing) nutzt die Fähigkeit bestimmter Enzyme, Erbsubstanz an spezifischen Stellen aufzuschneiden und anschließend punktgenau, durch zelleigene Reparaturmechanismen instand zu setzen. Jedoch nicht ohne zuvor gezielte Veränderung des Gens vorzunehmen. Basis dieser „cut-and-repair“-Systeme sind sogenannte Nukleasen. Nukleasen sind Enzyme, die den Doppelstrang der DNA an ganz spezifischen Stellen zerschneiden. Die molekularen Scheren sind nach natürlichen Vorbildern künstlich hergestellte Enzyme, dazu zählen Meganukleasen, Zinkfingernukleasen, TAL-Effektoren und der Enzyme der CRISPR/Cas-Systeme.

Die Enzyme benutzen eine Sequenz-spezifische Erkennung der Ziel-DNA. Der DNA-Strang wird im Bereich der Erkennungssequenz durchgeschnitten. Danach reparieren zellinterne Mechanismen die Bruchstelle in der DNA. Diese Reparaturmechanismen sind häufig fehlerhaft. An der Reparaturstelle kann es zum Verlust (Deletion) aber auch zum Hinzufügen (Insertion) von einzelnen Basen (Nukleotiden) kommen. Häufig führen diese Veränderungen einer einzelnen oder einiger weniger Basenpaare zum Verlust der Funktion eines Gens, da ein entsprechendes funktionsfähiges Protein nicht mehr gebildet wird. Abgeleitet von Insertion und Deletion werden die Bereiche, wo diese Mutationen entstehen, Indels genannt.

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In den 90er Jahren wurden die ersten Pflanzen, die mit Hilfe der Gentechnik erzeugt wurden, zugelassen und angebaut. Weltweit konzentriert sich der Einsatz der Gentechnik hauptsächlich auf vier Kulturpflanzenarten: Mais, Soja, Baumwolle und Raps. Die Akzeptanz für den Einsatz diese Technologie ist gerade im Lebensmittel- und Futtermittel-Bereich in Europa und insbesondere in Deutschland gering.

In den 90er Jahren wurden die ersten Pflanzen, die mit Hilfe der Gentechnik erzeugt wurden, zugelassen und angebaut. Weltweit konzentriert sich der Einsatz der Gentechnik hauptsächlich auf vier Kulturpflanzenarten: Mais, Soja, Baumwolle und Raps. Die Akzeptanz für den Einsatz diese Technologie ist gerade im Lebensmittel- und Futtermittel-Bereich in Europa und insbesondere in Deutschland gering.

Bildquelle: © sp4764 - Fotolia.com

Andere Methoden sind die sogenannten Oligonukleotid-basierte Techniken. Das sind in vitro-Methoden, um Mutationen in einer bekannten DNA-Sequenz zu erzeugen. Daher werden diese auch gerichtete Mutagenese (Engl. site-directed Mutagenese) genannt. Bei der Mutation kann es sich um eine Punktmutation handeln, es können aber auch mehrere Basenpaare eingefügt oder entfernt werden. Für diese Methode wird ein kurzes DNA-Molekül, der sogenannte Primer, als Startpunktsequenz künstlich hergestellt. Dieses Molekül enthält die gewünschte Mutation und passt genau zur Basenabfolge des Zielgens. Mittels Polymerase Kettenreaktion (PCR) wird im Reagenzglas eine Genkopie erzeugt, welche durch die eingefügte Mutation leicht von der des Zielgens abweicht. Das veränderte Gen wird wieder in die Zellen des Wirtsorganismus eingebracht.

Als dritte Methode kommt die RNA-Interferenz (RNAi) zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Verteidigungsmechanismus einer Zelle gegen Viren. Da Viren viele Organismen befallen können, kommt RNA-Interferenz nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei Tieren, Pilzen und in menschlichen Zellen vor. Doppelsträngige RNA-Stücke entstehen bei der zellinternen Vermehrung der Viren. Diese Stücke werden als Fremdkörper erkannt. Zelleigene Enzyme zerschneiden den RNA-Doppelstrang, es entstehen kleinere Fragmente (siRNA: small interfering RNA) mit einer Länge von 21 bis 23 Basenpaaren. Ein anderes Enzym bildet mit einem Einzelstrang des siRNA-Stücks und einem komplementären Boten-RNA-Strang der Wirtszelle einen Komplex. Dieser Komplex wird erkannt und durch zelleigene Schutzsysteme zerstört.

Die kleinen Bruchstücke der mRNA sind sehr instabil und werden rasch abgebaut. Die Ausbildung eines Proteins wird nach dem Ablesen des Gens unterbunden, weshalb Experten auch von einem post-transkriptionalen Gene Silencing (PTGS) sprechen. Da siRNA-Moleküle nicht nur durch Viren, sondern auch künstlich, passgenau zu einer Gensequenz im Organismus herstellen lassen, können ausgewählte Gene gezielt abgeschaltet werden.

Allen drei Ansätzen ist gemeinsam, dass diese auf natürlichen Prozessen beruhen. In der Regel sind es Verteidigungs- bzw. Abwehrreaktion und Reparaturmechanismen, die genutzt werden.

Was macht den Unterschied?

Die durch “genome editing” erzeugten Mutationen unterscheiden sich nicht von Veränderungen, die in der Natur vorkommen oder mit Hilfe der klassischen Züchtung erzeugt werden. Einziger Unterschied ist, dass diese bewusst auf ein Zielgen ausgerichtet werden. Durch die Sequenzierung der DNA kann die Veränderung eines Gens nachgewiesen werden. Jedoch kann nicht nachgewiesen werden, durch welche Methode diese Veränderung entstanden ist. Diese kann auch ganz ohne menschliches Zutun in der Natur durch einen Virusbefall ausgelöst worden sein. Von den nicht veränderten Organismen lassen sich diese nur noch durch die in einer einzigen oder einigen wenigen Basenpaaren veränderte Sequenz oder eine veränderte Funktion bzw. ein verändertes Produkt unterscheiden. So könnte z. B. Rapsöl einen höheren Anteil von mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie alpha-Linolensäure und Linolsäure enthalten.

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In den USA wurde eine GV-Kartoffel zugelassen, die mit Hilfe neuer Gentechnik-Methoden, dem sogenannten “genome editing”, entstanden ist. Ihr Vorteil: Wird Sie hohen Temperaturen z. B. beim Frittieren ausgesetzt, entstehen 75 Prozent weniger Acrylamide. Acrylamid gilt als potentiell krebserregend.

In den USA wurde eine GV-Kartoffel zugelassen, die mit Hilfe neuer Gentechnik-Methoden, dem sogenannten “genome editing”, entstanden ist. Ihr Vorteil: Wird Sie hohen Temperaturen z. B. beim Frittieren ausgesetzt, entstehen 75 Prozent weniger Acrylamide. Acrylamid gilt als potentiell krebserregend.

Bildquelle: © radopix - Fotolia.com

Mit den GV-Pflanzen der zweiten Generation stellt sich eine andere Frage. Sind diese überhaupt noch gentechnisch veränderte Organismen (GVO)? Wenn ja, müssten dann nicht alle Pflanzen, welche durch klassische Züchtung entstanden sind oder durch einen Virusbefall in ihrer Erbsubstanz verändert wurden, als gentechnisch veränderte Organismen eingestuft werden? Nach der geltenden Definition der EU-Kommission sind alle Organismen als GVO einzustufen, die auf eine Weise verändert wurden, wie dies in der Natur nicht vorkommt. In der Natur entstehen jedoch von ganz alleine - ohne menschlichen Einfluss - die seltsamsten Organismen (siehe Beitrag Evolution unter der Lupe). Organismen wie sie kein Wissenschaftler bisher erschaffen kann.

Manche Pflanzen nehmen in großen Mengen artfremde DNA in ihr Genom auf. So enthält das Mitochondriengenom von Amborella trichopoda, eine baumartigen Pflanze in Neu-Caledonien, sechs komplette Mitochondriengenome von anderen Arten. In Reispflanzen werden pro Generation 25 Transposons (kleine DNA-Stücke viralen Ursprungs) in das Erbgut eingefügt. Das menschliche Genom besteht zu einem Großteil aus Virus-DNA. In jedem Fall gilt für alle Lebewesen, dass das Genom einer Generation sich also von dem der nächsten Generation unterscheidet, was nicht nur durch die Vermischung der beiden Elterngenome begründet ist. Immer wieder entstehen neue Arten durch die Verschmelzung von Keimzellen zweier unterschiedlicher Arten. Bekannte Beispiele für solche allopolyploiden Pflanzen sind der Brotweizen und der Hartweizen (siehe: Pflanzen im Fokus: Weizen) oder die Pflanzen Tragopogon miscellus und Tragopogon mirus. Diese sind, da sie erst in den letzten 200 Jahren entstanden sind, für die Wissenschaftler ein wichtiges Modelsystem zur Aufklärung der Artenbildung. Schon länger fordern Wissenschaftler, dass weniger die Methode wie etwas entstanden ist, sondern der damit erzielte Effekt, das veränderte Merkmal, bewertet werden sollten.

Gesetzlicher Rahmen bleibt hinter der Forschung zurück

Spätestens seit dem es möglich ist, die in der Natur vorkommenden Prozesse gezielt im Labor zu nutzen, kann nicht mehr unterschieden werden, ob eine Mutation spontan entstanden ist, durch Mutationszüchtung induziert oder mittels “genome editing” erzeugt wurde. Dadurch werden die gesetzlichen Regulierungen für die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen unklar und verschwommen. Im Moment gibt es kein weltweit gültiges Verfahren. Einige Staaten, wie z. B. Kanada haben auf dieser Veränderungen reagiert und nutzen ein Produkt-basiertes Zulassungsverfahren für neue Sorten. Andere - darunter die EU - halten am Prozess basierten Verfahren fest, bei dem die Art und Weise wie ein Organismus erzeugt wurde bewertet wird. Das Gesetze und Regeln für den Umgang mit diesen Organismen und die von Ihnen möglicherweise ausgehende Gefährdungen nötig sind, steht außer Frage. Das Prinzip der Vorsorge aber auch Haftungsfragen basieren auf diesen. Mit den gesammelten Erfahrungen der GVO der ersten Generation setzen die Wissenschaftler von Anfang an auf eine offene Informationspolitik. Sie treiben und führen die Diskussion.

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Grüne Gentechnik der Vergangenheit

Grüne Gentechnik bezeichnet die Anwendung von molekularbiologischen Methoden zur Herstellung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GV-Pflanzen), in deren Erbgut gezielt einzelne Gene eingebaut werden oder auch Gene ausgeschaltet werden. Beim Einfügen von Genen wurden auch Artgrenzen überschritten und sogenanntes transgenes - also artfremdes - Material eingefügt, welches aus Pilzen, Bakterien oder Algen stammen konnte. Die dafür erforderlichen molekularbiologischen Methoden können nur von ausgebildeten Wissenschaftlern in speziellen Laboratorien angewendet werden. Auch die Durchführung der Arbeiten ist in Deutschland streng geregelt und sie benötigen genau wie die Laboratorien eine Genehmigung durch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS).

In den 90er Jahren wurden die ersten Pflanzen, welche mit Hilfe der Gentechnik erzeugt wurden, zugelassen und angebaut. Bei den GV-Pflanzen der ersten Generation wurde die Funktion bestimmter Gene durch Antisense-Technik oder Überexpression (Verstärkung) verändert. Anderen Nutzpflanzen wurden Gene eingebaut, die eine Toleranz gegen Herbizide oder Resistenzen gegen Insekten bewirken und aus anderen Organismen stammen.

Die Akzeptanz für den Einsatz diese Technologie gerade im Lebensmittel- und Futtermittel-Bereich ist in Europa und insbesondere in Deutschland gering. Seit 2013 werden in Deutschland keine GV-Pflanzen mehr angebaut. Nicht einmal mehr zu Versuchszwecken (Freisetzungsversuche). In anderen Teilen der Welt sieht das anders aus. Zeitgleich wurden im Jahr 2013 weltweit 181 Millionen Hektar GV-Pflanzen angebaut. In den USA betrug der Anbau 70,1 Millionen Hektar, das entspricht  44%  Prozent der Ackerfläche des Landes. Allein der Anbau in den USA beträgt das 3,8-fache der gesamten deutschen Landwirtschaftsfläche von insgesamt 18,6 Millionen Hektar.

Wissenschaftlich sind bisher keine schädlichen Effekte der GV–Pflanzen auf die Umwelt oder die Gesundheit von Konsumenten nachweisbar (siehe den Beitrag: „Kein höheres Risiko“). Trotzdem besteht in Deutschland bei großen Teilen der Bevölkerung eine ablehnende Haltung gegenüber Pflanzen, welche mit Hilfe der Gentechnik modifizierte werden. Gentechnische Methoden werden im großen Maβstab in der Lebensmittelverarbeitung, in der Medizin und bei der Arzneimittelherstellung eingesetzt. In diesen Bereichen ist die Akzeptanz der Bevölkerung gegeben. Das wahrgenommene Gefährdungspotenzial für die eigene Gesundheit wird im Vergleich zum Nutzen als gering eingeschätzt.


Quellen:

  • Araki, M. und Tetsuya, I. (2015): Towards social acceptance of plant breeding by genome editing. In: Trends Plant Science 2015, Vol. 20 (3), (März 2015), doi: 10.1016/j.tplants.2015.01.010.
  • “Next chapter in GMO debate”. In: European Biotechnology, Vol. 14, Frühjahr 2015: 6-7.

Weitere Informationen zu den Methoden:

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Beim genome editing schneiden "molekulare Scheren" an genau festgelegten Stellen das Erbgut auseinander. (Bildquelle: © Gernot Krautberger - Fotolia.com)