Bienen für eine gesunde Welternährung
Das Verschwinden vieler Insektenarten, könnte auch Konsequenzen für die Qualität unserer Ernährung haben. Deutsche und kalifornische Wissenschaftler zeigen, dass besonders Kulturpflanzen, die von Tieren bestäubt werden, entscheidend zur globalen Nährstoffversorgung beitragen.
Ob Kirsche oder Kiwi – viele wichtige Kulturpflanzen sind Blütenpflanzen, die erst durch Fremdbestäubung ihre hohen Erträge erreichen. Mit süßem Nektar locken sie Insekten und andere Tiere in ihre tiefen Blütenkelche. Pollen, die männlichen Keimzellen aus den Staubfäden, bleiben dabei an den pelzigen Körpern hängen und werden so zur nächsten Blüte bzw. auf deren weiblichen Stempel getragen.
Weltweit sind 35 % aller menschlichen Nahrungsmittel direkt oder indirekt von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Deren Wert für die globale Landwirtschaft wurde 2009 auf 153 Milliarden Euro geschätzt. In den vergangenen Jahrzehnten haben jedoch Pflanzenschutzmittel, Krankheitserreger und die Zerstörung der natürlichen Lebensräume in einigen Ländern zu einem dramatischen Rückgang an Bienen und anderen bestäubenden Insekten geführt. In den USA schrumpften beispielsweise die Bestände einiger Hummelarten bis zu 90 Prozent in den letzten zehn Jahren.
Eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg zeigt jetzt erstmals, dass das Insektensterben auch die Qualität der Welternährung beeinflussen könnte. Das deutsch-kalifornische Forscherteam um die Agrarökologin Alexandra-Maria Klein wertete Daten zum Nährstoffgehalt von mehr als 150 Kulturpflanzen aus und berechnete deren Anteil am globalen Pflanzenanbau. Kulturpflanzen, deren Erträge besonders von der Bestäubung durch Insekten abhängen, wie es beispielsweise bei Wassermelonen, Avocados, Kirschen und Aprikosen der Fall ist, enthalten demzufolge auch den höchsten Anteil an bestimmten Nährstoffen, die für eine gesunde Ernährung wichtig sind.
Tierbestäubte Pflanzen liefern essentielle Nährstoffe
Nach den Ergebnissen der Wissenschaftlerinnen stammt der Anteil an pflanzlich-produziertem Vitamin A, unter anderem wichtig für den menschlichen Sehvorgang, zu 70 % aus tierbestäubten Nutzpflanzen. Ein Mangel des Vitamins wird als weltweite Ursache für die Erblindung von 500.000 Kindern jährlich angesehen.
Bei den als „Radikalfängern“ bekannten Vitaminen Vitamin C und Beta-Carotin, die menschliche Zellen vor schädlichen Abbauprodukten schützen, werden sogar über 90 % durch Bestäuber-abhängige Pflanzen produziert. Auch der Anteil an pflanzlichem Calcium und Fluorid, Mineralstoffe, die Knochen und Zähnen Stabilität verleihen, stammen zur Hälfte aus dem Anbau insektenbestäubter Nutzpflanzen wie beispielsweise Mandeln oder Spinat. Besonders für Länder, die aus kulturellen oder finanziellen Gründen keine Milchprodukte konsumieren, sind Pflanzen eine wichtige Calciumquelle.
Sollte die Anzahl bestäubender Tiere weiterhin abnehmen, so könnte es demzufolge auch zu Engpässen bei der menschlichen Nährstoffversorgung kommen. 40 % aller durch Pflanzen bereitgestellter, essentieller Nährstoffe könnten dadurch verloren gehen, so die Einschätzung der Wissenschaftlerinnen.
Kein Ersatz für Obst und Gemüse
In den USA wird einem Nährstoffmangel teilweise mit der Zugabe von synthetischen Zusatzstoffen vorgebeugt. Beispielsweise wird Getreidemehl das Vitamin Folsäure beigemischt, das auch in Bohnen und Blattgemüse vorkommt. Besonders Schwangere haben einen erhöhten Folsäure-Bedarf, denn ein Folsäure-Mangel kann den sogenannten Neuralrohrdefekt bei Neugeborenen hervorrufen.
Den Versuch, das Fehlen pflanzlicher Nahrungsmittel mit synthetisch hergestellten Vitaminen zu kompensieren, beurteilen die Wissenschaftler allerdings skeptisch. Elisabeth Eilers, Autorin der Studie meint dazu: „Die Inhaltsstoffe von Früchten und Gemüse sind oft viel zu komplex, als dass man sie ohne Weiteres durch synthetische Produkte ersetzen kann. Oft liegen Nährstoffe in pflanzlichen Produkten schon so vor, dass sie auch am besten verfügbar sind. Beispielsweise macht es keinen Sinn, Eisen zu Cornflakes zuzusetzen, die dann aber mit Milch gegessen werden, da eine Gegenwart von Calcium die Eisenaufnahme blockiert.“
Auch Kulturpflanzen profitieren von einer Bestäuber-Vielfalt
Inwieweit sich ein Rückgang bestimmter Insektenarten tatsächlich auf die Erträge von Kulturpflanzen auswirkt, ist bisher noch nicht untersucht worden. „Den Rückgang von wildlebenden Insektenarten in bestimmten Regionen mit landwirtschaftlichen Erträgen in Zusammenhang zu bringen ist schwierig, da es für solche Teilregionen oft gar keine Zahlen gibt“, erklärt Eilers.
In Deutschland wurden bisher zumindest keine Ernteausfälle gemeldet, die mit einem Rückgang an Bienen oder anderen Bestäubern zu erklären wären. Tatsache ist jedoch, dass in Großbritannien und den Niederlanden innerhalb von 30 Jahren ein Rückgang von bis zu 70 % der Wildpflanzenarten beobachtet wurde, der direkt mit dem Verschwinden bestimmter Bienenarten zusammen zu hängen scheint.
Auch Alexandra-Maria Klein, die seit mehr als 10 Jahren an den Wechselwirkungen zwischen Bestäubern und Pflanzen forscht, betont wie wichtig eine Insektenvielfalt für den Bestand von Wild- und Nutzpflanzen ist: „Es gibt beispielsweise kleine Wildbienenarten, die sehr viel effektiver bestäuben als größere Honigbienen, weil sie tiefer in die Blüte gelangen und den Pollen gleichmäßiger auf der weiblichen Narbe verteilen. Das kann sich wiederum auf die Größe und Form der Frucht auswirken.“
Momentan untersucht ihr Team an kalifornischen Mandelbäumen, ob sich unterschiedliche Bestäubung auch auf die Qualität der Früchte auswirken könnte. Honigbienen, so zeigen die ersten Beobachtungen, sind eigentlich für Mandelbäume keine optimalen Bestäuber, da sie immer wieder die gleichen Bäume anfliegen. Sandbienen und andere Wildbienen dagegen kreuzen zwischen den Baumreihen und wechseln zwischen verschiedenen Mandelsorten. Sie erhöhen dadurch die genetische Vielfalt des Erbmaterials und liefern qualitativ hochwertigeren Pollen. Solche Bestäuber kommen aber nur vor, wenn sich ihr natürlicher Lebensraum auch in der Nähe einer Mandelplantage befindet.
Schmeckt Bienen-Kaffee besser?
Möglicherweise hat das sogar Auswirkungen auf die Inhaltsstoffe von Mandeln. „Ein Mandelbaum kann ohne Insektenbestäubung kaum Mandeln tragen, aber die wenigen die er bis zur Reife trägt sind sehr groß und schmecken nicht gut.“, so Klein. Ähnliche Geschmackstest seien auch an Kaffee durchgeführt worden. Dabei schnitten Bohnen, die von selbstbestäubten Kaffeepflanzen stammten, schlechter ab, als Bohnen, die durch Insektenbestäubung „gezeugt“ wurden. Die Forscher sind jetzt gespannt, ob sich die durch unterschiedliche Bestäubung entstandenen Mandeln, tatsächlich auch in ihren Inhaltsstoffen unterscheiden.
Möglicherweise sichern pflanzenbestäubende Tierarten nicht nur die hohen Erträge wichtiger Kulturpflanzen, sondern auch die Qualität pflanzlicher Nahrungsmittel.
Quelle:
Eilers,J. et al. (2011): Contribution of Pollinator-Mediated Crops to Nutrients in the Human Food Supply. In: PLoS ONE 6(6): e21363, (22. Juni 2011), doi:10.1371/journal.pone.0021363.
Weiterführende Informationen:
Potts, S. et al. (2010): Global pollinator declines: trends, impacts and drivers. In: Trends in Ecology and Evolution 25(6), (Juni 2010), doi:10.1016/j.tree.2010.01.007.
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