Bombenentschärfung

Weißfäule-Pilz legen die „Senföl-Bombe“ der Kreuzblütler lahm

06.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Blatt der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana weist eine Infektion mit dem Pilz Sclerotinia sclerotiorum auf. (Bildquelle: © Anna Schroll)

Das Blatt der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana weist eine Infektion mit dem Pilz Sclerotinia sclerotiorum auf. (Bildquelle: © Anna Schroll)

Pflanzen wehren sich auf unterschiedliche Weise gegen Insektenfraß und Krankheitserreger. Kreuzblütler nutzen die sogenannte „Senföl-Bombe“ gegen ihre Feinde. Dabei werden in einer chemischen Reaktion giftige Isothiocyanate gebildet, die Krankheitserreger wie Pilze wirksam abwehren können. Forscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Universität Pretoria (Südafrika) haben diesen Abwehrprozess nun im Detail untersucht. Besonders interessant für sie waren die Erreger, die eine Senföl-Bombe „entschärfen“ und sich so auf Pflanzen ausbreiten können.

Dr. Jingyuan Chen, Mitarbeiterin der Abteilung Biochemie in Jena, hat dabei einen Vertreter und seine Entgiftungsstrategie ganz genau studiert: den Weißfäule-Pilz Sclerotinia sclerotiorum. Sie erläutert: „Wir wollten herausfinden, wie Schaderreger die Pflanzen trotzdem erfolgreich infizieren können und dabei die pflanzliche Verteidigung überwinden. Wir stellten uns daher die Frage, wie der weitverbreitete Pflanzenpilz an die chemische Abwehr von Kohlpflanzen angepasst ist.“

Weißfäule befällt viele Kulturpflanzen

Die Forschung an Sclerotinia sclerotiorum ist außerordentlich bedeutsam. Denn der Pilzerreger ruft die in der Landwirtschaft gefürchtete Weißstängeligkeit bei befallenen Pflanzen hervor. Im Rapsanbau wird diese auch als Rapskrebs bezeichnet. Große Schäden entstehen vor allem in Jahren mit feucht-warmen Frühsommern. Bei einem Befall breitet sich das weiß-flaumige Pilzgewebe nach und nach über den gesamten Stängel aus und führt zum Abknicken und Welken der Pflanze. Mehr als 400 Pflanzenarten kann S. sclerotiorum potenziell infizieren – darunter Kohlarten, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Erdbeeren.

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Wachstum des Pilzes Sclerotinia sclerotiorum auf einem Nährmedium: Sichtbar sind die verschiedenen Entwicklungsstadien des Erregers.

Wachstum des Pilzes Sclerotinia sclerotiorum auf einem Nährmedium: Sichtbar sind die verschiedenen Entwicklungsstadien des Erregers.

Bildquelle: © Anna Schroll

Wie die Senföl-Bombe funktioniert

Für die Versuche nutzte das Forscherteam unterschiedliche Pflanzenarten der Gattung Arabidopsis (Schaumkressen). An ihnen wurde die Senföl-Bombe als Abwehrstrategie bei Insektenfraß bereits 2003 untersucht. Wird das Pflanzengewebe einer Schaumkressenpflanze durch Fraßfeinde angegriffen, kommen in den Pflanzenzellen befindliche Senfölglycoside (Glucosinolat) mit einem Enzym (Myrosinase) in Kontakt und werden zu einer Vielzahl von Stoffen hydrolisiert, zu denen Isothiocyanate, Thiocyanate und Nitrile gehören. Da die Freisetzung der Abwehrstoffe immer nur dann ausgelöst wird, wenn die zwei Komponenten miteinander zusammentreffen, bezeichnet man das Glucosinolat-Myrosinase-System als „Senföl-Bombe“.

Zwei Entgiftungswege zur Entschärfung der „Bombe“

Auch bei Versuchen mit Weißfäule-Pilz infizierten Arabisopsis-Pflanzen wurde die Senföl-Bombe aktiv. Um die Effektivität dieses Abwehrmechanismus nachzuweisen, nutzte das Forscherteam Wildpflanzen und zum Vergleich Mutantenpflanzen, in denen entweder die Myrosinaseaktivität oder die Produktion von Senfölglycosiden gehemmt waren.

Bei allen Mutanten wurde ein stärker ausgeprägter Befall von S. sclerotiorum als auf den Wildtypen sichtbar. Dabei entdeckten die Wissenschaftler zwei unterschiedliche Strategien des Pilzes, die Senföl-Bombe abzuwehren: Zum einen setzt der Pilz einen allgemeinen Entgiftungsmechanismus in Gang, bei dem der Stoff Glutathion an die giftigen Isothiocyanate gebunden wird. Diese Art von Entgiftung findet man häufig bei Insekten und Säugetieren. Zum anderen nutzt S. sclerotiorum aber auch einen weitaus effektiveren Weg, um die Isothiocyanate unschädlich zu machen – die Hydrolyse, also die enzymatische Spaltung der Giftstoffe mithilfe von Wasser.

Auf der Suche nach den verantwortlichen Genen

Den Forscherinnen und Forschern gelang es anschließend, die beteiligten Enzyme und Gene für diesen Entgiftungsmechanismus zu identifizieren. Aus Studien an Bakterien waren solche Entgiftungsgene für Isothiocyanate bereits bekannt und als Sax-Gene bezeichnet worden – Survival in Arabidopsis eXtracts (Überleben in Extrakten von Arabidopsis). „Wir konzentrierten unsere Suche auf die bereits bekannten SaxA-Proteine, um Kandidatengene für unsere Untersuchungen auszuwählen. Dann testeten wir, ob diese Gene in Pilzen, die den Giftstoffen ausgesetzt waren, wirklich aktiviert werden, und ob das resultierende Protein die Giftstoffe unschädlich machen kann“, beschreibt Daniel Vassão, einer der Studienleiter.

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Daniel Vassão und Jingyuan Chen untersuchen das Wachstum des Pilzes Sclerotinia sclerotiorum auf einem Nährmedium.

Daniel Vassão und Jingyuan Chen untersuchen das Wachstum des Pilzes Sclerotinia sclerotiorum auf einem Nährmedium.

Bildquelle: © Anna Schroll

SaxA- Gene sind entscheidend bei der Entgiftung

Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass Sax-Gene im Pilz aktiviert werden und das SaxA-Protein gegen eine ganze Reihe von Isothiocanyaten aktiv ist. Mutanten von S. sclerotiorum, denen ein aktives SaxA-Gen fehlt, konnten sich dementsprechend kaum noch gegen die Senföl-Bombe der Pflanzen wehren. „Es war jedoch überraschend, das diese Mutanten den allgemeinen Entgiftungsmechanismus der Glutathion-Bindung hochfuhren, auch wenn dies den Verlust der Isothiocyanat-Hydrolyse nicht vollständig ausgleichen konnte“, sagt Jingyuan Chen.

Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die Abwehr der Senföl-Bombe nur durch Glutathion-Bindung von Isothiocyanaten nicht annähernd so wirkungsvoll ist wie die Hydrolyse des pflanzlichen Abwehrstoffes. Zudem scheint sie für den Pilz „kostenintensiver“ zu sein. „Möglicherweise schützt der allgemeine Entgiftungsmechanismus den Pilz am Anfang, während die speziell gegen die Isothiocyanate gerichtete Strategie erst dann aktiviert wird, wenn der Erreger erstmals diesen Giftstoffen ausgesetzt ist“, meint Vassão.

Welche Pilze nutzen die gleiche Strategie?

Weitere Studien sollen nun zeigen, ob auch andere Schadpilze die Senföl-Bombe der Kreuzblütler über diesen Mechanismus entgiften und wie nicht verwandte Pilzarten Isothiocyanate abbauen. „Dann werden wir wissen, ob sich diese weit verbreitete Entgiftungsstrategie in Pilzen immer wieder neu entwickelt hat, oder ob es sich um ein konserviertes Merkmal handelt, das in vielen Pilzlinien zu finden ist und im Laufe der Evolution erhalten blieb,“ so Jonathan Gershenzon, Direktor der Abteilung Biochemie des Max-Planck-Instituts Jena.


Quelle:
Chen, J. et al. (2020): The phytopathogenic fungus Sclerotinia sclerotiorum detoxifies plant glucosinolate hydrolysis products via an isothiocyanate hydrolase. In: Nature Communication 11: 3090, (18. Juni 2020), doi: 10.1038/s41467-020-16921-2.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Das Blatt der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana weist eine Infektion mit dem Pilz Sclerotinia sclerotiorum auf. Dieser Erreger, der die Weißstängelkrankheit verursacht, kann die Pflanze trotz ihrer chemischen Abwehr besiedeln, indem er zwei Entgiftungsmechanismen nutzt, die die Pflanzengifte außer Kraft setzen. (Bildquelle: © Anna Schroll)