Bürgerkonferenz zur Biodiversität

20.09.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

(Quelle: © World Wide Views)

(Quelle: © World Wide Views)

Eine Bürgerkonferenz zur biologischen Vielfalt formulierte konkrete Aufträge für die Politik. In 25 Ländern der Welt wurde zeitgleich über den Wert der biologischen Vielfalt und Strategien zu deren Erhalt diskutiert. Die Ergebnisse werden im Oktober an politische Entscheidungsträger beim UN-Biodiversitätsgipfel „COP11“ in Indien weitergegeben. Übergeordnetes Ziel dieser Vertragsstaatenkonferenz ist es, Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt voranzutreiben.

Der Verlust von den natürlichen Ressourcen betrifft jeden Einzelnen. Trotzdem mangelt es noch immer an Wissen und am Verständnis für den Erhalt der Natur. Der weltweite Artenverlust geht jedoch ungebremst weiter. Von den weltweit geschätzten 30 bis 40 Millionen Arten sind gerade einmal 2 Millionen bekannt. Das heißt, viele unbekannte Arten gehen vor Ihrer Entdeckung unwiederbringlich verloren. Sie sterben aus und Ursache für das Aussterben ist in vielen Fällen der Mensch.

Der Wunsch diesem Verlust Einhalt zu gebieten, eint die Nationen. Nach wie vor scheitern jedoch Schutzmaßnahmen an unterschiedlichen nationalen Interessen. Prominente Beispiele sind die Vernichtung des Regenwaldes oder die Überfischung der Meere. Umso wichtiger ist es, dass sich die Betroffenen, also wir alle, selbst zu Wort melden. 

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Der Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, Prof. Johannes Vogel begrüßte die Teilnehmer.

Der Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, Prof. Johannes Vogel begrüßte die Teilnehmer.

Bildquelle: © Museum für Naturkunde Berlin

Bürgerdiskussion als Forum

Die Bürgerdiskussion zur biologischen Vielfalt - „World Wide Views on Biodiversity“ - ist der Versuch miteinander zu diskutieren und sich Gehör zu verschaffen. Die Bürgerkonferenz fand am 15. Sepember 2012 an unterschiedlichen Orten der Welt statt. Dass diese Diskussion dabei zeitgleich in 25 Ländern an über 30 Orten realisiert wurde, verschafft den Beteiligten eine stärkere Legitimation.

Das Museum für Naturkunde in Berlin organisierte die deutsche Bürgerkonferenz. Der Veranstaltungsort ist dabei gut gewählt, da das Naturkundemuseum in direkter Nähe zur Politik verortet ist und zu den täglichen Besuchern eine Vielzahl Kinder gehört. Der Verlust der Biodiversität zerstört vor allem die Zukunftschancen für diese Kinder und nachfolgende Generationen.

Pflanzenforschung.de hat die Bürgerkonferenz „World Wide Views on Biodiversity“ thematisch begleitet und gibt einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der Bürgerdiskussion. 

Standardisierter Rahmen mit Raum für mehr

Der genaue Ablauf, die Fragen und die vier thematischen Schwerpunkte waren von den Organisatoren, dem Dänischen Rat für Technologie und zahlreichen Partnern, vorgegeben: Eine allgemeine Einführung in das Thema Biodiversität, die Nutzungskonflikte an Land sowie im Meer und als viertes Thema die Organisation und die Finanzierung des Naturschutzes im globalen Maßstab. Im Vorfeld festgelegte standardisierte Fragen waren die Basis der intensiven Diskussionen an den insgesamt 14 Tischen. Durch diese Standardisierung wird eine gemeinsame Auswertung über alle Länder hinweg möglich. Die Auswertung der Fragebögen konnte unmittelbar nach der Bürgerkonferenz im Internet nachgelesen werden. Mittlerweile liegen für alle beteiligten Länder Ergebnisse vor. 

Für die Teilnehmer waren jedoch die an den Tischen intensiv geführten Diskussionen wichtiger. Auch diese wurden dokumentiert und dienen als Ergänzung der Fragebögen.

Die Handlungsfelder

Als wichtiges Handlungsfeld wurde die Bildung herausgestellt. Die Verbreiterung der Wissensbasis aber auch die Verknüpfung dieses Wissens mit Alltagserfahrungen wurde von den Teilnehmern betont. Dieses konkret Erlebbare ist notwendig, um den sehr abstrakten Begriff „Biodiversität“ in unserem Bewusstsein zu verankern.

Staaten müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Konkret handeln kann und muss jedoch jeder Einzelne. Einige der Anwesenden wurden beim eigenen Tun konkret. Naturerlebnisse, Kochkurse, Kurse zu Arzneipflanzen oder in Berlin besonders populär die Kleingartensparten, wurden als etablierter Aktionsrahmen genannt, den es auszuweiten gilt. Sensibilität und Bewusstsein werden dabei geschaffen und das Wissen erweitert. Manche der Aktiven sprachen von der Notwendigkeit einer Bildungsoffensive über alle Alters- und Gesellschaftsgruppen hinweg.

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Die Teilnehmer konnten sich bei der Bürgerkonferenz „World Wide Views on Biodiversity“ über vielfältige Aspekte des Themas Biodiversität informieren und anschließend in kleinen Gruppen diskutieren.

Die Teilnehmer konnten sich bei der Bürgerkonferenz „World Wide Views on Biodiversity“ über vielfältige Aspekte des Themas Biodiversität informieren und anschließend in kleinen Gruppen diskutieren.

Bildquelle: © Museum für Naturkunde Berlin

Der Fokus sollte jedoch, darin waren sich die Teilnehmer einig, auf den Kindern liegen. Gelingt es diese frühzeitig zu sensibilisieren, kann dadurch auch das Konsumverhalten verändert werden. Ein Beispiel war die Einführung der Mülltrennung. In Kindergärten und Schulen lernen die Kinder wie man Müll trennt und dadurch konnten in kurzer Zeit auch etablierte Gewohnheiten zu Hause verändert werden. Viele Kinder forderten dies regelrecht von ihren Eltern ein.

Bei sich im Kleinen anzufangen kann z.B. auch bedeuten, bewusst auf die Ernährung zu achten und diese zu verändern. Oftmals ist diese ungesund und zum Nachteil der Natur. Ein in diesem Zusammenhang genanntes Beispiel war der steigende Fleischverbrauch in der Welt. Mit knapp 90 kg rangieren wir Deutschland auf einem der vordersten Plätze weltweit. Steigt der Fleischkonsum weiter an, werden mehr Flächen zum Anbau des Futters benötigt. Landwirtschaftliche Flächen dehnen sich aus, so dass Regenwälder und andere Refugien in Bedrängnis geraten und vernichtet werden. Die Reduzierung des Fleischkonsums, ist somit ein wichtiger Schritt, um die landwirtschaftliche Flächenausdehnung einzudämmen. Die Futtermittel für unsere Tiere stammen aus anderen Regionen der Welt. Plakativ formuliert: Wenn wir Fleisch essen, zerstören wir Regenwälder. Da dies oft unbewusst geschieht, ist Aufklärung zu einem zurückhaltenderen Konsum wichtig.

Ein weiteres wichtiges Signal setzten die Teilnehmer in der Forderung Naturschutzgebiete zu erweitern. Konkret wollten sie nicht zahlenmäßig mehr, sondern ausgedehntere Schutzgebiete, die sich an den natürlichen Lebensräumen und an dem Verhalten der in diesen vorkommenden Lebensformen orientieren. Dies schließt terrestrische sowie aquatische Gebiete gleichermaßen ein. Letztere liegen größtenteils jenseits der 200 Seemeilengrenze und damit außerhalb nationaler Einflusssphären. Hochseegebiete sind für den Naturschutz und den Erhalt der natürlichen Vielfalt nach Meinung der Teilnehmer quasi rechtsfreie Räume. Diese müssen dringend in international geltende Rechtsnormen zum Schutz der natürlichen Vielfalt integriert werden. Wobei, dies wurde auch diskutiert, die besten Gesetze und Normen nur etwas bringen, wenn diese eingehalten werden. Aus diesem Kontext ergaben sich neben den Forderungen nach verbindlichen Regeln auch die nach deren Überwachung und Sanktionierung.

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An insgesamt 14 Tischen wurde über die standardisierten Fragen hinweg diskutiert.

An insgesamt 14 Tischen wurde über die standardisierten Fragen hinweg diskutiert.

Bildquelle: © Museum für Naturkunde Berlin

Angerissen wurde auch das Feld der Finanzen. Die Meinungen zu diesem Thema divergierten. Überwiegend soll die Finanzierung auf marktwirtschaftlichen Regeln fußen. Also weg vom Prinzip der freiwilligen Unterstützung hin zu einem international definierten Anteil am Bruttosozialprodukt eines Landes. Gleichzeitig wurde angeregt Prinzipien der Nutzungsabhängigkeit zu etablieren. Werden z.B. durch den Tourismus oder durch die Entwicklung neuer Medikamente auf Basis eines natürlichen Wirkstoffs, Umsätze erzielt, könnte ein Teil dieser Erlöse als Abgabe für die Nutzung der Natur für den Umweltschutz gezahlt werden. Divergent waren die Meinungen ob nur die reichen Industrienationen oder alle Länder in die Verantwortung zur Finanzierung des Naturschutzes einbezogen werden sollten. Erfahrungsgemäß, so das Argument der Befürworter, stärken marktwirtschaftliche Prinzipien Verantwortungs- und Selbstbewusstsein. Eine größere Lastenverteilung auf die Schultern der Industrienationen wurde allgemein als sinnvoll erachtet.

Nächste Schritte

Die Ergebnisse der Bürgerkonferenz werden nun zusammengetragen und veröffentlicht. Der Abschlussbericht wird insbesondere den Delegierten der nächsten Vertragsstaatenkonferenz zur biologische Vielfalt „COP 11“ zur Verfügung gestellt. Die UN-Biodiversitätskonferenz ist mit der Ratifizierung des Übereinkommens zum Schutz der biologischen Vielfalt und der Umsetzung der EU „Biodiversitätsziele 2020“ vertraut. Die Ergebnisse der Bürgerkonferenz sollen den Delegierten dabei als Entscheidungsgrundlage dienen. Die Teilnehmer äußerten den Wunsch kontinuierlich weiter über den Prozess informiert zu werden. Ihre Chance die Politiker die zur „COP 11“ fahren zu fragen, wie ihre konkreten Forderungen und Anregungen in die internationale Vertragsstaatenverhandlung eingebracht wurden, wollen sie versuchen wahrzunehmen. 

Die Informationsmaterialien des „World Wide Views on Biodiversity“, insbesondere die Broschüre und die Filme, sind öffentlich nutzbar und können beispielsweise im Unterricht eingesetzt werden.