Der regulatorische Mittelweg
Australien wird Genom-Editierung nur teilweise regulieren
In Australien werden Methoden der Genom-Editierung, die kein neues genetisches Material einführen, nicht wie gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) reguliert. Die entsprechenden Änderungen der Gentechnikgesetzgebung werden im Oktober in Kraft treten.
Es war ein langer Konsultationsprozess, der im Jahr 2016 begann: Nun hat die australische Regierung bekanntgegeben, die geltende Gentechnikgesetzgebung (die Gentechnik-Verordnungen „Gene Technology Regulations 2001“ unter dem Gentechnikgesetz „Gene Technology Act 2000“ und der entsprechenden Gesetzgebung in den Bundesstaaten und Territorien) zu ändern. Der Änderungsvorschlag kam vom zuständigen „Office of the Gene Technology Regulator (OGTR)“. Die Entscheidungsgrundlage war ein Bericht des OGTR aus dem Jahr 2018 („Technical Review of the Gene Technology Regulations 2001“), der die australische Rechtslage mit Blick auf neue wissenschaftliche Entwicklungen und Erkenntnisse überprüfte.
Mit dem technologischen Wandel Schritt halten
Australien hat damit, wie bereits zuvor die USA, die Europäische Union und zahlreiche andere Länder, den Regulierungsstatus von mit Genom-Editierungsmethoden hergestellten Organismen geklärt. Diese neuen Möglichkeiten hatten bisher zu Rechtsunsicherheiten bei den Anwendern der neuen Techniken geführt. Bisher galten in Australien für alle neuen Genom-Editierungsmethoden dieselben Regeln wie für herkömmliche gentechnische Verfahren (klassische Gentechnik). Kritik kam von Anwendern, die in einigen der neuen Techniken lediglich eine Beschleunigung klassischer und anerkannten Züchtungsmethoden, inklusive Mutagenese-Verfahren, sahen.
Rechtssicherheit für Wissenschaft und Industrie
Nach den gesetzlichen Änderungen können Forscher und Züchter nun die sogenannte SDN-1-Technik anwenden, ohne unter die Gentechnik-Vorschriften zu fallen. Bei der SDN-1-Technik wird kein neues genetisches Material – z. B. in Form von zusätzlichen DNA-Sequenzen als Reparaturvorlagen – in die Zellen eingebracht, sondern lediglich die DNA mithilfe von Proteinen an definierten Stellen zerschnitten. So setzen nach den Einzel- oder Doppelstrangbrüchen zelleigene Reparaturmechanismen ein – das sogenannte „non-homologous end joining“ (NHEJ) – und es entstehen Punktmutationen an den betroffenen Stellen.
Andere Genom-Editierungsmethoden, die genetisches Material zur Steuerung des Reparaturprozesses mitliefern oder anderes genetisches Material wie artfremde Gene in die Zelle einfügen (SDN-2, ODM und SDN-3-Techniken), werden auch weiterhin entsprechend der Gentechnikgesetzgebung reguliert.
RNAi-Verfahren, bei denen durch Einführung von RNA-Molekülen die Expression einzelner Gene unterdrückt werden kann, werden ebenfalls nicht als gentechnische Methode eingestuft. Voraussetzung ist, dass bei diesen Verfahren die genomische Sequenz nicht verändert wird und die eingeführten RNA-Moleküle nicht in Proteine übersetzt werden. RNAi-Techniken, die das Einfügen von Sequenzen in das Genom oder die Verwendung von viralen Vektoren beinhalten, unterliegen weiterhin den Regulierungen des Gentechnikgesetztes.
Kein anderes Risiko
Von Organismen, die mithilfe der SDN-1-Technik entwickelt wurden, geht nach Bewertung der australischen Behörde kein höheres Risiko aus als von Organismen, die natürlich entstandene genetische Veränderungen (Mutationen) in sich tragen. Sie sehen daher keine Belege dafür, dass diese Organismen ein Sicherheitsrisiko darstellen, das eine Regulierung rechtfertige.
Ein Mittelweg
Australien wählt damit einen prozessbasierten Ansatz, der klare Grenzen zieht. Die australische Entscheidung kann als „Mittelweg“ zwischen der restriktiven Regulierung von Genom-Editierungsmethoden in der Europäische Union und einem freizügigeren Ansatz wie etwa in den USA angesehen werden.
Im März 2018 beschloss das US-Landwirtschaftsministerium (USDA), genomeditierte Pflanzen nicht durch die zuständigen Aufsichtsbehörden (USDA, EPA und FDA) zu regulieren, wenn die entsprechenden Veränderungen auch durch traditionelle Züchtungstechniken hätten entstehen können. Dagegen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli 2018 entschieden, dass die Genom-Editierung von Pflanzen und anderen Organismen – im Gegensatz zu klassischen ungerichteten Mutagenese-Verfahren – dem EU-Gentechnikrecht unterliegen. Dadurch müssen für eine Marktzulassung solcher Organismen kostspielige und langwierige Zulassungsprozesse durchlaufen werden.
Die überarbeiteten Bestimmungen in Australien gelten jedoch nicht für die Anwendung in der menschlichen Keimbahn. Diese Anwendung ist in Australien, wie bei uns in der Europäischen Union, grundsätzlich verboten.
Die jetzt beschlossenen gesetzlichen Änderungen werden am 8. Oktober diesen Jahres in Australien wirksam. Bis dahin gelten die Gentechnik-Verordnungen von 2001 unverändert.
Quellen:
- Mallapaty, S. (2019): Australian gene-editing rules adopt ‘middle ground’. In: Nature, (23. April 2019), doi: 10.1038/d41586-019-01282-8.
- Office of the Gene Technology Regulator (2019): 2019 Amendments to the Gene Technology Regulations 2001, (last updated 10. April 2019).
- Office of the Gene Technology Regulator (2018): Technical Review of the Gene Technology Regulations 2001 - Decision Regulation Impact Statement.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Was ist Genom-Editierung?
- Genomeditierung als Mittel gegen Armut und Hunger? - Entwicklungsländer und neue Züchtungstechniken
- Gibt es neben Chancen auch Risiken von CRISPR/Cas9? - Der Nutzen der Genom Editierung hängt davon ab, wie die Gesellschaft damit umgeht
- Dialog GEA: Alles rund um Genome Editing - Interview mit Dr. Henrike Perner
- Welcome „ARRIGE“! - Vereinigung zum verantwortlichen Umgang mit Genome Editing gegründet
Titelbild: Australien wird Methoden der Genom-Editierung, die kein neues genetisches Material einführen, nicht wie gentechnisch veränderte Organismen regulieren. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)