Der Wurzel auf den Grund gegangen
Forscher beleuchten die Nährstoffaufnahme von Wurzeln
Um die molekularbiologischen Nährstoffflüsse zwischen Boden und Wurzel besser zu verstehen, haben Forscher Wurzel-Aktivitäten visualisiert. Mit Hilfe der aus der Medizin bekannten Elektrischen Impedanz-Tomografie untersuchten sie die Wurzel-Aktivitäten lebender Pflanzen.
Wurzeln haben vielfältige Aufgaben: Sie fixieren die Pflanze im Boden und nehmen Wasser sowie Nährstoffe auf, so dass diese in die oberirdischen Organe der Pflanze transportiert werden können, wo sie gebraucht werden. Diese Wechselwirkungen zwischen Wurzeln und Boden entscheiden, ob eine Pflanze verkümmert oder gedeiht. Viele der molekularen Zusammenhänge bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme sind noch nicht aufgeklärt und stehen im Fokus der Forschung.
Mineralien haben Einfluss auf die Polarisierbarkeit
Die von der Pflanze benötigten Nährstoffe, wie Mineralien, liegen meist als Ionen vor, sind also elektrisch geladen. Auch die Wurzel-Zelle ist durch das Membranpotential geladen und antwortet der Ladung, der im Boden befindlichen Ionen durch Polarisation. Unter Polarisierbarkeit versteht man die Fähigkeit, positive und negative Ladungen durch ein elektrisches Feld auszurichten. Durch diese Polarisation gelangen Ionen mit dem Wasserstrom und aktiv über Transportproteine aus dem Boden in die Pflanze.
Methode aus der Medizin übernommen
Um ein genaueres Bild von den Vorgängen in der Wurzel zu erhalten, untersuchten Geophysiker der Universität Bonn Pflanzenwurzeln mit Hilfe eines in der Medizin etablierten Bildgebungsverfahrens, der Elektrischen Impedanz-Tomografie (EIT). Das Prinzip der Elektrischen Impedanz-Tomografie beruht auf der Visualisierung der, sich je nach Beschaffenheit oder Zustand verändernden, elektrischen Leitfähigkeit biologischen Gewebes. „Doch anders als Ärzte messen wir nicht nur die elektrische Leitfähigkeit, sondern zusätzlich die durch die Nährstoffaufnahme an der Pflanzenwurzel beeinflusste elektrische Polarisierbarkeit“, sagt Prof. Kemna, einer der Autoren der Studie. Durch die Aufnahme von Ionen verändert sich die Polarisierbarkeit, was Rückschlüsse auf die Nährstoffaufnahme des Wurzelsystems erlaubt. Das nichtinvasive, bildgebende Verfahren, basiert auf elektrischen Messungen im Niederfrequenz-Bereich (< 1 kHz). Störungen der physiologischen Vorgänge an der Wurzel werden reduziert, so dass ein reales Live-Bild entsteht.
Wurzeln in Plexiglas
Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher ein sogenanntes Rhizotron. Hierbei wurden Rapspflanzen (Brassica napus) in die durchsichtige Plexiglasbox (30 x 78 x 2,0 Zentimeter) gepflanzt. Die Box war gefüllt mit einer Nährlösung in die die Forscher ein Wechselfeld und eine Reihe Sensoren integrierten, um die elektrischen Polarisationsprozesse zu beobachten. Mit Hilfe numerischer Algorithmen wurden die aufgezeichneten Signale in wolkenähnliche Bilder (Tomogramme) umgewandelt.
Die vielen Messsensoren zeigten an, dass sich die Polarisierung mit der Ionenaufnahme der Wurzeln veränderte. Diese Tomogramme erlaubten es, Rückschlüsse auf die Nährstoffdynamik des Wurzelsystems zu ziehen. Kommt es zu einer Stresssituation, beispielsweise durch das Ausbleiben von Wasser, nimmt die Polarisierbarkeit ab. Im Gegenzug nahm diese bei idealer Beleuchtung, Wasser und Nährstoffzufuhr deutlich zu. Auch Unterschiede des Tag-Nacht-Rhythmus waren erkennbar.
Ziel ist die optimierte Nährstoffaufnahme
Mit der aktuellen Studie haben die Forscher die generelle Nutzbarkeit der Methode zur Visualisierung der Wurzel-Aktivität bewiesen. In den nächsten Schritten wollen sie anhand von theoretischen Modellen die elektrischen Polarisationsprozesse nachvollziehen und sie im Freiland testen. Durch ein verbessertes Verständnis über die Wechselwirkungen zwischen Wurzeln und Boden bringen die Forscher Licht in die „Black-Box“ Boden und wollen helfen, die Nährstoffaufnahme von Pflanzen weiter zu optimieren.
In Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich, welches auch die jetzige Arbeit unterstützte, läuft hierzu das Projekt „Patterns in Soil-Vegetation-Atmosphere Systems – Monitoring, Modelling and Data Assimilation“ mit Winterweizen. Das Forschungszentrum Jülich ist eine tragende Säule des Deutschen Pflanzen Phänotypisierungsnetzwerks (DPPN). Dieses hat zum Ziel, neue, nicht invasive Methoden für die Pflanzenforschung und praktische Nutzung zu entwickeln.
Quelle:
Weigand, M. (2016): Multi-frequency electrical impedance tomography as a non-invasive tool to characterise and monitor crop root systems. In: Biogeosciences, DOI: 10.5194/bg-2016-154, (in review).
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Titelbild: Wurzeln fixieren die Pflanze im Boden und nehmen Wasser und Nährstoffe auf. (Bildquelle: © Nabok Volodymyr / Fotolia.com)