Längere Wurzeln, mehr Stickstoff

Steuerung des Seitenwurzelwachstums entdeckt

08.10.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Viele Pflanzen bilden eine Primärwurzel aus, von der mehrere Seitenwurzeln abzweigen. (Bildquelle: © iStock.com / foto76)

Viele Pflanzen bilden eine Primärwurzel aus, von der mehrere Seitenwurzeln abzweigen. (Bildquelle: © iStock.com / foto76)

Fehlt es an Stickstoff, investieren Pflanzen oft in das Wachstum ihrer Seitenwurzeln. Dabei spielen zwei Pflanzenhormone eine entscheidende Rolle: Brassinosteroide und Auxine. Wie sie zusammenhängen und was auf molekularer Ebene noch passiert, hat eine Studie aufgedeckt.

Wurzeln geben Pflanzen nicht nur Halt, sie sind auch essentiell für deren Versorgung mit Wasser und Nährstoffen. Doch Wurzelsysteme sind keine starren Gebilde. Situationsabhängig können sie sich an veränderte Gegebenheiten anpassen, wie eine geringere Nährstoffverfügbarkeit.

Gibt es beispielsweise einen leichten Mangel an Stickstoff, bilden viele Pflanzen längere Seitenwurzeln aus, um unterirdisch weiter in die Horizontale „ausschwärmen“ zu können. Das sichert eine stabile Stickstoffversorgung trotz geringerer Verfügbarkeit. Ein starker Stickstoffmangel hingegen bringt das Wachstum der Seitenwurzeln komplett zum Erliegen, um Ressourcen zu sparen. Zwei Überlebensstrategien, die abhängig von der Stickstoffkonzentration im Boden sind.

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Bei leichtem Stickstoffmangel bildet die Versuchspflanze längere Seitenwurzeln aus. An diesem Vorgang sind Phytohormone beteiligt: Erst Brassinosteroide und dann Auxine. Manche Pflanzen zeigten jedoch längere Seitenwurzeln (rechts) als andere (links).

Bei leichtem Stickstoffmangel bildet die Versuchspflanze längere Seitenwurzeln aus. An diesem Vorgang sind Phytohormone beteiligt: Erst Brassinosteroide und dann Auxine. Manche Pflanzen zeigten jedoch längere Seitenwurzeln (rechts) als andere (links).

Bildquelle: © IPK Leibniz-Institut

Hormone sorgen für längere Wurzeln

Es ist bereits bekannt, dass bei leichtem Stickstoffmangel das wachstumsregulierende Pflanzenhormon Auxin in den Wurzeln vermehrt gebildet wird.

Doch Auxine sind nicht allein an diesem Prozess beteiligt, wie Forschende des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben nun mit einer Studie untermauern konnten.

Kürzlich entdeckte das Team, dass auch Brassinosteroide für die stickstoffabhängige Wurzelverlängerung erforderlich sind. Bei moderatem Stickstoffmangel werden vermehrt Brassinosteroide gebildet und als wachstumsförderndes Signal weitergeleitet.

Um die genetischen Hintergründe des Seitenwurzelwachstums besser zu verstehen, führte das Team Experimente an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana durch: 200 verschiedene Versuchspflanzen aus ihrer Sammlung mussten mit niedrigen Stickstoffkonzentrationen auskommen. Die Forschenden vermaßen nicht nur die Wurzellängen, sondern schauten auch nach, welche Gene bei geringen Stickstoffkonzentrationen im Nährmedium aktiv wurden.

Zwei Gene werden benötigt

Das Team fand zwei Gene, die in den Wurzeln hochreguliert werden und an der Bildung von Auxin beteiligt sind: TAA1 und YUCCA8 sowie die homologen Gene YUCCA3/5/7. Manche Pflanzen zeigten jedoch deutlich längere Seitenwurzeln als andere. Das Team führte dies auf natürliche allelische Variationen im Gen YUCCA8 zurück. Diese bestimmen letztendlich die Länge der Wurzeln. Da Arabidopsis thaliana Regionen mit unterschiedlichen Wachstumsbedingungen besiedelt, könnte es sich bei diesen genetischen Variationen um Anpassungen an lokale Gegebenheiten handeln, vermuten die Autoren.

Erst B, dann A

Doch das war nicht alles: Sie entdeckten auch eine bisher unbekannte Interaktion der beiden beteiligten Pflanzenhormone. Brassinosteroide werden benötigt, um die Gene TAA1 und YUCCA8 zu aktivieren, die dann wiederum die Biosynthese von Auxin antreiben. „Wir haben in unserer Untersuchung also ein hormonelles Regulationsmodul entdeckt. Neu ist, dass wir die beteiligten Hormone hierarchisch ordnen können, Brassinosteroide in diesem Prozess also Auxin vorgeschaltet sind“, sagt Professor Nicolaus von Wirén, Leiter der Abteilung Physiologie und Zellbiologie am IPK Gatersleben.

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Die Herausforderung besteht jetzt darin, das gewonnene Wissen züchterisch für unsere Nutzpflanzen, wie Gerste, zu nutzen.

Die Herausforderung besteht jetzt darin, das gewonnene Wissen züchterisch für unsere Nutzpflanzen, wie Gerste, zu nutzen.

Bildquelle: © Hans Braxmeier / Pixabay

Die Studie zeigt auf, wie divers die hormonelle „Abstimmung“ bei Pflanzen sein kann: Bei der Kontrolle des Wachstums der Seitenwurzeln wirken beide Hormone synergistisch. Aber Brassinosteroide und Auxine können je nach Gewebe und Entwicklungskontext auch antagonistisch wirken, also „gegeneinander arbeiten“ (vgl. hierzu Chaiwanon/Wang, 2015).

Es ist noch komplizierter

Allerdings ist das noch nicht das gesamte Bild: Mutanten, bei denen der Brassinosteroid-Signalweg gestört war, stellten das Wachstum der Primärwurzel ein, aber nicht das der Seitenwurzeln. Das zeigt, dass zusätzliche und bisher unbekannte Komponenten die stickstoffabhängige Verlängerung der Seitenwurzeln mitsteuern.

Unklar ist auch, wie Pflanzen die Stickstoffverfügbarkeit überhaupt messen können und ob sich die neuen Erkenntnisse auch auf agronomisch wichtige Nutzpflanzen übertragen lassen. Doch bereits bei Arabidopsis thaliana zeigten sich starke natürliche Variationen in der Länge der Seitenwurzeln. Daher ist Nicolaus von Wirén zuversichtlich: „Wir erwarten auch bei den Gersten- oder Weizen-Akzessionen in unserer Genbank derartige Unterschiede zwischen einzelnen Linien zu finden.“

Die Herausforderung besteht jetzt darin, das gewonnene Wissen züchterisch zu nutzen. Also Nutzpflanzen zu entwickeln, die mit deutlich geringeren Stickstoffmengen im Boden auskommen. Ein guter Plan, denn noch wird auf den Feldern zu viel gedüngt – mit negativen Auswirkungen auf Gewässer, Trinkwasser und Klima.


Quelle:
Jia, Z., Giehl, R.F.H. & von Wirén, N. (2021): Local auxin biosynthesis acts downstream of brassinosteroids to trigger root foraging for nitrogen. In: Nature Communication, (14. September 2021), doi: 10.1038/s41467-021-25250-x.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Viele Pflanzen bilden eine Primärwurzel aus, von der mehrere Seitenwurzeln abzweigen. (Bildquelle: © iStock.com / foto76)