Die Macht der Samenmikroben

Ein neues Werkzeug für eine nachhaltigere Landwirtschaft?

14.01.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Pflanzen können durch Mikroorganismen in ihrer Entwicklung gehemmt oder gefördert werden. (Bildquelle: © iStock.com / vtorous)

Pflanzen können durch Mikroorganismen in ihrer Entwicklung gehemmt oder gefördert werden. (Bildquelle: © iStock.com / vtorous)

Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft ist es, auf chemische Pflanzenschutzmittel möglichst zu verzichten – und dennoch reiche Ernten einzufahren. Mikroben könnten Teil der Lösung sein: Es wird daran geforscht, für Pflanzen förderliche und vor Krankheiten schützende Mikroorganismen gezielt einzusetzen. Doch wie kann man sie den Pflanzen am besten zur Verfügung stellen? Eine Studie gibt Hinweise darauf, dass die Impfung der Samen mit „guten“ Mikroorganismen eine gute Wahl sein könnte.

In und um Pflanzen leben unzählige Mikroorganismen. Manche hemmen das Wachstum und schaden den Pflanzen. Andere sind jedoch ausgesprochen förderlich: Sie können die Erträge steigern, die Nährstoffaufnahme der Pflanzen ankurbeln, Nährstoffauswaschungen im Boden unterdrücken und die Pflanzen unterstützen, sich gegen Krankheitserreger zur Wehr zu setzen. Daher hat sich die Erforschung des Mikrobioms – also der bakteriellen und Pilz-Lebensgemeinschaften auf und in Pflanzen – als wichtiges Forschungsgebiet etabliert.

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Die Sojabohne diente dem Forschungsteam als Versuchspflanze.

Die Sojabohne diente dem Forschungsteam als Versuchspflanze.

Bildquelle: © Dusan Kostic / Fotolia.com

Doch woher kommen eigentlich die Mikroorganismen, die die Pflanzen besiedeln? Und wie kann man das Mikrobiom der Pflanzen künstlich verändern? „Seit ich anfing, an Pflanzenmikrobiomen zu arbeiten, habe ich mir über ihre Ursprünge Gedanken gemacht“, erklärt Professor Étienne Yergeau, Pflanzenpathologe am INRS in Quebec, Kanada. „Kommen sie aus den Samen und werden irgendwie von der Mutterpflanze übertragen oder werden sie aus der Umwelt aufgenommen?“

In einer Studie wollte er das mit seinem Team am Beispiel von Sojabohnen (Glycine max) genauer untersuchen.

Erstbesiedelung experimentell erforscht

Um herauszufinden, welche Mikroben sich bei der Erstbesiedlung einer Pflanze durchsetzen, entfernten sie zunächst durch Bestrahlung und Oberflächensterilisation soweit wie möglich die Mikroorganismen der Samen.

Anschließend wurden diese Samen gezielt mit Mikroben von nicht sterilen Samen oder einem Bodenextrakt geimpft. Zusätzlich infizierte das Forscherteam unbehandelte Samen mit Bodenmikroben. Alle experimentell modifizierten Sojabohnensamen ließ das Team anschließend in sterilem Boden unter kontrollierten Bedingungen wachsen und analysierte dann das Mikrobiom von Spross, Wurzeln und der Rhizosphäre.

Wer setzt sich durch?

„Wir stellten fest, dass die Samenmikroorganismen, wenn sie nicht entfernt wurden, Vorrang vor den Bodenmikroorganismen hatten und alle Pflanzenteile besiedelten, einschließlich der Wurzeln und des mit den Wurzeln verbundenen Bodens“, beschreibt Yergeau. Erst wenn die Samenmikroorganismen entfernt wurden, konnten die Bodenmikroorganismen die Pflanze besiedeln. Aber dann auch nur die Wurzeln und Rhizosphäre.

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In der Studie wurde untersucht, ob die im Saatgut enthaltenen Mikroorganismen oder die aus dem Boden ein größeres Kolonisierungspotenzial besitzen.

In der Studie wurde untersucht, ob die im Saatgut enthaltenen Mikroorganismen oder die aus dem Boden ein größeres Kolonisierungspotenzial besitzen.

Bildquelle: © egroll / Pixabay

Dass die Samenmikroorganismen selbst dann die Rhizosphäre besiedeln können, wenn „konkurrierende“ Bodenmikroorganismen vorhanden sind, überraschte das Team.

Ziel: Pflanzen gezielt mit förderlichen Mikroben ausstatten

Die Erkenntnisse der Studie sind noch begrenzt und müssen sich unter Freilandbedingungen und bei anderen Pflanzenarten noch bestätigen – aber sie sind vielversprechend.

„Unsere Forschung zeigt, dass das Saatgut das primäre Ziel für solche Bemühungen sein sollte. Wenn wir das Mikrobiom des Saatguts modifizieren, stehen die Chancen gut, dass wir Pflanzen mit maßgeschneiderten, nützlichen Mikrobiomen erzeugen und in Richtung einer nachhaltigeren Landwirtschaft gehen können“, betont Yergeau.


Quelle:
Moroenyane, I., Tremblay, J. und Yergeau, É. (2021): Soybean Microbiome Recovery After Disruption is Modulated by the Seed and Not the Soil Microbiome. In: Phytobiomes Journal, (14. November 2021), doi: 10.1094/PBIOMES-01-21-0008-R.

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Titelbild: Pflanzen können durch Mikroorganismen in ihrer Entwicklung gehemmt oder gefördert werden. (Bildquelle: © iStock.com / vtorous)