Verdrängungswettbewerb im Boden

Ein Schlauchpilz hält sich Bakterien vom Leib

07.12.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Im Boden konkurrieren auch Mikroorganismen um Nahrung. (Bildquelle: © r1g00 / Pixabay / CC0)

Im Boden konkurrieren auch Mikroorganismen um Nahrung. (Bildquelle: © r1g00 / Pixabay / CC0)

Wie überall auf der Welt konkurrieren auch im Boden die Mikroorganismen um Nahrung. Der Pflanzenschädling Verticillium dahliae tötet mit einem Antibiotikum sogar „lästige“ Bakterien ab und hat dadurch bei der Infektion der Pflanzen leichteres Spiel.

Alles beginnt mit welken Blättern, die fahlgrün und schlaff herunterhängen und schließlich abfallen. Erfahrene Gärtner ahnen jetzt bereits, dass vermutlich der Pilz Verticillium dahliae am Werk ist. Dieser Pflanzenschädling löst bei mehr als 300 Arten, viele davon agronomisch wichtige Nahrungspflanzen, die Verticillium-Welke aus. Wissenschaftler untersuchen daher bereits seit langer Zeit, wie der Pilz mit Pflanzen interagiert.

Genau wie die meisten Pflanzenpathogene setzt auch V. dahliae auf sogenannte Effektormoleküle, um das pflanzliche Immunsystem zu kompromittieren und die Pflanze zu besiedeln. Ungewöhnlich ist aber, dass V. dahliae einige dieser Moleküle über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg freisetzt. Selbst dann, wenn es gerade allein im Boden überdauert und weit und breit keine Wirtspflanze in Sicht ist. Haben diese Moleküle also auch noch einen anderen Effekt?

Pflanzen beeinflussen das Mikrobiom der Rhizosphäre

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In der Rhizosphäre leben unzählige Mikroorganismen. Es ist der Teilbereich des Bodens direkt um die Pflanzenwurzeln herum.

In der Rhizosphäre leben unzählige Mikroorganismen. Es ist der Teilbereich des Bodens direkt um die Pflanzenwurzeln herum.

Bildquelle: © iStock.com/KateLeigh

Dieser Frage ist Professor Bart Thomma mit seinem Team nachgegangen. Zum Zeitpunkt der Experimente war der Mikrobiologe an der Universität Wageningen in den Niederlanden tätig, inzwischen ist er an die Universität Köln gewechselt. Gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern hat er herausgefunden, dass Verticillium dahliae mit Hilfe dieser Effektormoleküle bestimmte Bakterien abtötet und dadurch das Mikrobiom in der Rhizosphäre nach seinen Wünschen beeinflusst.

Die Rhizosphäre bezeichnet den Teilbereich des Bodens direkt um die Pflanzenwurzeln herum. Dessen Mikrobiom beeinflussen auch die Pflanzen durch Sekretion von Molekülen aus ihren Wurzeln. „Wir konnten erstmals zeigen, dass ein Schädling davon profitiert, wenn er das Mikrobiom seiner Wirtspflanze beeinflusst“, sagt Thomma. „Dann gelingt es ihm leichter, den Krankheitsverlauf voranzutreiben und seinen parasitären Lebensstil aufrechtzuerhalten.“

Pilz hemmt für ihn schädliche Bakterien

Die Wissenschaftler zeigten, dass das Protein VdAve1 selektiv das Wachstum einiger pflanzenassoziierter Bakterien verlangsamt. In einem ersten Experiment untersuchten sie, wie VdAve1 auf einzelne Klassen von Bodenbakterien wirkt. Besonders stark gehemmt wurden Gram-positive Bakterien wie zum Beispiel Arthrobacter sp., Bacillus subtilis, Staphylococcus xylosus und Streptomyces sp. Die getesteten Gram-negativen Bakterien reagierten sehr divers auf das Molekül. Teilweise gab es große Unterschiede innerhalb einer Bakterienfamilie. Während die Gattung Acidovorax in ihrem Wachstum gehemmt wird, kann die Gattung Ralstonia ungehindert weiterwachsen, obwohl beide Bakterienarten zur Ordnung der Burkholderialen gehören.

Um genauer herauszufinden, wie die Zusammensetzung einer natürlichen mikrobiellen Gemeinschaft im Boden durch V. dahliae beeinflusst wird, haben die Forscherinnen und Forscher anschließend das Wurzelmikrobiom von Tomate und Baumwolle mit V. dahliae-Wildtyp beziehungsweise einer Deletionsmutante ohne VdAve1 infiziert. Nach zehn Tagen analysierten sie die Zusammensetzung der Mikrobiome – und fanden eine stark veränderte Zusammensetzung. VdAve1 hatte vor allem Sphingomonadalen an der Vermehrung gehindert. Andere Bakterien haben diese Lücke dann aufgefüllt.

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Um genauer herauszufinden, wie die Zusammensetzung einer natürlichen mikrobiellen Gemeinschaft im Boden durch V. dahliae beeinflusst wird, hat das Team u. a. das Wurzelmikrobiom von Tomaten mit dem Schadpilz infiziert.

Um genauer herauszufinden, wie die Zusammensetzung einer natürlichen mikrobiellen Gemeinschaft im Boden durch V. dahliae beeinflusst wird, hat das Team u. a. das Wurzelmikrobiom von Tomaten mit dem Schadpilz infiziert.

Bildquelle: © Andreas Göllner / Pixabay / CC0

In der Versuchsanordnung mit der Deletionsmutante war zudem weniger Biomasse von V. dahliae vorhanden. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass Sphingomonadalen das Wachstum von V. dahliae negativ beeinflussen und der Pilz sich daher gerade diese Bakterien vom Leib halten will.

Eine alte Fähigkeit

Vermutlich ist die Fähigkeit der Pilze, das Mikrobiom ihres Wirts zu manipulieren, schon sehr alt. Denn noch bevor es Landpflanzen gab, haben Pilze und Bakterien bereits im Boden um organischen Kohlenstoff konkurriert. „Der Pilz tötet nicht nur Bakterien, weil sie mit ihm um Platz und Nahrung konkurrieren. Er eliminiert ganz gezielt die Stämme, die die Pflanze schützen und sich ungünstig auf seinen eigenen Lebensstil auswirken“, erklärt Thomma.

Schlummern in Bodenpilzen neue Antibiotika?

Die Wirkung von VdAve1 auf das Mikrobiom motivierte die Wissenschaftler dazu, nach weiteren Effektormolekülen zu suchen. Tatsächlich fanden sie schnell ein weiteres antibakterielles Molekül, das sie VdAMP2 nannten. Interessanterweise hatte es ein anderes Wirkungsspektrum als VdAve1. Die ForscherInnen hoffen auf weitere Funde, mit denen sich vielleicht auch das mittlerweile eingeengte Spektrum von wirkungsvollen Antibiotika bereichern ließe. „Ich bin überzeugt davon, dass wir gerade mal die Spitze des Eisbergs sehen“, sagt Thomma. „Je mehr solche Proteine wir identifizieren und untersuchen, desto mehr neue Antibiotika könnten wir finden.“


Quelle:
Snelders, N.C. et al. (2020): Microbiome manipulation by a soil-borne fungal plant pathogen using effector proteins. In: Nature Plants 6, 1365–1374, (2. November 2020), doi: 10.1038/s41477-020-00799-5.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Im Boden konkurrieren auch Mikroorganismen um Nahrung. (Bildquelle: © r1g00 / Pixabay / CC0)