Earth BioGenome: Die Sequenzierung des Lebens
Referenzgenome aller eukaryotischen Lebewesen bald verfügbar
Das Ziel ist ambitioniert: Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen Referenzgenome für alle eukaryotischen Lebewesen erstellt werden. Wie profitieren Pflanzenzüchtung und Umweltschutz davon?
Dieses gewaltige Projekt ist wahrlich eine Mammutaufgabe. Wissenschaftler haben sich vorgenommen, Referenzgenome aller etwa 1,5 Millionen eukaryotischen Lebewesen auf unserem Planeten zu erstellen. Der Zeitraum: magere zehn Jahre. Das Projekt lief 2018 an. Es bleiben also nur noch acht.
Damit die Verantwortung nicht allein auf den Schultern eines Konsortiums ruht, haben sich unterschiedliche Interessengruppen zusammengeschlossen. Die Gruppe G10K kümmert sich um Wirbeltiere, GIGA (Global Invertebrate Genomics Alliance) hat die Wirbellosen im Visier, GAGA (Global Ant Genomics Alliance) ist für die Ameisen verantwortlich, i5K analysiert Gliederfüßer und MycoCosm die Pilze. Das Projekt 10KP hat Pflanzen und Protisten im Visier.
Pflanzengenome sind besonders schwierig zu entschlüsseln
Aufgrund ihrer schieren Größe, der zahlreichen repetitiven Sequenzen und der häufigen Genomverdopplungen sind Pflanzengenome relativ schwierig zu rekonstruieren. Das Vorgehen von 10KP lässt sich daher in etwa so zusammenfassen: Zunächst werden qualitativ hochwertige Genomsequenzierungen für repräsentative Mitglieder jeder Pflanzenfamilie erstellt. Diese Genome bilden innerhalb ihrer Klade den Goldstandard. Diese werden dann von einer größeren Anzahl von Genomassemblierungen mit weniger guter Qualität komplettiert.
Doch wozu das Ganze? Was lässt sich aus dem Vergleich einer großen Anzahl an Pflanzengenomen lernen? Laut Detlef Weigel, Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, lässt sich damit weit mehr anfangen als nur die wissenschaftliche Neugier zu stillen und mehr Grundlagenwissen über evolutionäre Vorgänge zu erlangen. Bessere Artenschutz-Gesetze, effektiveres Management der genetischen Ressourcen und Lösungen für globale Probleme für den Klimawandel sollen dabei herauskommen. Auch Hinweise, wie Wildarten zu neuen Nutzpflanzen umgewandelt werden können, erhofft man sich aus den Daten dieses Projektes.
Kohlenstoff im Boden vergraben
Ein Beispiel dafür ist die „Harnessing Plants Initiative“ des kalifornischen Salk Institutes. In diesem Projekt wird untersucht, wie unterschiedliche Pflanzenarten das kohlenstoffreiche Molekül Suberin herstellen. Der Plan ist, Pflanzen zu züchten, die eine große Menge an Suberin in ihren Wurzeln herstellen und auf diese Weise das klimaschädliche Kohlendioxid aus der Luft entfernen bzw. quasi „im Boden vergraben“. Da Suberin kaum von Bakterien und Pilzen im Boden abgebaut wird, bleibt der darin enthaltene Kohlenstoff hier lange gespeichert. Auch die Wurzelarchitektur soll für diesen Zweck optimiert werden.
Durch die Sequenzierung möglichst vieler Pflanzengenome soll bestimmt werden, welche Arten für dieses Vorhaben am besten geeignet sind – einschließlich Wildarten, die für solche Zwecke domestiziert werden könnten.
Ein Wettrennen gegen das Aussterben
Es ist gerade zwanzig Jahre her, dass das erste Pflanzengenom von Arabidopsis thaliana sequenziert worden ist. Die enormen technischen Fortschritte machen es möglich, dass jetzt in nur sehr kurzer Zeit 10.000 weitere Pflanzengenome folgen könnten. Aber es ist auch ein Wettlauf: sechs bis acht Pflanzenarten pro Jahr sterben aus und der Lebensraum von weiteren 150.000 Arten schrumpft. Die genomische Vielfalt schwindet also rasant. Der richtige Zeitpunkt für das Earth BioGenome-Projekt ist daher jetzt.
Um den maximalen Gewinn aus diesem Projekt herauszuziehen, schlagen die Wissenschaftler um Detlef Weigel in ihrem Paper daher Folgendes vor:
1. Im Fokus sollten Pflanzenarten mit einzigartigen Eigenschaften stehen. Dazu gehören Pflanzen, die mit extremen Umweltbedingungen zurechtkommen, ein ungewöhnlich komplexes Genome aufweisen oder eine unübliche genetische Kontrolle über ihr Fortpflanzungssytem haben.
2. Bedrohte Pflanzen sollten mit höherer Priorität bearbeitet werden, um ihre genetischen Daten für die Nachwelt zu erhalten.
3. Die Vorgehensweise bei Genomassemblierung und Sequenzierung sollte für jede Klade des Stammbaums angepasst werden können. Die Analyse-Werkzeuge sollten örtliche Unterschiede in der Qualität der Assemblierung einbeziehen. Ein hierarchisches Vorgehen könnte falsche Rückschlüsse verhindern. Aus jeder Klade sollten „Model-Arten“ ausgewählt werden, auf die sich die Experimente und Sequenzierungen fokussieren, damit Artefakte sich nicht in Genome aus anderen Kladen einschleichen.
4. Um auch die genomische Vielfalt der Vergangenheit noch abzubilden zu können, sollten auch Spezies aus Herbarien und Museen einbezogen werden. Dazu müssen wenigstens zwei geographisch, morphologisch oder physiologisch unterschiedliche Individuen ausgewählt werden, damit die innerspezifische Diversität abgebildet werden kann.
Quelle:
Exposito-Alonso, M. et al. (2019): The Earth BioGenome project: opportunities and challenges for plant genomics and conservation. In: The Plant Journal, (01. Dezember 2019), doi: 10.1111/tpj.14631.
Zum Weiterlesen:
- Schneller, länger, billiger - Die 3. Revolution der Sequenzierung
- Das Mooresche Gesetz der Biologie - Mehr Effizienz in der Genomforschung durch “Compressive Genomics”
- Genomsequenzierung für Eilige - Neue Methode spart Zeit und Geld
Titelbild: Das Earth BioGenome-Projekt hat sich vorgenommen, Referenzgenome aller etwa 1,5 Millionen eukaryotischen Lebewesen auf unserem Planeten zu erstellen. (Bildquelle: © iStock.com/RomoloTavani)