Fisch trifft Gemüse

Nachhaltig und profitabel: Neue Studie zur Wirtschaftlichkeit von Aquaponik

08.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Das Gewächshaus der Aquaponikanlage vom IGB und den Müritzfischern in Waren (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB)

Das Gewächshaus der Aquaponikanlage vom IGB und den Müritzfischern in Waren (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB)

Das Gemüse wird in Hdyroponik kultiviert. (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB)

Das Gemüse wird in Hdyroponik kultiviert. (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB)

Aquaponik – ein Begriff der vielen ein Fragezeichen auf die Stirn malen könnte. Gemeint ist ein Verfahren, das die Aufzucht von Fischen in Aquakultur und die Kultivierung von Nutzpflanzen mittels Hydrokultur verbindet. Doch wie profitabel ist die kombinierte Fisch- und Gemüsezucht? Forschende gehen dieser Frage in einer neu veröffentlichten Studie zur Wirtschaftlichkeit im Praxisbetrieb nach.

Wenn es um das Thema Ernährung der Zukunft geht, ist die Kombination von Fischzucht und Gemüseanbau ein möglicher Trend. Doch kann die neue Technik tatsächlich eine Alternative zu herkömmlichen Methoden sein? Bisher gibt es kaum Daten dazu, wie rentabel Aquaponik in der Praxis ist. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nun eine bestehende Aquaponik-Anlage analysiert und Szenarien zur Wirtschaftlichkeit durchgerechnet.

Aquaponik ist umweltfreundlich

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Blick auf die Tomaten in der Aquaponikanlage der „Müritzfischer“ in Waren an der Müritz.

Blick auf die Tomaten in der Aquaponikanlage der „Müritzfischer“ in Waren an der Müritz.

Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB

Der Leiter der Studie, Professor Werner Kloas, erklärt die Bedeutung seiner Forschung: „In Anbetracht aktueller Herausforderungen wie Klimawandel, Bevölkerungswachstum, Verstädterung sowie Übernutzung und Verschmutzung der natürlichen Ressourcen ist die globale Nahrungsmittelproduktion der größte Druck, den der Mensch auf die Erde ausübt und der Ökosysteme und die Stabilität von Gesellschaften bedroht. Eine umweltfreundliche und effiziente Lebensmittelproduktion ist daher eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ziele.“

Als Untersuchungsobjekt diente die im Rahmen des EU-Projekts „INAPRO“ gebaute Aquaponik-Anlage der „Müritzfischer“, welche auf 540 Quadratmetern die Aufzucht von Fisch und den Anbau von Gemüse in einem Produktionssystem vereint.

Der Ansatz „Tomatenfisch“ – so funktioniert die Anlage

Die Idee hinter der Aquaponik ist simpel: In zwei getrennten Kreislaufanlagen werden jeweils Fisch und Gemüse produziert – je nach Bedarf können diese Kreisläufe jedoch mittels modernster Technik miteinander verschaltet werden. So werden Synergieeffekte ideal genutzt und gleichzeitig die passenden Wachstumsbedingungen für beide Teilsysteme erreicht: Die eingesetzten Ressourcen wie Nährstoffe, Wasser, Wärme und Strom werden doppelt genutzt. Den Tomaten kommt das nährstoffreiche Abwasser aus den Fischtanks zugute sowie das von den Fischen ausgeatmete Kohlendioxid (CO2). Kühlfallen fangen den von den Pflanzen abgegebenen Wasserdampf auf. Ein Teil der Betriebsenergie kommt von einer lokal installierten Photovoltaikanlage. Dieser Ansatz des IGB wird auch als „Tomatenfisch“ bezeichnet.

Die Größe macht Aquaponik profitabel

Als Basis ihrer Analysen dienten den Wissenschaftlern die realen Produktionsdaten eines Jahres der „Müritzfischer“-Anlage. Da diese während des Studienablaufs noch nicht profitabel war, entwickelte das Forscherteam aus dem gewonnen Datensatz zwei aussichtsreiche Szenarien für die Praxis. Das erste Szenario macht deutlich: Aquaponik kann rentabel sein, solange die Anlagen entsprechend groß sind. Aus dieser Erkenntnis konstruierten die IGB-Experten in einem zweiten Szenario einen Modellfall mit definierten wirtschaftlichen Schlüsselindikatoren, der ermöglicht, Anlagen verschiedener Größen zu berechnen.

Aquaponik in Deutschland ist kostenintensiv und wirtschaftlich riskant

Hohe Investitionskosten für die aufwendige Technik stellen bei der kommerziellen Nutzung von Aquaponik eine der größten Herausforderungen dar. In Deutschland sind vor allem die Betriebskosten hinsichtlich Fischfutter, Personalkosten und Energie verhältnismäßig hoch. Zudem müssen innerhalb der Betriebe die fachlichen Kenntnisse der Aquakultur sowie des Gartenbaus gleichermaßen vorhanden sein.

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Video: "Aquaponik: Der Tomatenfisch - F(r)isch für uns und die Umwelt"

Videoquelle: © IGB / youtube.com

Ein weiteres Problem: Die erzielbare Marge ist abhängig vom Marktumfeld und von den recht unberechenbaren Produktionsrisiken. Dies zusammengenommen lässt Aquaponik für Unternehmen eher weniger attraktiv erscheinen.

Großes Potenzial hat Aquaponik im urbanen Raum

Trotz der Herausforderungen ist sich Hauptautor der Studie, Gösta Baganz, sicher, dass Aquaponik viele Vorteile vor allem für Städte bietet: „Der bereits rentable Modellfall würde eine Gesamtfläche von etwa 2.000 Quadratmetern abdecken. Professionelle Aquaponik wäre so auch in städtischen und stadtnahen Gebieten möglich, wo der vorhandene Platz knapp und häufig auch relativ teuer ist. Wenn urbane Aquaponik also bereits auf solchen Flächen rentabel sein kann, steigen die Potenziale für eine lokale Nahrungsmittelproduktion, die bei zunehmender Urbanisierung weltweit immer wichtiger wird.“

Es bleibt abzuwarten, inwieweit Aquaponik sich tatsächlich als nachhaltige Landwirtschaftstechnologie in Deutschland etablieren kann. Sicher scheint, dass sie eine neue Möglichkeit ist, Lebensmittel regional und umweltfreundlich herzustellen.


Quelle:
Baganz, G. et al. (2020): Profitability of multi-loop aquaponics: Year-long production data, economic scenarios and a comprehensive model case. In: Aquaculture Research, (06. April 2020), doi: 10.1111/are.14610.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Foto 1: Das Gewächshaus der Aquaponikanlage vom IGB und den Müritzfischern in Waren (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB); Foto 2: Das Gemüse wird in Hdyroponik kultiviert. (Bildquelle: © Hendrik Monsees, IGB)