Ganz schön raffiniert

Biokraftstoffe können durch Gewinnung von Nebenprodukten wettbewerbsfähig werden

08.04.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Sorghum ist eine verbreitete Bioenergiepflanze. (Bildquelle: © Marilyn Sargent /Berkeley Lab)

Sorghum ist eine verbreitete Bioenergiepflanze. (Bildquelle: © Marilyn Sargent /Berkeley Lab)

Gleichzeitig Biokraftstoff produzieren und andere wertvolle Inhaltsstoffe aus der Biomasse extrahieren – das würde die Kosten für Biokraftstoffe deutlich senken. Doch wie hoch müssten die Konzentrationen dieser Inhaltsstoffe in der Biomasse sein, um wirtschaftlich arbeiten zu können?

Nachhaltig erzeugte Biomasse bildet heute die Grundlage für möglichst klimafreundliche Kraftstoffe. Doch diese sind im Vergleich zu erdölbasierten Kraftstoffen immer noch zu teuer, auch weil die Umweltkosten nicht beim Verkauf dieser Produkte eingepreist werden. So rechnet das Umweltbundesamt vor, dass eine Tonne CO2-Emission Umweltschäden im Wert von 180 Euro verursacht.

Es ist klar, dass Biokraftstoffe sich so nur schwer am Markt durchsetzen können. Selbst optimierte Prozesse in der Herstellung haben diesen Umstand nicht verändern können. Als alternative Strategie schlagen Wissenschaftler vor, bei der Kraftstoffproduktion zusätzlich Biochemikalien aus der Biomasse zu gewinnen. Passend zum „Jahr der Bioökonomie“ hat sich ein interdisziplinäres Forscherteam damit beschäftigt, die Rentabilität dieses Ansatzes zu berechnen.

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Die großkörnige Sorghumhirse stammt von der Wildart Sorghum arundinaceum ab und ist gut für die Produktion von Bioethanol geeignet.

Die großkörnige Sorghumhirse stammt von der Wildart Sorghum arundinaceum ab und ist gut für die Produktion von Bioethanol geeignet.

Bildquelle: © Vijaya narasimha/pixabay/CC0

Berechnungen erfolgten für unterschiedliche Biochemikalien

Am Beispiel der Herstellung von Bioethanol aus Sorghum (Hirse) betrachteten die Wissenschaftler fünf industriell bzw. medizinisch relevante Inhaltsstoffe, die für eine zusätzliche Gewinnung in Frage kämen: Zum einen waren dies preisgünstige Verbindungen wie Latex, Polyhydroxybutyrat (PHB) und das Terpen Limonen, zum anderen das etwas teurere Cannabidiol und das hochpreisige Artemisinin.

Insbesondere wollten sie wissen, ab welcher Konzentration die Extraktion der genannten Stoffe aus der Biomasse in Verbindung mit der Bioethanol-Produktion wirtschaftlich wäre und ob so der Verkaufspreis für den Kraftstoff deutlich sinken könnte. In die Betrachtung flossen sowohl die Investitionskosten als auch die zusätzlichen Betriebskosten ein.

Für jede der fünf Inhaltsstoffe simulierten die Forscher die für die Berechnung relevanten Produktionsprozesse. Das Berechnungsmodell ging davon aus, das Abwasser aus der Bioethanolproduktion vor Ort aufbereitet und das resultierende Biogas zusammen mit Lignin verbrannt wird, um die Anlage mit Wärme und Strom zu versorgen. Damit errechnete sich eine Investition von 390 Mio. US-Dollar für die reine Biokraftstoffproduktion. Die jährlichen Betriebskosten veranschlagten die Wissenschaftler mit 190 Mio. US-Dollar.

Trotz zusätzlicher Produktion bleibt die Biomasse höchster Betriebskostenanteil

Zusätzlich Biochemikalien zu produzieren, erfordert weitere Investitionsgelder. Die höchsten Investitionskosten – rund 500 Mio. US-Dollar – fallen für den Prozess der Latexanreicherung an. Dies ist vor allem auf die notwendige Behandlung großer Abwassermengen und die mehrstufige Zentrifugation nach der Extraktion zurückzuführen. Die Betriebskosten liegen hier jedoch im Vergleich am niedrigsten.

Die geringste Investition hingegen erfordert die zusätzliche Produktion von Cannabidiol (431 Mio. US-Dollar). Ähnlich wie bei Limonen sorgen die milden Extraktionsbedingungen und das günstige Extraktionsmittel Hexan für niedrige Betriebskosten.

Für die Herstellung von PHB dagegen benötigt man mit Butylacetat ein teureres Lösungsmittel. Die Betriebskosten sind für diesen Stoff daher am höchsten. Die Extraktion von Artemisinin ist aufgrund des energieintensiven und komplexen Prozesses am teuersten.

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In Deutschland liegt der Fokus des Anbaus von Sorghumhirse auf dem Einsatz als Substrat für Biogasanlagen.

In Deutschland liegt der Fokus des Anbaus von Sorghumhirse auf dem Einsatz als Substrat für Biogasanlagen.

Bildquelle: © iStock.com/LianeM

Bei allen Szenarien entfällt jedoch der höchste Anteil an den Betriebskosten (rund 40 Prozent) auf die benötigte Biomasse. Würden die Preise für Sorghum um ein Viertel sinken, könnte allein dadurch der Verkaufspreis von Bioethanol um 20 US-Cent pro Gallone fallen.

Ab wann wird es wirtschaftlich?

Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen: Kostenneutralität für die Extraktion der Nebenprodukte bei einer angenommenen 90 prozentigen Ausbeute setzt voraus, dass die Substanzen in folgenden Konzentrationen in der Biomasse (bezogen auf den Trockensubstanz) enthalten sind: 0,01 Prozent Cannabidiol, 0,02 Prozent Artemisinin, 0,3 Prozent Latex, 0,6 Prozent Limonen und 1,2 Prozent PHB.

Diese Berechnungen beziehen sich auf die aktuellen Marktwerte der Chemikalien, die teils großen Schwankungen unterliegen. Das sei ein großer Unsicherheitsfaktor für die Rentabilität der Produktion, warnen die Forscher. So betrug der Kilopreis für Limonen 2005 nur 40 US-Cent, 2011 jedoch 11 US-Dollar. Der für eine wirtschaftliche Produktion nötige Trockenmasseanteil schwankt anhand dieser Zahlen zwischen 22,4 Prozent und 0,7 Prozent. Die Wissenschaftler empfehlen deshalb dringend, Bioraffinerien so zu konzipieren, dass sie eine Diversität an Produkten erzeugen können und so dem Beispiel von Erdölraffinerien folgen.

Geeignete Biomassequellen verfügbar

Die geforderten Trockenmasseanteile bewerten die Forscher als realistisch: Zitrusfrucht-Abfälle haben beispielsweise einen Trockenmasseanteil von Limonen in Höhe von 4,4 Prozent. Die Ackerschmalwand kann PHB in den Chloroplasten bis zu 40 Prozent der Trockenmasse anreichern. Auch geeignete Biomasse-Quellen für Latex gibt es (z. B. Russischen Löwenzahn), ebenso für Cannabidiol (Hanf) und Artemisinin (Artemisia annua).

Gute Aussichten also in Sachen Biochemikalien-Gewinnung. Grundsätzlich sollte es somit für alle untersuchten Naturstoffe möglich sein, diese parallel zur Bioethanolherstellung wirtschaftlich zu gewinnen. Um einen wettbewerbsfähigen Verkaufspreis des Bioethanols von 2,50 US-Dollar je Gallone zu erzielen, müssen allerdings die Ausgangskonzentrationen der Biochemikalien in der Biomasse weiter steigen. Eine Aufgabe für die Pflanzenzüchtung.


Quelle:
Yang, M. et al. (2020): Accumulation of high-value bioproducts in planta can improve the economics of advanced biofuels. In: PNAS, (online, 27. März 2020), doi: 10.1073/pnas.2000053117.

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Titelbild: Sorghum ist eine verbreitete Bioenergiepflanze. (Bildquelle: © Marilyn Sargent /Berkeley Lab)