Herausforderung für den Pflanzenbau
Ein Wissenschaftler Team aus knapp 20 europäischen Ländern ging der Frage nach, wie sich die Erträge in der Landwirtschaft in den kommenden Jahrzehnten entwickeln werden. Hintergrund für die Metaanalyse war die Wirkung des Klimawandels auf das Agroklima in Europa und dessen Einfluss auf die Produktivität.
Die vorliegende Studie betrachtet als Ausgangssituation die agroklimatischen Gegebenheiten in Europa im Zeitraum 1971 bis 2000. Insgesamt 86 Untersuchungsstandorte in 19 europäischen Ländern wurden nach den jeweiligen Umweltgegebenheiten in 13 Umweltzonen eingeteilt. Von den landwirtschaftlichen Hauptproduzenten Europas waren lediglich die mediterranen Gebiete Osteuropas nicht in die Studie integriert. Für diese Regionen fehlten schlichtweg benötigte Ausgangsdaten für die Modellierung. Jedoch werden die Wirkungen des Klimawandels sich nicht grundsätzlich von den Entwicklungen in vergleichbaren Regionen unterscheiden.
Insgesamt 11 agroklimatische Indizes wurden für die Modellrechnung betrachtet. Hierzu zählten unter anderem die Länge der Vegetationsperiode, das Auftreten der ersten bzw. letzten Winterfröste, Klimabedingungen zur Aussaat und Ernte, Sonneneinstrahlung, Wärmebedarf der Nutzpflanzen, Niederschlagsmenge und Niederschlagsverteilung. Ausgewählt wurden diese Indizes aus einer Liste von 120 möglichen Faktoren. Wichtig war, dass nicht nur Faktoren, welche die Produktivität der Pflanzen beeinflussen berücksichtigt wurden. Auch Faktoren, die für die Agronomie bedeutsam sind, wie z.B. die Befahrbarkeit von Feldern, wurden berücksichtigt.
Als Referenzsystem diente die Wintergerste. Diese wird im gesamten Untersuchungsgebiet angebaut. Modelliert wurden mit Hilfe der drei im Moment gebräuchlichsten Klimamodellierungssystemen. Diese Systeme berechneten auf der Basis der Ausgangsdaten Vorhersagen für die Zeithorizonte 2030 und 2050. Angenommen wurde eine globale Erwärmung von 5°C. Mit anderen Worten, dass politisch gewünschte Ziel eines maximalen Temperaturanstiegs von 2°C hatte für die Studie keine Relevanz.
Konsistenz der Daten über die Klimamodelle
Die Ergebnisse waren für die meisten Regionen in den drei Klimamodelrechnungen konsistent. Der Klimawandel, so die Ergebnisse, wird in weiten Teilen Europas die Niederschläge reduzieren. Damit nimmt der Trockenstress für die angebauten Pflanzen zu. Gleichzeitig verkürzt sich die Vegetationsperiode. In einigen Regionen wird die verfügbare Vegetationsperiode stärker als derzeit von einem abrupten Wechsel zu sehr kalten Wintern und sehr heißen Sommern flankiert. Damit bricht die Studie auch mit bisherigen Annahmen, dass Europa oder zumindest weite Teile des Kontinents zu den „Klimagewinnern“ gehören werden. Hintergrund dieser Neubewertung ist neben der genutzten, umfassenden Datenbasis auch die Modellrechnung auf der Annahme einer Temperatursteigerung um fünf Grad. Damit bedürfen die meisten Gebiete Europas zusätzlicher adaptiver Maßnahmen, um Landwirtschaft auf dem gewohnten Niveau betreiben zu können. Inklusive der nördlichen Länder.
Puffermaßnahmen dringen erforderlich
Die Landwirte werden stärker denn je gefordert werden, die Folgen einer unsicherer werdenden Produktion auszugleichen und die Erträge zu sichern. Ertragsstabilität und Ertragssicherheit nehmen ohne zusätzliche Bewässerung ab. Landwirtschaft ohne Bewässerung wird zum Risiko. Neben der Bewässerung und besser an das“ neuen“ Agroklima angepassten Sorten bzw. der Anbau völlig neuer Fruchtarten, sind die Weiterentwicklung der Anbautechniken.
Oberstes Ziel dieser Methoden muss es sein, dass weniger bzw. zu anderen Zeitpunkten verfügbare Wasser besser zu nutzen. Hierzu zählen verstärkt auch Maßnahmen zur Bodenstrukturverbesserung. Der Einsatz natürlicher und synthetischer Bodenverbesserer zur Steigerung Wasserhaltekapazität des Bodens sind mögliche Varianten. Diese bedürfen noch weiterer Forschung und weitere Investitionen. Dies heißt aber auch, dass Landwirte bessere Renditen erzielen müssen, um diese Investitionen tätigen zu können. Damit einher geht ein Intensivierungsdruck bis hin zum Einsatz autonomer Robotersysteme auf dem Feld. Eine weitere Puffermaßnahme ist die Diversifizierung der Produktion. Aber auch die Nutzung neuer agroökologischer Methoden, wie Mischanbau, und der Einsatz der Biotechnologie für ökologische Fragestellungen sind weitere Möglichkeiten, um das System Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Gelingt dies nicht, wird die prognostizierte Entwicklung unweigerlich zu Ertragsausfällen verglichen mit dem heutigen Produktionsniveau führen.
Variabilität der Produktion als größte Herausforderung
Zur größten Herausforderung für die Landwirte wird die zunehmende Variabilität der Witterung durch den Klimawandel. Denn auch in Regionen die laut den einbezogenen Indikatoren für die landwirtschaftliche Produktion gute Produktionsvoraussetzungen haben bzw. diese bekommen, z.B. Gebiete in Nordeuropa, nehmen die Risiken für eine stabile Produktion zu. Landwirtschaft war, ist und wird ein dynamisches System bleiben. Allerdings werden Wetterextreme zunehmen und diese Dynamik erweitern. Schäden die laut der Prognose auch bis zu Totalausfällen führen können, sind wahrscheinlich. Immer häufiger kommt es zum Wechsel von Überschwemmungen, trockenen Jahren, Hagel oder auch zunehmenden Stürmen. Die Quintessenz der Studie ist somit: die Variabilität der Produktivität der europäischen Landwirtschaft nimmt zu. Jahre mit Rekordernten werden mit Jahren eines Totalausfalls bestimmter Früchte ab wechseln.
Neben den Herausforderungen eines angepassten Produktionsmanagements sowie einer auch längere Zeiträume überbrückenden Vorratshaltung, wird der Klimawandel zunehmend zur Herausforderung der Agrarpolitik und für die Versicherungsbranche. Die derzeitigen Rahmenbedingungen sind auf die prognostizierte Situation noch nicht ausreichend vorbereitet. Mit der vorliegenden Studie wurde eine Metaanalyse geschaffen. Weitere Studien die sich stärker um regionalen und lokalen Bezüge kümmern, müssen folgen, so die Autoren, um fokussierte Handlungsempfehlungen geben zu können.
Quelle:
Olesen et al. „Agroclimatic conditions in Europe under Climate Change” Global Change Biology doi: 10.1111/j.1365-2486.2011.02396.x (Akzeptierter jedoch zum Zeitpunkt der Meldung auf Pflanzenforschung.de noch nicht veröffentlichter Artikel)
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