Wenn das Klima zuschlägt
Rückblick und Prognose: Wetterextreme sind eine Gefahr für den Getreideanbau
Wetterextreme haben in der Vergangenheit die weltweite Getreideproduktion um durchschnittlich rund 10 Prozent dezimiert. Und auch in Zukunft werden sich widrige Wetterverhältnisse häufen. Wissenschaftler gehen von einer Verdopplung bis Verdreifachung aus. Aktuelle Studien machen deutlich: Es ist mehr Forschung und Vorbereitung auf Wetterextreme nötig. Stärker als bisher gilt es, regionale Unterschiede zu beachten.
Seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts häufen sich in vielen Regionen der Welt extreme Wetterereignisse wie Dürren, Überschwemmungen und langanhaltende Hitze. Eine neue Studie liefert nun erstmals weltweite Zahlen, wie stark das Wetter den Getreideanbau bereits beeinträchtigt hat. Den Forscher zufolge hat sich die Getreideproduktion vor allem durch Dürren und Hitze um durchschnittlich 9-10 Prozent verringert.
Für ihre Analysen hatten die Wissenschaftler auf der einen Seite rund 2800 Wetterextreme und auf der anderen Seite die verfügbaren landwirtschaftlichen Produktionsdaten der Welternährungsorganisation (FAO) von 16 Getreidearten aus 177 Ländern im Zeitraum von 1964 bis 2007 betrachtet.
Wetterkatastrophen führen zu Einbußen in der Landwirtschaft
Während Überflutungen und extreme Kälte ihren Analysen zufolge den weltweiten Ackerbau nicht einschneidend beeinflussten, waren die Effekte von langanhaltender Trockenheit und Hitze deutlich zu spüren. Und sie konnten noch mehr zeigen: Seit Mitte der 1980er Jahre wirken sich Dürren zunehmend verheerender auf die Landwirtschaft aus. So führten die Dürren der jüngeren Vergangenheit zu etwa 7 Prozent höheren Produktionseinbußen als weiter zurückliegende Trockenphasen.
Beim Vergleich von Hitze und Dürre kamen die Forscher zu dem Schluss, dass Hitze zu geringeren Erträgen führte; Dürren jedoch nicht nur die Produktivität der Pflanzen durch Wassermangel verringerten, sondern auch die Ackerflächen selbst durch Dürren negativ beeinflusst wurden. Pflanzen erleiden durch die Trockenheit Schäden und sterben ab. Die Anbauflächen erodieren durch Wind und Regen, da der Boden nicht mehr von den ihn schützenden Pflanzen bedeckt ist und auch das natürliche Bodenleben wird stärker beeinträchtigt.
Industrieländer sind anfälliger
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass es große regionale Unterschiede gibt. So hatten die landwirtschaftlich hochentwickelten Industrieländer bei Dürren die größeren Verluste auszugleichen. Im Schnitt waren die Ernteverluste um 8-11 Prozent größer als in Entwicklungsländern. Die Getreideproduktion sank in den Industrieländern bei Dürren um durchschnittlich fast 20 Prozent.
Einen Grund für den stärkeren Effekt in den Industrieländern sehen die Forscher im großflächigen Anbau von Monokulturen. „In den Kornkammern Nordamerikas zum Beispiel, sind die Kulturpflanzen und Anbaumethoden über große Flächen uniform. Kommt es zu einer Dürre, welche die angebaute Kulturpflanze beschädigt, werden riesige Flächen in Mitleidenschaft gezogen“, erklären die Autoren der Studie. Im Gegensatz dazu steht die landwirtschaftliche Praxis in großen Teilen der Entwicklungsländer. Die Anbausysteme gleichen einem Flickenteppich von kleinen Feldern mit unterschiedlichen Kulturen. Tritt eine Dürre ein, schädigt diese einige der angebauten Pflanzenarten stärker als andere. Die mit den widrigen Umständen besser zurechtkommend, werden weniger in Mitleidenschaft gezogen. Die Chancen stehen besser, dass die Bauern von den angebauten Nutzpflanzen zumindest noch etwas ernten.
Anpassungsstrategien sind Wetterabhängig
Laut einer weiteren Studie, die sich auf den Weizenanbau konzentrierte, werden widrige Wetterverhältnisse, zumindest in Europa, häufiger. Die Forscher beschrieben in ihrer Modellierungsstudie die zukünftige Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen von elf widrigen Witterungsverhältnissen mit dem Potenzial Weizenerträge erheblich zu reduzieren. Das Ergebnis: In den Hauptanbauregionen werden sich ungünstige Wetterbedingungen bis zum Ende des Jahrhunderts verdoppeln. Doch die Strategie, den Anbau in andere Anbaugebiete in Europa zu verlagern, ist der Studie zufolge keine Lösung. Denn das Risiko von Wetterextremen auf der gesamten zur Verfügung stehenden europäischen Ackerfläche wächst. In Europa kann sich das Risiko einer Häufung von Wetterextremen nach dieser Simulation sogar verdreifachen. Strategien, die sich auf die Pflanzen selbst konzentrieren oder deren Anbauzeitpunkt, wären nach Aussage der Forscher geeigneter, als das Ausweichen in andere Gebiete.
Bereits in einer Studie im Jahr 2011 konnten Forscher in einer Simulation aufzeigen, welchen Einfluss Hitze und Trockenheit im Jahr 2055 haben. Im Ergebnis wurde deutlich, dass in Zukunft zumindest in Nordeuropa weniger der Wassermangel, der zum Beispiel durch Bewässerung ausgeglichen werden könnte, als vielmehr die Hitze eine schädigende Wirkung auf den Weizenanbau hat.
Höhere Temperaturen führen zu schnellerem Wachstum und Entwicklung, so dass weniger Zeit zur Blüte und Kornentwicklung bleibt, aber auch die Eiweißqualität wird durch Hitze negativ beeinflusst. Die Modellrechnung zeigte, dass Hitzestress während der Blüte zu einer verminderten Körnerzahl führt. Hitzestress nach der Blüte reduzierte dagegen vor allem die Größe der Körner. Übertragen auf die reale Landwirtschaft, würde der Bauer in beiden Fälle kleinere Ernten einfahren. Treten beide Extreme, durch eine anhaltende Hitze gemeinsam auf, wären die Ernteverluste umso beträchtlicher, so die Ergebnisse der Wissenschaftler in Ihrer damaligen Modellierung.
Ernährungssicherheit in Zeiten des Klimawandels
Da nicht nur Weizen oder Gerste, sondern auch Mais und Reis und somit ein Großteil der Grundnahrungspflanzen der Welt zu den Getreiden zählen, veranschaulichen die aktuellen Studien, dass das Wetter einen großen Einfluss auf die weltweite Ernährungssicherheit hat und dieser sogar weiter zunehmen wird. Denn durch die wachsende globale Bevölkerung und die postulierte Zunahme von Wetterextremen durch den Klimawandel wächst auch das Risiko. Neben höheren Erträgen pro Flächeneinheit kommt der Ertragssicherheit eine immer stärkere Bedeutung zu. Gleichzeitig gelangen unsere heutigen Produktionsformen mehr und mehr an ihre Grenzen. Landwirtschaft, die trotz Klimawandel, Wetterextremen, wachsender Bevölkerung und veränderten Ernährungsgewohnheiten funktioniert, muss anderes sein als die heute etablierte Landbewirtschaftung.
Aber nicht nur Landwirte, auch politische Entscheidungsträger benötigen robuste und wissenschaftlich fundierte Informationen, um für potenzielle Katastrophen besser gewappnet zu sein und um Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dafür sind Interventionen nötig, die weit über die Landwirtschaft hinausgehen. Auch Infrastruktur, Logistik, Lagerhaltung, die Entwicklung von neuen Technologien, bis hin zu neuen Versicherungssystemen sind nötig. Ob ein extremes Wetterereignis zu einer (Ernährungs-)Katastrophe führt, hängt nämlich nicht nur von der Schwere des Ereignisses ab, sondern auch von der Anfälligkeit der betroffenen Regionen und wie diese auf die Ereignisse vorbereitet sind.
Genaue Analysen und mehr Forschung notwendig
Die aktuellen Studien verdeutlichen: Ungünstige Wetterverhältnisse hatten in der Vergangenheit große Effekte auf die landwirtschaftliche Produktion. Ein Einfluss, der weiter zunehmen wird. Um rechtzeitig geeignete Strategien zu entwickeln, wie mit diesen Herausforderungen umzugehen ist, gilt es, die Zusammenhänge besser zu verstehen und Extremereignisse genauer vorherzusagen. Es müssen aber auch besser angepasste Pflanzen gezüchtet und Anbaumethoden weiter optimiert werden. Nur so lassen sich auch weiterhin Ernten in ausreichender Menge garantieren. Ein Wunsch, der bis heute unerfüllt ist. Selbst heute leiden über 800 Millionen Menschen Hunger in der Welt. Der Handlungsbedarf ist somit groß.
Quellen:
- Lesk, C., Rowhani,P. & Ramankutty, N. (2016): Influence of extreme weather disasters on global crop production. In: Nature 529, 84–87, (online 06. Januar 2016), doi:10.1038/nature16467.
- Trnka, M., Hlavinka, P. & Semenov, M.A. (2015): Adaptation options for wheat in Europe will be limited by increased adverse weather events under climate change. In: J. R. Soc. Interface 12: 20150721, (online 18. November 2015), http://dx.doi.org/10.1098/rsif.2015.0721.
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Titelbild: Hitze ist ein Stressfaktor für Pflanzen und eine Gefahr für die Getreideproduktion, wie neue Zahlen belegen. (Bildquelle: © jupiter55/iStock/Thinkstock)