Kommensale Pseudomonaden

Mikroben aktivieren Pflanzenabwehr gegen pathogene Artgenossen

16.03.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kolorierte Rasterelektronenmikroskopaufnahme von Pseudomonas-Bakterien beim Eindringen in eine Spaltöffnung eines Pflanzenblatts. (Bildquelle: © Sonja Kersten, Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen)

Kolorierte Rasterelektronenmikroskopaufnahme von Pseudomonas-Bakterien beim Eindringen in eine Spaltöffnung eines Pflanzenblatts. (Bildquelle: © Sonja Kersten, Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen)

Abwehr im Team: Bestimmte Pseudomonaden-Stämme bringen die Ackerschmalwand dazu, eine spezifische Verteidigung gegen eng verwandte pathogene Pseudomonaden-Stämme zu aktivieren, auf die die Pflanze sonst nicht reagiert. Am größten ist der Effekt, wenn mehrere der guten Stämme gemeinsam wirken.

Pflanzen leben wie alle höheren Organismen in einer ständigen Interaktion mit Mikroben. Einige Mikroorganismen besiedeln Pflanzen zum wechselseitigen Vorteil, andere rufen Krankheiten hervor, wieder andere zeigen eher neutrale Wechselwirkungen. Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Biologie in Tübingen hat nun eine besondere Art der Interaktion beschrieben, die vielleicht gar nicht so selten ist: Die Fachleute konnten zeigen, dass kommensale Pseudomonaden die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana dazu bringen, ihre Abwehr gegen pathogene Pseudomonaden hochzufahren.

Gesund trotz Krankheitserregern

Schon lange ist bekannt, dass Pflanzen durch bestimmte Absonderungen beeinflussen, wie sich ihre Mikrobiota zusammensetzen. Und auch Mikroorganismen verfügen über molekulare Signale, um Pflanzen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Insbesondere zwischen Wirtspflanzen und pathogenen Mikroben entwickelte sich ein evolutionäres Wettrüsten auf molekularer Ebene. Doch das erklärt nicht, was die Pflanzenforschung in Süddeutschland beobachtet hat: Dort gedeihen in freier Wildbahn von pathogenen Pseudomonas-Stämmen besiedelte Ackerschmalwand-Pflanzen, die unter Laborbedingungen keine Überlebenschance hätten.

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Die Spaltöffnungen sind die Eintrittspforten über die Bakterien in die Blätter eindringen können.

Die Spaltöffnungen sind die Eintrittspforten über die Bakterien in die Blätter eindringen können.

Bildquelle: © iStock.com/Nancy Nehring

Das Tübinger Forschungsteam hat daher ein dreigleisiges Experiment entworfen: Die Fachleute haben sechs einheimische Linien der Ackerschmalwand mit drei unterschiedlichen Gemeinschaften von Pseudomonaden infiziert: Eine Gruppe bestand aus sieben pathogenen Stämmen, eine Gruppe aus sieben kommensalen Stämmen, die dritte vereinte alle 14 Stämme.

Alle Stämme besiedeln natürlicherweise die Ackerschmalwand im Freiland und sind so eng verwandt, dass sie anhand ihrer 16S-rDNA nicht zu unterscheiden wären. Für das Experiment verwendete das Forschungsteam daher Genom-Barcoding, um die unterschiedlichen Stämme zu identifizieren. Um möglichst naturnahe Bedingungen zu schaffen, wuchsen die Pflanzen in natürlicher, nicht sterilisierter Erde. Das Team infizierte die Versuchspflanzen mit einer Bakteriensuspension, die auf die Blätter aufgesprüht wurde – so, wie es auch durch Wind geschehen würde.

Pseudomonaden verändern die Wachstumsrate

Als Erstes zeigte sich, dass die genetische Konstitution der Ackerschmalwand nur fünf bis zwölf Prozent der Variation erklären konnte, mit der sich die jeweilige Bakteriengemeinschaft entwickelte. Maßgeblicher waren die bakteriellen Stämme. Über die zwölf Tage des Experiments verringerte die pathogene Gruppe das Pflanzenwachstum aller Ackerschmalwandlinien, wenngleich der Effekt bei zwei Akzessionen etwas schwächer ausfiel – was auf eine gewisse Resistenz gegen die Bakterien hinweist.

In der kommensalen Gruppe hingegen erhöhte sich das Wachstum aller Linien leicht. Die Forscher:innen vermuteten: Die Bakterien fördern das Wachstum oder begrenzen negative Effekte anderer Mikroben. Besonders spannend war die Entwicklung der gemischten Gruppe: Hier wuchsen die Pflanzen vergleichbar mit der nicht infizierten Kontrolle. Lediglich eine Linie zeigte ein verlangsamtes Wachstum, das aber immer noch deutlich stärker war als beim Experiment mit der rein pathogenen Bakteriengruppe.

Weiterhin zeigten die Analysen, dass sich in allen drei Test-Gruppen die Pseudomonas-Stämme robust etabliert hatten, wenngleich sich deren relative Häufigkeit unterschied. Bei gleichzeitiger Infektion mit „guten“ und „schlechten“ Pseudonomaden war die Anzahl der pathogenen Keime jedoch deutlich geringer als bei Besiedelung durch rein pathogene Stämme. Die Anzahl kommensaler Keime blieb weitgehend davon unbeeinflusst. Die Mischinfektion führt demnach dazu, dass die pathogenen Stämme unterdrückt werden.

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Die unscheinbare Pflanze Arabidopsis thaliana ist die wichtigste Modellpflanze in der Pflanzenforschung. Warum das so ist erfahren Sie in dieser Bildstrecke.
Bildstrecke: Ein Unkraut steht Modell

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Bildquelle: © Jörg Abendroth / MPI für Entwicklungsbiologie

Interaktion zwischen Pflanze, Bakterien und Bakterien

Das Forschungsteam konnte in Inhibierungsversuchen ohne Wirt zeigen, dass insbesondere zwei der kommensalen Stämme das Wachstum von sechs der sieben pathogenen Stämme inhibierten und zwei kommensale Stämme leicht beeinträchtigen. Ein weiterer kommensaler Stamm inhibierte drei der pathogenen Stämme. Bemerkenswerterweise sah das Bild mit Wirt noch einmal anders aus: Hier war einer der zuvor nicht inhibierten Stämme besonders stark betroffen, und keiner der kommensalen Stämme inhibiert. Außerdem ergaben die Experimente, dass der Effekt der kommensalen Stämme gemeinsam deutlich größer war als die Summe der Effekte einzelner Stämme.

Die naheliegende Erklärung besteht darin, dass auch der pflanzliche Wirt bei dieser Interaktion beteiligt ist. Daher analysierten die Pflanzenforscherinnen und -forscher, wie sich in den jeweiligen Gruppen die Genaktivität der Pflanze veränderte. Die Infektion mit der pathogenen Gruppe führte lediglich bei 14 Genen zu einer abweichenden Aktivität. Mit der kommensalen Gruppe waren es 1.112 abweichend exprimierte Gene, in der gemischten Gruppe 1.949 – und damit mehr als die Summe der Interaktionen mit den einzelnen Gruppen. Mehrheitlich zählten die betroffenen Gene in der gemischten Gruppe zur Kategorie „Abwehr“ und teilweise zur „Reaktion auf andere Organismen“.

Möglicher Ansatz für krankheitsresistentere Pflanzen

Zusammengenommen folgern die Studienbeteiligten daraus, dass die kommensalen Stämme in der Pflanze die Abwehr aktivieren und diese Reaktion noch verstärken, wenn pathogene Stämme präsent sind. Die pathogenen Stämme allein lösen die Abwehr jedoch nicht aus. Direkt bekämpfen sich die Bakterienstämme der Studie zufolge jedoch nicht. Auch wenn die „guten Keime“ ihre Wirtspflanzen nicht vollständig schützen, so könnten weitere Erkenntnisse zu den genaktivierenden Wirkungen der kommensalen Pseudomonaden neue Züchtungsansätze für krankheitsresistentere Pflanzen eröffnen.


Quelle:
Shalev, O. et al. (2022): Commensal Pseudomonas strains facilitate protective response against pathogens in the host plant. In: Nature Ecology & Evolution, (24. Februar 2022), doi: 10.1038/s41559-022-01673-7.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Kolorierte Rasterelektronenmikroskopaufnahme von Pseudomonas-Bakterien beim Eindringen in eine Spaltöffnung eines Pflanzenblatts. (Bildquelle: © Sonja Kersten, Max-Planck-Institut für Biologie Tübingen)