Projekt EpiChrom

Wie lassen sich Gensequenzen in heterochromatischen Bereichen züchterisch zugänglich machen?

26.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nicht alle Chromosomenbereiche sind für die Kreuzungszüchtung zugänglich. Das will das Projekt EpiChrom ändern. (Bildquelle: © iStock.com / nobeastsofierce)

Nicht alle Chromosomenbereiche sind für die Kreuzungszüchtung zugänglich. Das will das Projekt EpiChrom ändern. (Bildquelle: © iStock.com / nobeastsofierce)

Bis zur Hälfte des Erbguts mancher Getreidearten ist für die meiotische Rekombination unzugänglich, ein erhebliches Problem für die Kreuzungszüchtung. Stecken dahinter epigenetische Markierungen oder ist es die Lage im dicht gepackten Centromer? Chromosomeninversionen mittels der Genschere CRISPR/Cas sollen nun die Antwort liefern.

Mehr Ertrag, bessere Krankheitsresistenzen, höhere Dürretoleranz: Der heutigen Pflanzenzüchtung scheint manchmal nichts unmöglich. In Wahrheit jedoch gibt es nach wie vor bestimmte Bereiche im pflanzlichen Erbgut, die sich der klassischen Kreuzungszüchtung entziehen. An dieser Stelle daher zunächst ein Ausflug zum Grundprinzip der Kreuzungszüchtung.

Sie ist ein grundlegendes Züchtungsverfahren, bei dem Individuen von zwei unterschiedlichen Sorten oder Linien gekreuzt werden, um Nachkommen mit einer gewünschten Eigenschaftskombination zu erzeugen. Dabei werden Pflanzen mit bestimmten vorteilhaften Merkmalen ausgewählt und miteinander verpaart (gekreuzt), um diese Merkmale in der nächsten Generation zu kombinieren oder zu verstärken. Negative Eigenschaften bzw. Gene der Eltern sollen nicht im Erbgut des „idealen“ Nachkommens sein. Entsprechend selektieren die Züchter:innen teilweise unter Tausenden von Nachkommen diejenigen mit der gewünschten Gen- bzw. Eigenschaftskombination.

Dass die Gene zweier Individuen frei in den Nachkommen kombinierbar sind, liegt an der sogenannten meiotische Rekombination, bei der es während der Bildung von Keimzellen (Gameten) zu einem Austausch von genetischem Material zwischen homologen Chromosomenpaaren kommt. Die Gene der Chromosomen werden quasi neu gemischt.

Probleme bei der Kreuzungszüchtung entstehen immer dann, wenn bestimmte Chromosomenabschnitte für die meiotische Rekombination unzugänglich sind – z.B. aufgrund ihrer Lage im Genom oder weil die Abschnitte dicht verpackt sind (das sogenannte Heterochromatin, oft im Bereich der Centromere). Dann wird der ganze Bereich en block an die Nachkommen weitervererbt und eine Trennung von erwünschten und unerwünschten Genen ist nicht möglich. Auch in Bereichen, in denen der genetische Strang eines Elternteils invertiert ist, ist keine Rekombinationszüchtung möglich.

Die Projektpartner

Wissenschaftliche Partner

Prof. Dr. Holger Puchta (Projektkoordinator), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Dr. Andreas Houben, Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) 

Das Vorgehen

Durchbruch bei der Arbeit mit CRISPR/Cas an Chromosomen

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Holger Puchta setzte als erster Wissenschaftler molekulare Scheren zur Genomveränderung bei Pflanzen ein.

Holger Puchta setzte als erster Wissenschaftler molekulare Scheren zur Genomveränderung bei Pflanzen ein.

Bildquelle: © Sandra Göttisheim, KIT

Das Team um Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat einen Weg eingeschlagen, diese Hindernisse auszuräumen. „Wir haben selbst vor 30 Jahren die erste Genschere angewandt und gezeigt, dass man durch Schnitte Veränderungen im Genom von Pflanzen erzeugen kann“, erinnert Puchta sich. Mit CRISPR/Cas schließlich begann die richtige Revolution – und Puchtas Team führte sie zu neuen Möglichkeiten: Ihm gelang es, nicht nur Gene, sondern ganze Chromosomen zu verändern. Mit der Genschere tauschte das Team Arme zweier Chromosomen und invertierte große Teile eines Chromosoms. „Wir konnten zeigen, dass durch die Reversion einer Inversion dieser Bereich wieder für Rekombination und Züchtung zugänglich wird“, berichtet der Forscher. Das ist nicht zuletzt deshalb für die Züchtung spannend, weil die aktuell vorgeschlagene EU-Neuregelung von neuen Züchtungsmethoden u.a. mit der Genschere CRISPR/Cas vorsieht, Pflanzen mit solchen Inversionen nicht als gentechnisch verändert zu betrachten. Schließlich treten derartige Ereignisse natürlich auf und außer der Richtung des Strangs ändert sich dabei keine einzige Base der DNA-Sequenz.

Doch die neue Methode versprach noch mehr: Mit ihr könnte sich eine alte Frage der Epigenetik beantworten lassen: Liegt es an den heterochromatischen Bereichen selbst, dass sie für die meiotischen Rekombination nicht zugänglich sind und damit evolutionär so stabil? Oder liegt es nur an ihrer Lage im Bereich des Centromers? Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe um Andreas Houben vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) hat Puchta das Projekt „EpiChrom“ ins Leben gerufen. „Wir wollen Chromosomen im Heterochromatin und im Euchromatin, also den zugänglichen Chromosomenbereichen, schneiden und diese Sequenzen invertieren“, schildert der Projektleiter die Idee. „So bringen wir einen ursprünglich heterochromatischen Bereich mitten ins Euchromatin und können testen, ob die Region weiterhin stabil bleibt oder für die meiotische Rekombination zugänglich wird.“

Wie beeinflusst die Epigenetik die meiotische Rekombination?

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Schema der Inversion und möglicher epigenetischer Folgen

Schema der Inversion und möglicher epigenetischer Folgen

Bildquelle: © Rebecca Hinrichs / IPK

Generell geht es den Forscher:innen mit „EpiChrom“ darum zu verstehen, ob spezifische epigenetische Markierungen in einem Chromosomenabschnitt die meiotische Rekombination beeinflussen. Dabei handelt es sich z.B. um lokale DNA-Modifikationen wie Basen-Methylierungen. „Die Primärsequenz der DNA sagt nicht aus, ob die genetische Information exprimiert wird oder am meiotischen Austausch durch Cross-over-Ereignisse beteiligt sein kann“, erläutert Puchta. „Nach dem bisherigen Verständnis wird das durch die Kombination aus dem Zustand des Chromatins und der Position auf dem Chromosom bestimmt.“ Bisher habe man diese Kombination nicht trennen können. „Aber das können wir nun mit unserem methodischen Ansatz klären“, sagt der Projektleiter.

Puchtas Arbeitsgruppe hat bereits an Arabidopsis thaliana einige Inversionen erzeugt. Houbens Arbeitsgruppe konnte inzwischen bestätigen, dass diese Inversionen erfolgreich verlaufen sind. Im weiteren Projektverlauf will das Team nun untersuchen, ob sich die hetero- und euchromatischen Markierungen – etwa Methylierungen des Cytosins und Acetylierungen der Histone – infolge der Inversion verändern. Interessant ist auch, ob sich durch die Inversion etwa die Transkriptionsrate verändert. „Dann könnte man Bereiche, die man stärker exprimieren möchte, an eine andere Position im Genom bringen“, benennt Puchta ein mögliches Potenzial.

Erste Ergebnisse deuten auf Rolle der Epigenetik

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Modellorganismus Arabidopsis thaliana

Modellorganismus Arabidopsis thaliana

Bildquelle: © Rebecca Hinrichs / IPK

Das Projekt befindet sich derzeit erst in der Mitte seines Förderzeitraums, doch ein erstes Zwischenergebnis kann der Projektleiter schon vorstellen: „Es sieht so aus, dass die heterochromatische Region nach der Inversion stabil bleibt.“ Damit wäre der epigenetische Zustand dafür verantwortlich, ob eine Region für den genetischen Austausch während der Meiose zugänglich ist, und nicht ihre Lage auf dem Chromosom. Allerdings müsse die bisherige Beobachtung bei einer einzigen Versuchspflanzengeneration noch nicht bedeuten, dass diese Region auch über weitere Generationen stabil bleibe, betont Puchta. Er hofft, diese Frage innerhalb der Projektzeitraums beantworten zu können.

Zusätzlich möchten die Projektbeteiligten ein weitere Frage klären, die die Pflanzenforschung schon lange beschäftigt: In Arabidopsis gibt es einen bestimmten Bereich, der für ribosomale Gene kodiert – den sogenannten 45S rDNA Cluster. Dieser Bereich existiert sowohl auf Chromosom II in einem heterochromatischen Bereich, wo er nicht transkribiert wird, als auch auf Chromosom IV, wo die Gene abgelesen werden. „Wir machen nun Translokationen zwischen den beiden Chromosomen“, berichtet Puchta. Anders gesagt: Die Forscher tauschen den betreffenden Bereich von Chromosom II mit dem von Chromosom IV. Wird das dazu führen, dass nun der Bereich auf Chromosom II exprimiert wird und auf Chromosom IV dann nicht mehr? „Wir wollen die Mechanismen verstehen, wie ein identische Genregion auf einem Chromosom abgeschaltet ist und auf dem anderen nicht.“ Gelänge das den Forschenden, hätten sie ein Jahrzehnte altes Rätsel gelöst