Molekulare Symphonien
Transkriptionsfaktoren exprimieren tausende Gene

Die molekularen Hintergründe der genetischen Wirkung von Abscisinsäure bei Wassermangel blieben lange im Dunkeln. (Bildquelle: © el2ror / Fotolia.com)
Lange blieben die molekularen Hintergründe, mit denen Pflanzen auf Stressfaktoren wie Wassermangel reagieren, im Dunkeln. Jetzt ist Forschern ein wichtiger Schritt zum Verständnis gelungen. Hierarchisch strukturierte Transkriptionsfaktoren bilden Genregulationsnetzwerke und steuern dadurch eine massenhafte Genexpression, als Antwort auf Stress.
Bei einem Fallschirmsprung oder in einer Klausur reagieren Menschen mit Stress. Die Folge ist die Freisetzung von Hormonen wie Adrenalin, die zu Herzfrequenzsteigerung, Blutdruckanstieg und Bronchiolenerweiterung führen. Dadurch soll der Körper besser auf die schwierige Situation wie eine Flucht oder einen Kampf eingestellt sein. Auch Pflanzen haben ähnliche Mechanismen. Sie reagieren mithilfe von Phytohormonen auf Stresssituationen in ihrer Umgebung.

Abscisinsäure (ABA) gehört zur Gruppe der Sesquiterpene und ist an einer Reihe lebenswichtiger Funktionen von Pflanzen beteiligt.
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Eines dieser Phytohormone ist Abscisinsäure (ABA). Das Hormon gehört zur Gruppe der Sesquiterpene und ist an einer Reihe lebenswichtiger Funktionen von Pflanzen beteiligt. Bekannt ist die Beteiligung von Abscisinsäure unter anderem bei der Geschlechtsfestlegung, dem Abstoßen von Blättern und dem Verhalten bei Wassermangel.
Die molekularen Hintergründe, wie Abscisinsäure genetisch wirkt blieben jedoch lange im Dunkeln. Ein internationales Forscherteam hat nun einen wichtigen Schritt zum Verständnis des genetischen Wirkens von Abscisinsäure bei Wassermangel gemacht.
Stesssimulation durch Abscisinsäure
Maßgeblich beteiligt an der Stressantwort sind Transkriptionsfaktoren. Dabei handelt es sich um Proteine, welche die Expression von Hunderten bis Tausend einzelner Gene dirigieren. In ihrer Studie verfolgten die Wissenschaftler Echtzeit-Änderungen in der pflanzengenetischen Aktivität in Reaktion auf Abscisinsäure. Sie waren in der Lage, eine Handvoll Transkriptionsfaktoren zu identifizieren und die Stellen, an denen sich die Proteine an die DNA binden, sichtbar zu machen.
Dies taten die Wissenschaftler, indem sie drei Tage alte Setzlinge der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) mit Abscisinsäure zusammenbrachten. Dadurch simulierten die Wissenschaftler eine Stresssituation. Über einen Zeitraum von 60 Stunden überprüften sie in regelmäßigen Abständen deren Genexpression. Dabei sammelten sie mithilfe der Chromatin-Immunpräzipitation (ChIP) 122 Datensätze der nach neuen Erkenntnissen knapp 33.600 Gene von Ackerschmalwand. Mindestens einmal exprimiert wurden 3.061 Gene.

Die Wissenschaftler simulierten eine Stresssituation, indem sie drei Tage alte Setzlinge der Ackerschmalwand mit Abscisinsäure zusammenbrachten.
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21 Transkriptionsfaktoren wurden sichtbar
Die Auswertung der Daten machte eine hierarchische Ordnung von 21 Transkriptionsfaktoren sichtbar, die auf Abscisinsäure reagierten. Diese geringe Anzahl an Transkriptionsfaktoren waren bei den Untersuchungen an der Expression tausender Genen beteiligt.
Effekte des Klimawandels abfedern
Die Ergebnisse der Forscher ermöglichen es, die Anpassungsstrategien von Pflanzen auf Stresssituationen, besser zu verstehen. Auch die gezielte Beeinflussung der Stress-Antwort könnte dadurch erleichtert werden. Ist man in der Lage, die Transkriptionsfaktoren, also die „Dirigenten der molekularen Symphonie“, zu stimulieren oder zu unterdrücken, lassen sich Genfunktionen gezielt beeinflussen.
Gerade bei Eigenschaften, die durch eine Vielzahl von Genen gesteuert werden, bestes Beispiel ist der Ertrag, könnten landwirtschaftlich genutzte Pflanzen besser an Dürre und andere klimarelevante Stressoren angepasst werden. Statt Hunderte oder Tausende Gene zu deregulieren, genügt es, die Mastergene zu verändern, welche für Transkriptionsfaktoren kodieren.
Quelle:
Song, L. et al. (2016) A transcription factor hierarchy defines an environmental stress response network. In: Science, Vol. 354, Issue 6312, (04. November 2016), doi: 10.1126/science.aag1550.
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Titelbild: Die molekularen Hintergründe der genetischen Wirkung von Abscisinsäure bei Wassermangel blieben lange im Dunkeln. (Bildquelle: © el2ror / Fotolia.com)