MON 810 und seine Folgen

25 Jahre Bt-Mais-Anbau in Spanien – Wie geht es Schädlingen und Nützlingen?

19.09.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt und wird immer wieder von Schädlingen heimgesucht. In zahlreichen Ländern setzen Landwirte daher auf gentechnisch veränderte Sorten. (Bildquelle: © Albrecht Fietz / Pixabay)

Mais ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt und wird immer wieder von Schädlingen heimgesucht. In zahlreichen Ländern setzen Landwirte daher auf gentechnisch veränderte Sorten. (Bildquelle: © Albrecht Fietz / Pixabay)

Es funktioniert wie erhofft. In etwa so könnte man zusammenfassen, was Wissenschaftler:innen über die Auswirkungen von knapp 25 Jahren Bt-Mais-Anbau in Spanien herausgefunden haben. Der dort angebaute Mais MON810 produziert das Protein Cry1Ab, das den Schädling Maiswurzelbohrer abwehrt. Andere Insekten, vor allem Nützlinge, nehmen davon offensichtlich keinen größeren Schaden. Das zeigt zumindest eine Metaanalyse, für die die Ergebnisse von 233 Experimenten ausgewertet wurden. Auch Resistenzen bei den Maiswurzelbohrern sind bisher – fast schon überraschend – ausgeblieben. Eine Sache mahnen die Wissenschaftler:innen trotzdem an.

Seit 1998 wird in Spanien gentechnisch veränderter Mais angebaut. Die einzige EU-weit zugelassene Sorte heißt MON810 und stammt noch aus dem „Dinosaurier-Zeitalter“ der Gentechnik. Damals wurden neue Gene meist mit Hilfe von Agrobakterien in die Maiszellen eingeschleust und anschließend an irgendeiner zufälligen Stelle im Genom eingebaut. MON810 exprimiert das Protein Cry1Ab und ist daher giftig für den Maiswurzelbohrer. Anderen Insekten hingegen – so das Versprechen – schadet dieses Protein nicht. Oder?

 Diese Frage haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer neuen Meta-Analyse zu beantworten versucht. Sie analysierten dafür mehr als 233 Experimente, die in 120 Fachartikeln dokumentiert worden sind. Ihr Ergebnis: Der Einfluss von Bt-Mais auf wirbellose Nichtzielorganismen war sehr gering.

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Marienkäfer scheinen vom Bt-Mais zu profitieren. Auf Bt-Maisfeldern waren die Populationen von Insekten und Spinnen größer als auf Feldern, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden.

Marienkäfer scheinen vom Bt-Mais zu profitieren. Auf Bt-Maisfeldern waren die Populationen von Insekten und Spinnen größer als auf Feldern, die mit chemischen Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden.

Bildquelle: © Hans / Pixabay

Bt-Mais wirkt sehr selektiv

Vergleicht man die Insektenpopulationen auf Maisfeldern mit MON810 und konventionellen Maisfeldern ohne chemischen Pflanzenschutz, so zeigte sich: In Bt-Maisfeldern fand man weniger Parasiten des Maiswurzelbohrers (Braconidae, Tachinidae) und weniger Glanzkäfer (Nitidulidae), die ebenfalls mit Maiswurzelbohrerbefall in Zusammenhang stehen. Negative Effekte des Bt-Mais konnten die Forscher:innen auf Insekten der Gattung Staphylinidae und Syrphidae erkennen. Im Gegensatz dazu sahen sie aber auch einen positiven Einfluss auf Marienkäfer (Coccinellidae), Blumenwanzen (Anthocoridae) und Netzflügler (Neuroptera).

Allerdings waren all diese Effekte nicht konsistent und konnten oft nur in einzelnen Studien gefunden werden. Hier spielten vermutlich indirekte Nahrungsnetz-Effekte oder andere ökologische Mechanismen eine Rolle und nicht eine Toxizität der Bt-Eiweiße.

Beim Vergleich von Flächen mit unbehandeltem Bt-Mais und konventionellen Feldern, auf denen das Insektizid Pyrethroid gespritzt wurde, waren die Unterschiede viel deutlicher. Hier zeigte sich, dass sich im unbehandelten Bt-Mais insgesamt sehr viel mehr Insekten tummelten. Vor allem Gliederfüßer (Arthropoden), Spinnen (Araneae), Schnabelkerfe (Hemiptera) und die funktionelle Gruppe der Raubinsekten waren häufiger anzutreffen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das vom Bt-Mais exprimierte Gift selektiv auf den Zielorganismus, also den Maiswurzelbohrer, wirkt.

Bisher keine Resistenzen beim Maiswurzelbohrer

Doch welchen Einfluss hat der Bt-Mais auf die Maiswurzelbohrer selbst? Haben sie unter dem ständigen Evolutionsdruck bereits Resistenzen gegen das Protein Cry1Ab entwickelt? Auch hier gibt ein kürzlich erschienener Übersichtsartikel Entwarnung. Weder der Europäische noch der Mediterrane Maiswurzelbohrer zeigen bisher Resistenzen.

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In Spanien müssen beim Anbau von Bt-Mais um die Felder Refugienflächen mit konventionellem Mais anlegt werden. Damit konnte eine Resistenzentwicklung bei den Schädlingen bislang verhindert werden.

In Spanien müssen beim Anbau von Bt-Mais um die Felder Refugienflächen mit konventionellem Mais anlegt werden. Damit konnte eine Resistenzentwicklung bei den Schädlingen bislang verhindert werden.

Bildquelle: © Hans / Pixabay

Die Strategie der Refugienflächen, also Felder in der Nachbarschaft von Bt-Mais, auf denen konventionelle Maissorten angebaut werden, scheint also aufzugehen. Die Idee dahinter: Auf den konventionellen Maisfeldern können sich die nicht-resistenten Schädlinge vermehren und somit mit den wenigen Maiswurzelbohrern paaren, denen es gelungen ist, eine Resistenz gegen Cry1Ab zu entwickeln. Die eventuell aufkommenden Resistenzen werden somit immer wieder „verwässert“ und letztlich erfolgreich aus dem Genpool gedrängt.

Die Wissenschaftler mahnen jedoch an, dass auch in Zukunft adäquate Maßnahmen zum Resistenz-Management ergriffen werden müssen. Eventuell wird es notwendig sein, dass auch dann Refugienflächen Pflicht werden, wenn die Fläche mit Bt-Mais kleiner als fünf Hektar ist. Ein zentraler Baustein seien zudem Trainingsprogramme für Landwirtinnen und Landwirten, damit sie die Wichtigkeit dieser Maßnahmen verstehen und entsprechend handeln.

Eine andere Möglichkeit wäre der Anbau von Bt-Maissorten, die nicht nur eine Variante, sondern gleich mehrere Varianten des Bt-Proteins produzieren. Denn das macht es für Schädlinge noch schwieriger, Resistenzen zu entwickeln. Längst sind solche Sorten in Nord- und Südamerika auf dem Markt. Eine EU-Zulassung hat aber nur der Bt-Mais MON810 – und so wird es wohl nach dem derzeitigen politischen Willen der Mitgliedsstaaten auch bleiben.


Quellen:

  • Meissle, M., Naranjo, S.E. & Romeis, J. (2022): Does the growing of Bt maize change abundance or ecological function of non-target animals compared to the growing of non-GM maize? A systematic review. In: Environmental Evidence 11, 21 (6. Juni 2022), doi: 10.1186/s13750-022-00272-0.
  • Álvarez-Alfageme, F. et al. (2021): Managing resistance evolution to transgenic Bt maize in corn borers in Spain. In: Critical Reviews in Biotechnology, 42:2, 201-219, (21. Juni 2021), doi: 10.1080/07388551.2021.1931018.

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Titelbild: Mais ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen der Welt und wird immer wieder von Schädlingen heimgesucht. In zahlreichen Ländern setzen Landwirte daher auf gentechnisch veränderte Sorten. (Bildquelle: © Albrecht Fietz / Pixabay)